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Die Flatters

und der Zärtlichen einen Seufzer abzulocken. hafte sah sich flichtig nach ihm um, und die Ernsthafte vers weilte sich gern bei ihm. Kurz, in der ganzen feinen Welt war kein Auge, das ihn durchschaute; er herrschte durch die Größe seiner Kunst über alle verfeinerte Geschöpfe, und ents zog ihnen durch die Macht seiner Bescheidenheit den ganzen Umfang seiner Herrschaft. Wäre das menschliche Leven nur Ein Rosenmonat gewesen; so würde Selimor als der volls tommenste Mann gestorben seyn.

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Der

Aber nun stellten sich auch rauhe Winter ein. Fürst war in Schulden gerathen, und überwarf sich mit seis nem Kammerpräsidenten, einem würdigen und geschickten, aber trocknen Manne. Das Wohl des Herrn und des Staats erforderte durchaus, diesen Mann beizubehalten; und Selimor wurde an ihn abgeschickt, eine Versöhnung zu stifs ten. Anstatt aber solche zu befördern, verdarb er die Sache, weil er die trockene Begegnung des Präsidenten für Grobheit aufnahm, und das Herz des Fürsten immer tiefer verwundete. Selimor übernahm endlich auf Begehren des Fürsten die Kammersachen. Kaum hatte er sie aber ein halbes Jahr versehen, so war alles in Verwirrung, weil weder Arbeit noch Dauer in ihm war, und die bloße Manier außer der Sphäre der feinen Welt den Mangel wahrer Verdienste nicht erseßte. Die redlichen und natürlichen Beamten verloren die Hochachtung wie den guten Willen für den Mann, der meder Erfahrung noch Wissenschaft hatte. Einer vor den geringern Bedienten, dem der alte Präsident für seine zahts reiche Familie jährlich hundert Thaler aus seiner Tasche ger geben hatte, und den Selimor nun mit einem freundschaftlis chen Lobe zu seinen betrübten Kindern schickte, hieß ihn einen Hoffchranzen, weil dieser den Werth der Geschöpfe aus der feinern Welt nicht besser einsah. Der Militärstand, der in drei Monaten keine Zahlung gesehen hatte, und seine Unger schicklichkeit in Geschäften bemerkte, schalt ihn einen süßen Herrn, Die Hofdamen, welche das Ihrige auch nicht ers

hielten,

hielten, fänden ihn nun sehr fade; und wie er einer von the nen einen kleinen Dienst mit aller der feinen Anståndigkeir leks stere, die er in seiner Gewalt hatte, zog diese ihm den Mann vor, der ihr rundweg ohne viel Frisur diente, und fand es abgeschmackt, daß sie für jede Kleinigkeit ein zugeschnittnes Kompliment machen sollte. Eine Witwe, welche die gerechs reste Foderung an die Kammer hatte, und sich bei ihm mels den ließ, ward nicht vorgelassen, weil er hörte, daß sie teis nen guten Ton im Vortrag habe; und der Würst, der zuleht von allem, was vorgieng, auf das genaueste unterrichtet wurde, bezeugte ihm eine völlige Verachtung.

Selimor, der so vielen Unglücksfällen nicht widerstehen konnte, entzog sich endlich der feinen Welt, und starb, weil er Niemanden mehr gefallen konnte. Der einzige Hofbildi hauer erbarmte sich seiner, und seßte ihm ein Denkmal, wovon jeder die Draperie bewunderte, und die Figur, welche wes der Größe, noch Charakter und Erfindung zeigte, mit Gleichgültigkeit ansah.

Westphal.

Westphal.

Georg Christian Ehrhard Westphal, geb. zu Quedlinburg, 1752, chedem Prediger zu Halberstadt, jezt zu Halle. Seine in den Jahren 1779 und 1782 zu Leipzig herausgekommenen Pors traits, in zwei Theilen, verdienen mehr Aufmerksamkeit und Ems pfehlung, als sie bisher scheinen gefunden zu haben. Es sind Chas raktere in der Manier des Theophrast und La Bruyere, aber nach den Sitten unsrer Zeit und unsers Vaterlandes gezeichnet, und meistens überaus glücklich und treffend, mit nicht gemeiner Menschenkenntniß und åchter satyrischer Laune entworfen.

Der Bettelstolze.

Man sieht unter den

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Unser alte Ahnherr mit griechischem Bart und Mantel pflegte alles gar genau zu nehmen. wenigen Gemåhlden, die aus seinem Kabinette gerettet sind,, Kerls, wo man Anfangs schwören sollte, ihre Kappen wås ren einander ähnlich; aber wenn man nåher hinzu tritt, so sieht man toch, daß es alles anders ist. Er lässt drei uns ter ihnen schwaßen und klatschen, und alle plaudern anders; eben so viele treibt die Habsucht um, und alle treibt sie ans ders. Er unterscheidet den Hochmüthigen oder Stolzen von dem Prahler, und diesen wieder von dem Bettelstolzen; und auch darin können wir ihm unsern geringen Beifall nicht vers fagen, sondern werden vielmehr sein Gleis betreten. Beim Erstern liegt der unterscheidende Zug in der sichtbaren Bers achtung und Wegwerfung anderer; er beleidigt offenbar; der Andre will nur gerne seyn, was er nicht ist, und gern zu haben scheinen, was er nicht hat, darum fügt er; der Leßtere verspricht sich von Kleinigkeiten, die er zur Schau trägt, einen Ruhm und Ruf des Reichen und Vors nehmen.

Armuth oder Schrupperei arbeiten hier dem Verlans gen etwas vorzustellen entgegen, und bilden ihren Nasidies nus, ihren von Sottenville, und Don Ranudo de Kalibras Beisp. Samml. 8.B: 2. Abth.

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dos.

dos.

Es ist das ängstliche und kümmerliche Aufflattern ef nes Vogels, dem die Flügel verschnitten sind.

Solche Leute wandeln mit allen ihren Geschäften und Habseligkeiten recht eigentlich im Lichte. Sie zählen das Geld im Fenster; und dahin sehen sie auch gern ihr Silbers zeug, Porzellan, und andre Dinge, die etwas zu bedeuten haben. Man muß sehen, daß sie Delikatessen gegessen has ben; denn sie werfen die Ueberbleibsel und Schalen davon jederzeit auf die Straße. Man erfährts bald, daß fie selbst traktiren, oder in Gesellschaft gehen, oder schon wieder vers reisen müssen; denn sie werden entweder eine Kleinigkeit bors gen, oder sonst unter einem Vorwande in unsre Häuser schiks ten, und dann bleibt der Zusatz nie vergessen: fie müssen Heute oder morgen, u. s. w. Aus eben dieser Absicht wollen fie oft etwas von uns wissen, und genau erfahren, oft Dinge, die sie selbst wissen müssen, oder in öffentlichen Nachs richten fiæden könnten: man soll nåmlich hiervon weiter auf ihre Geschäfte, große Einnahme oder Ausgabe, Aufwand, vornehme Bekanntschaft, u. s. f. schließen. Sie ziehen wohl gar mit dem Schnupftuche heraus, verlieren ungern, oder Legen sonst an Oerter hin, wo wir leicht finden, und dann daraus sehen können, was wir sehen sollen.

Dieser Orden ist ungemein groß; und ich entsinne mich, nicht leicht auf einer Straße gewohnt zu haben, wo ich nicht mit Gewißheit einige davon håtte zåhlen sollen. Ein kleiner Allerleihändler, den ich kenne, ist ein Kabinetts stück dieser Art. Wie das Huhn das Ei ausruft, so ruft er, mit der Feder hinter dem Ohr, seine Verkäufer aus: „sie tragen mir noch alles aus dem Hause, Herr Gevatter !« schreit er dem Schußter gegen über zu, wenn er einen Bauer mit etwas Borrath abgefertigt hat, oder: schon wieder ets was in alle Welt; schon wieder um fünf Thaler reicher; schon wieder ein hübsch Geschäft gemacht; schon wieder im

Gans

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Ganzen!" Zieht er selbst Fracht ein, so ifts gleichfalls seine Sorge, die Schwere und Wichtigkeit der Laduug allen, die es hören wollen, anzugeben. Ueberlaut ruft er den Schrds tern und Fuhrleuten zu: in Acht genommen! ja wohl in Acht genommen! es kostet nicht mehr als fünf Louisd'or! das ist ein kostbar Stück; zwanzig Thaler liegen im Dreck, wenn ihrs fallen lasst; das heiß' ich Vorrath! Aber auch ein schönes Geldchen dafür! Je nun, wenn man's nur hat, und Zahlung leisten kann." Alles im ganzen Hause ist zu dieser Großsprecheret abgerichtet. Er ist kaum einige Schritte über den Weg, so ruft er etwas vom Geldzählen, Geldpacken, u. s. w. wozu er gewiß schon hinlängliche Ordre gegeben hatte, nochmals laut ins Haus zurück, oder lässt sich etwas Bedeutendes nachrufen, und antwortet darauf eben so Laut und bedeutend: freilich, alles im Golde, und richtig. nach dem Passirgewicht! ihr könnt von den Doppelten nehe men; und auf dem Tische liegt auch noch Münze eingesier gelt. Eben so lässt er sich gern in Gesellschaften herausrus fen, und antwortet alsdann in der Thür, damit die Anwer senden erfahren, was für Sorge, Mühe, Rede und Arbeit man immer hat, wenn man reich ist. Alles geschieht mit Geräusch und Gerdse; und diese gehörigen Orts anzubrins gen, sind Frau, Kinder und Magd nach geheimer Kabinettss ordre angestellt, oder haben des Herrn Natur und Absichten fo glücklich errathen, daß ein Jedes mit Laufen, Renuen, Schreien, Umrufen und Verkündigen das Seinige thut. Was es ihm gekostet hat, sein dreifach breites Haus bewerfen und anmahlen zu lassen, weiß ich genau; denn er hat es jes dem Vorübergehenden erzählt; und ich bin, wie billig, über die Summe erstaunt. Er hat's dadurch jedem Fremden kenntlich und auchzeichnend gemacht: „Sie können nicht fehs len, heißt's, mitten auf der Straße, das schöne, große, neue Haus, wo der kostbare Mohr mit der Tabakspfeife ans gemahlt ist." Diese Woche hat er den Beutel nicht viel zumachen dürfen, denn da hat er Christgeschenke gegeben,

und

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