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Zur Morphologie und Embryologie eines Tardigraden.

(Macrobiotus Macronyx.)

Vorläufige Mitteilung I.

Von R. v. Erlanger,

Privatdozent der Zoologie.

(Aus dem zoologischen Institut zu Heidelberg.)

Vor mehr als vierzig Jahren erschien die erste und einzige Arbeit, welche die Embryologie der Tardigraden behandelt, daher ist es auch natürlich, dass unsere Kenntnisse über diesen Gegenstand, anbetracht der damaligen unvollkommenen Methoden, sowie der Unwissenheit in Bezug auf die Keimblätter überhaupt und diejenigen der Wirbellosen insbesondere, höchst dürftige sind. Ja das Wenige, was Kauffman mitteilt, ist eher dazu geeignet falsche Vorstellungen zu erwecken.

Mit Freuden ergriff ich daher die mir von meinem Freunde Herrn Rob. Lauterborn gebotene Gelegenheit, das interessante Thema wieder zu bearbeiten.

Dank Herrn Lauterborn steht mir ein äußerst reiches, vorzüglich konserviertes Material zu gebote, von welchem ich bis jetzt noch nicht den fünften Teil verarbeitet habe.

Die Furchung habe ich bis jetzt nicht erschöpfend behandeln können, wegen Mangel an lebendem Material, an welchem sich dieser Teil der Untersuchung viel leichter anstellen lässt. Ich will daher nur so viel erwähnen, dass die Furchung eine totale und nahezu äquale ist. Dieselbe führt schließlich zur Bildung einer länglich ovalen Blastula mit etwas exzentrisch, dem Hinterende genähert liegenden Furchungshöhle, welche eine ziemlich ansehnliche Größe erreicht, indem der Durchmesser derselben etwa die Hälfte der Längsaxe einnimmt.

Von der Blastula ab habe ich alle Stadien bis zum Ausschlüpfen wiederholt und eingehend studiert und will hier kurz das Wichtigste zusammenfassen.

Zunächst geht aus der Blastula durch Einstülpung des vegetativen Pols eine Gastrula hervor, deren Ektoderm am Vorderende dicker als

am Hinterende ist. Die eingestülpten Zellen, aus welchen der Urdarm hervorgeht, sind etwas reichlicher als die Ektodermzellen mit Dotter versehen. Ueberhaupt sind die Eier, wie aus dem Furchungstypus hervorgeht dotterarm. Der Blastoporus ist sehr klein und verhältnismäßig kurz und stellt eine ovale Oeffnung vor. Der anfangs sphärische Urdarm streckt sich immer mehr und wächst nach dem späteren Kopfende aus. Der Blastoporus, welcher sich bald schließt, entspricht der Durchbruchsstelle des bleibenden Afters.

Bei der Invagination werden einige Ektodermzellen mit in das Bereich des Urdarms eingezogen und daraus geht der recht kurze Enddarm hervor.

Nun beginnt der Embryo, durch stärkeres Längenwachstum, sich in der Eihülle ventralwärts einzukrümmen und gleichzeitig sondert sich der Urdarm in zwei nahezu gleiche Abschnitte, wovon der vordere den ganzen Vorderdarm mit Ausnahme des Mundzapfens, der hintere den Mitteldarm oder Magen abgibt.

Bald lässt der Embryo eine höchst deutliche Segmentierung in einen Kopf und vier Rumpfsegmente erkennen und gleichzeitig treten jederseits am Darm 4 Ausstülpungen oder 4 paarige Cölomsäcke auf. Zuerst erscheint das Cölompaar des hintersten Rumpfsegmentes, gleich darauf dasjenige des Kopfes, darauf die Cölomsäcke des ersten Rumpfsegmentes und gleich darauf successive diejenigen des 2. und 3. Rumpfsegmentes.

Das Kopfcölom schnürt ventralwärts in paare Säcke ab, welche die Anlagen des 1. Beinpaares sind. Die Cölomsäcke des 2. und 4. Rumpfsegmentes liefern die Extremitäten der betreffenden Segmente, während aus den Cölomsäcken des 3. Rumpfsegmentes außer dem Extremitätenpaar noch die Geschlechtsorgane, d. h. Gonade und Anhangsdrüse sowie ein Paar Mitteldarmdrüsen hervorgehen. Zunächst bildet sich die Gonade als unpaare dorsale und mediane Ausstülpung des Mitteldarms, dann gleichzeitig als weitere Ausstülpungen des Mitteldarmes und 3. Rumpfsegment die unpaare Anhangsdrüse des Geschlechtsapparates, sowie die beiden Mitteldarmdrüsen, welche von Plate als Malpighi'sche Drüsen gedeutet wurden.

Die entodermale Entstehung derselben lässt die Plate'sche Deutung als höchst unwahrscheinlich erscheinen. Bei gewissen Krebsen gibt es ja paarige Mitteldarmdrüsen, welche eine exkretorische Funktion besitzen; die histologische Untersuchung wird ergeben, ob die Mitteldarmdrüsen der Tardigraden dieser Bildungen homolog sind. Ebensowenig spricht die Entstehung der unpaaren Anhangsdrüse daftir, dass dieselbe wie v. Kennel meint, eine rückgebildete Gonade wäre, da sie in der Mittellinie angelegt wird und erst später entsteht als die Gonade selbst.

Wenn alle Extremitäten ausgebildet sind, hat sich der Darmtraktus noch weiter differenziert. Aus dem vorderen Abschnitt sind von vorn nach hinten der Pharynx, der Schlundkopf oder Saugmagen und der Oesophagus entstanden, aus dem hinteren Abschnitt der Magen und der ektodermale Enddarm.

Der Mundzapfen entsteht ziemlich spät als eine Wucherung des Ektoderms, von welcher auch die Zähne abgesondert werden, welche daher nicht auf Extremitäten zurückgeführt werden können. Gleichzeitig, d. h. auch recht spät entstehen die Speicheldrüsen als ektodermale Einstülpungen, welche unmittelbar hinter dem Mundzapfen in den Vorderdarm einmünden.

Aus den Cölomsäcken gehen die Muskeln, sowie die Drüsenzellen der Extremitäten hervor. Die Entstehung der Blutkörperchen habe ich noch nicht feststellen können. Dieselben scheinen sich erst nach dem Ausschlüpfen zu bilden.

Die vier Ganglienpaare der Bauchkette, sowie das paarige untere Schlundganglion, entstehen aus einer ventralen Verdickung des Ektoderms an der Einkrümmungsgegend des Embryo und lösen sich relativ spät vom äußeren Keimblatt ab. Seitlich in der Kopfgegend und dorsalwärts vom Darm tritt eine paarige Wucherung des Ektoderms auf, welcher sich jederseits bald in drei Abschnitte sondert. Der ventralste bildet das obere Schlundganglion oder Gehirn, der mittlere das Ganglion opticum, der dorsalste das Auge.

Ich kann erst später die Histiogenese und Histiologie, welche manches Interessante bieten, behandeln und will nur hinzufügen, dass das Auge von Macrobiotus Mocronyx im Gegensatz zu dem, was Plate von anderen Formen mitgeteilt hat, durchaus kein einfacher Pigmentfleck ist. Das Auge ist hier ziemlich kompliziert gebaut und invertiert indem der sehr dicke Sehnerv, vom Ganglion opticum von vorn nach hinten in den Augenbecher umbiegt und in die Retina übergeht. Der Augenbecher besteht aus einer Anzahl von Ommatidien, indem jede Sehzelle von mehreren Pigmentzellen umgeben wird. Ferner besitzt das Auge eine einheitliche, stark gewölbte, sehr deutliche Linse. Der feine Strang, welcher vom Augenbulbus nach hinten zum ersten Rumpfganglion zieht, ist höchst wahrscheinlich kein Nerv, sicherlich kein Sehnerv, sondern wahrscheinlich bindegewebiger Natur.

Bis jetzt ist es mir nicht gelungen, weitere Sinnesorgane nachzuweisen.

Antennen fehlen sogar in der Entwicklungsgeschichte gänzlich, dagegen zeigt sich auf einen gewissen Stadium hinter dem After und zwischen dem letzten Beinpaar ein weiteres kleines Segment, welches bald zurückgebildet wird. Dasselbe hat an seinem freien Hinterende 3 kleine Auswüchse: einen medianen unpaaren längeren und zwei seitliche kürzere. Man kann darin ein Rudiment eines Postabdomens oder

Schwanzes erblicken, woraus entnommen werden kann, dass einige, wenn nicht alle Rumpfsegmente ein Abdomen vorstellen.

Meine eigene Auffassung geht vorläufig dahin, dass das Kopfsegment mit dem 1. und 2. Rumpfsegment einen Cephalothorax vorstellt, darauf würde ein aus dem 3. und 4. Rumpfsegment gebildetes Abdomen folgen und schließlich ein rückgebildetes Postabdomen oder Schwanz. Für die Sonderung des Rumpfes in Cephalothorax (mit dem Kopf) und Abdomen spricht der Umstand, dass der Geschlechtsapparat und Mitteldarmdrüsen im 3ten Segment gebildet werden. Die Anlagen eines Herzens oder Kiemen ließen sich nicht nachweisen. Heidelberg, den 24. Juli 1894.

Druck der kgl. bayr. Hof- und Univ. - Buchdruckerei von Fr. Junge (Firma:

Junge & Sohn) in Erlangen.

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