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von Archenholz.

J. W. von Archenholz, ehemaliger Hauptmann in königl. preussischen Diensten, ein durch Talent, Geschmack, Welterfaha rung und meisterhafte Ausübung der wesentlichsten Erfoderniffe dee historischen Kunst vielen seiner Wetteifrer überlegner, und mit dem Beifalle der Nation nun schon lange beehrter Schriftfeller. Eben die Gabe der lebhaften Darstellung und Vergegenwärtigung der Scenen, die feinem Werke über England und Italien eine so güne ftige Aufnahme schaften, findet man, vereint mit noch größerm Bea Breben, Ein schönes Ganzes zu liefern, in seinen größern und noch eigentlicher hiftorischen Werken, vornehmlich in seiner trefflichen |Geschichte des siebenjährigen Krieges. Wäre diese nicht so all. gemein bekannt und gelesen, so würde ich aus ihr irgend eine bers vorstechende Stelle hier mittheilen; so aber wahle ich lieber die, vielleicht weniger bekannte, schöne Erzählung von der neulichen Wiedereroberung von Toulon, aus dem zehnten Bande der Brita tischen Annalen.

In Toulon wurde es indeß sehr ernsthaft. Der neue Coms mandant, General O'Hara, war hier mit der Verstår, tung aus Gibraltar angekommen. Diese Verstärkung war jezt um deste nöthiger, da Lyon übergegangen und in Mar seille eine Art von Ruhe wieder eingetreten war; daher die Conventstruppen nun mit größerm Eifer gegen Toulon agi: ren konnten, das der General Dugommier von der Lands seite ganz blokirt hielt. Die Besatzung hier bestand jest mit Inbegriff der Touloner aus 15000 Mann, die unzureichend waren einen District gehdrig zu beseßen, der über fünf deuts sche Meilen im Umfang hatte, und wo acht Hauptposten, boppelt so viel Nebenposten, und eine ansehnliche Stadt zu vertheidigen war. Die alliirten Höfe hegten jedoch, aus fortdauernder Geringschäßung gegen ihre Feinde, gar keinen Zweifel die Stadt zu behaupten; daher wurde der Graf von Provence, als sogenannter Regent von Frankreich, erins nert, nach den jüdlichen Provinzen zu gehen. Er befolgte auch schleunig diesen Rath, und kam nach Turin, wo er

Abge,

Abgeordnete aus Toulon fand, die ihn förmlich einluden in ihre Stadt zu kommen, wo aber alle Ordnung bereits ein Ende hatte.

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Die anfängliche Harmonie zwischen den Oberbefehlt Habern der Engländer und Spanier war sehr bald durch Herrschsucht, durch Eigennuk, durch Nationaleifersucht und engbrüstige Politik in die gröfste Disharmonie übergegangen, Die Engländer, als ursprüngliche Besißnehmer von Toulon, betrachteten das Arsenal, die Magazine, und die hier ge fundenen französischen Kriegsschiffe, als eine Art von Depot, worüber zu seiner Zeit ein Friedenstractat, oder die Politil entscheiden würde. Der spanische Hof hingegen glaubte, alt ältester Zweig des Bourbonschen Hauses, zur Bewahrung Bieses Depots ein vorzüglicheres Recht zu haben. Die Eng länder achteten nicht auf diese Ansprüche; sie hielten immer fort noch alles Wichtige selbst beseßt: das Arsenal, die Stadt und den Hafen; den Spaniern wurden die Außenposten über lassen. Die erstern nahmen aus dem Krsenal alles, was fie brauchten, ohne Umstände, da hingegen die Spanier alle solche Bedürfnisse baar bezahlten; denn man hatte die Ceres monie beobachtet, eine französische Marine Administration niederzusetzen.

Die Befehlshaber wetteiferten hier gleichsam die gröbi sten politischen und militairischen Fehler zu begehen. Man dachte nicht daran, die verdächtigen Personen fortzuschaffen, eine Maßregel der ersten Nothwendigkeit; dagegen entwaf nete man alle Einwohner von Toulon, so wie auch die Mar seiller Flüchtlinge und die andern Franzosen, die keine Gnade von dem Convent zu erwarten hatten; eine thōrichte Verords nung, wodurch überdieß große Unzufriedenheit und Mit, trauen erzeugt, die Soldaten unsicher und mismuthig ge macht, die ohnehin schwache Zahl der Streiter vermindert, und der schwere Dienst der Garnison vermehrt wurde. Auch alle Emigrirten hielt man von Toulon entfernt. Die beiden in Toulon befindlichen Conventsdeputirten, Bayle und Beaus

Die

¿vais, wurden nicht fortgeschickt, sondern ins Gefängniß gės worfen, wo sich der erstere ums Leben brachte, der andere aber im Kerker Mittel fand, den Alliirten zu schaden. Rivalität der Hauptnationen zeigte sich beständig. Bald kzankte man sich unter einander, bald mit der Municipalitåt. Die Spanier erboten sich die Stadt allein zu vertheidigen; die Engländer ließen dagegen sehr unerwartete, mit ihrer ge machten Convention und mit ihren Proclamationen im Widers spruch stehende, Reden von einem Unterpfande und von Kriegsentschädigungen hören. Den Verordnungen der Bes fehlshaber gemäß, wurde nach und nach in Toulon die alte monarchische Verfassung eingeführt, die ganz Frankreich vers abscheuete, und wodurch man alle wahre Patrioten in den südlichen Provinzen von der Vereinigung abschreckte.

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Die militärischen Fehler waren eben so groß. Der General D'Hara, der seltsam gewählte unwürdige Nachs folger in Gibraltar des großen Elliot, hatte nichts empfeh, lendes, als einen wilden Muth, der bloß von seiner Unbes sonnenheit übertroffen wurde. Er sahe ruhig zu, wie die Belagerer eine Batterie nach der andern errichteten, um die wichtigen Forts Balaguier und Anasbelquet anzugreifen. Auf die ernstlichsten Vorstellungen dies zu hindern, antwor tete er pralend: „Laßt sie nur machen, wir nehmen hernach alles auf einmal weg.“ Die Befehlshaber in der Stadt kannten das für die Belagerer höchst nachtheilige Terrain nicht, oder wären zu verblendet es zu benußen. Die östlis chen und westlichen Corps der Belagerer waren durch Defileen und abscheuliche Wege von einander getrennt, die einen Raum von zwei deutschen Meilen einnahmen, und sehr schwer zu passiren waren. Dies übersah man. Auch wurde nicht eins mal ein Versuch gemacht, das lange Zeit nur sehr schwache östliche Corps zu vertreiben. Man hatte den Vortheil in der Stadt, sehr gute Ingenieure zu haben, eifrige Aristocraten, die den Krieg und das Locale kannten; allein ihr Diensteifèr, ihre Plane und Vorstellungen wurden gar nicht geachter.

Toulon

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Toulon glich jest, in der kritischen Epoche, da alle Kräfte gegen einen mächtigen Feind concentrirt werden soll ten, dem babylonischen Thurmbau. Es waren hier bewafi het auf einen Haufen: Engländer, Spanier, Sardinier, Piemonteser, Neapolitaner und Franzosen. Diese Natio: nen, die in Sprache und Sitten, in Kenntnissen, in Ne ligion, in Charakter und Vorurtheilen, so sehr von einander unterschieden waren, sollten bei der abgesonderten, oft entge gengeseßten Politik ihrer Herrscher, bei einem ganz unvereins baren Staatsinteresse, dennoch alle jegt an einem gemein: schaftlichen Zweck arbeiten. Noch erwartete man hier mehr Truppen aus England und Neapel, deren fo nöthige Ans kunft jedoch verzögert wurde; auch die österreichschen Truppeit, die hieher bestimmt waren, blieben aus, und 6000 bereits eingeschiffte Portugiesen wurden durch Sturm verhindert zu kommen.

In dieser mislichen Lage waren die großen Angelegen heiten von Toulon, als die Verbündeten am 30. November einen Hauptplan auszuführen fuchten. Man wollte durch einen Ausfaŭ alle feindliche Batterien zerstören, zugleich die Franzosen zurückschlagen, und sie von ihren Anhöhen bei Are nes vertreiben, von welchen sie die Stadt beschossen. Alles dies glaubte man durch 2000 Mann auszurichten; und um das Unbesonnené dieser Maßregel zu krönen, so übernahm es der neue Commandant O'Hard selbß, gegen alle Kriegs regeln, und gegen die Vorstellungen des Admiral Hyød, dia fem Ausfall, den der englische General Dundas commandirte, als Freiwilliger persönlich beyzuwohnen. Dieser Plan schei terte gänzlich. Die Batterien wurden von den Franzosen behauptet, dagegen mehrere Schanzen von ihnen erobert, die verbündeten Truppen mit großem Verlust nach der Stadt zu rückgejagt, O'Hara selbst verwundet und gefangen genom men. Dieser General wurde jedoch von den franzöfifchen Soldaten, die ihn gefangen nahmen, wohl behandelt und nicht ausgeplündert. Der dadurch gerührte D'Hara schickte deshalb

deshalb 60 Louisd'or an den General Dugommier, um folche unter jene Soldaten zu vertheilen; allein das Geld kam wieder zurück, mit der Antwort, daß die Soldaten der französischen Republik von ihren Feinden kein Geld nåhuren.

Nach diesem Vorfall verschwand in Toulon die Hoff, nung ben Platz zu behaupten; selbst der brittische General Dündas äußerte in seinen damaligen Depeschen Zweifel, daß man ohne große Verstärkung kaum bis Weihnachten aushalten dürfte. Es waren bei der Garnison jezt auf 4000 Krante, und nur 11ood zum Dienst übrig. Indeß verstärkte sich die Französische Armee täglich durch tausende, und wuchs zu einer solchen Macht an, mit der man alles unternehmen konnte. Die Generale Dugómmier und Lapoype, welcher teki tere mit Truppen aus Marseille angekommen war, ließen nun die Forts Mulgrave und Cape Brun mit Bomben beschießen, und machten alle Anstalten zu einem Hauptsturm auf die Stadt, der auf den 19ten December angesetzt war, und wozu 4000 Sturmleitern in Bereitschaft waren.

Die Verbündeten warteten den Erfolg dieses Sturms nicht ab, und dachten nur auf ihren Rückzug, da man denn auch selbst bei diesem Abschiede die sonderbare Politik zeigte, die hier seit der Besißnahme von Toulon herrschend gewesen war. Während der Zeit, daß man die außerordentlichsten Anstalten machte, alles auf die Schiffe zu schaffen, ließ der Admiral Hood innerhalb zwölf Stunden zwey Proclamation nen ergehn, um die in Berzweifelung gefeßten Touloner durch die wiederholte Versicherung zu beruhigen, daß für sie nichts zu befürchten sey.

Die Spanier waren für die Erhaltung der französischen Kriegsschiffe und die kostbaren Magazine viel besorgter gewes sen, als die Engländer. Sie hatten immer ihr Verlangen geäußert, in der Ungewißheit der Kriegsschicksale die franzö fischen Nationalreichthümer nach Spanien in Sicherheit zu bringen; der englische Admiral aber hatte died nie zugeben

wollen;

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