Imagens da página
PDF
ePub

die Stelle des dramatisch bewegten, knapp andeutenden Tones, der in den Balladen von 1858 vorherrscht, ist hier der ruhige Fluß epischer Erzählung getreten, abgelauscht der mittelalterlichen Epik, insbesonders Chaucer, den Morris in einem graziösen Envoy zum Earthly Paradise als seinen teuren Meister feiert. An bestrickendem Reize harmonisch ausgeglichenen schlichten Vortrages ist dem Dichter der Canterbury Tales kein Moderner näher gekommen als Morris. Er gleicht Chaucer auch in der ganz mittelalterlichen Behandlung der Antike und in der internationalen Weite seines Stoffgebietes. Für die 24 Erzählungen des Earthly Paradise, denen als 25. die einleitende Rahmenerzählung zuzurechnen ist, holt sich Morris die Themen aus den literarischen Schatzhäusern der Antike und des Mittelalters, des Nordens und des Orients; antike Sagen, die Gesta Romanorum, Mandevilles Reisen, die Legenda Aurea, altfranzösische Romane, isländische Sagas, norwegische und arabische Märchen lieferten ihm die Motive, die unter seiner kunstvollen Hand zu neuem Leben aufblühten. Die regelmäßige Abwechslung zwischen antiken und romantischen Stoffen ist anmutig begründet durch das Motiv der Rahmenerzählung, daß Seefahrer des 14. Jahrhunderts jenseits des Atlantischen Ozeans das Land ewigen Lebens suchen und nach vielen Irrfahrten schließlich an eine Insel antreiben, deren Bewohner Nachkommen einer verschollenen griechischen Kolonie sind; Gäste und Wirte erzählen einander nun abwechselnd Sagen der Vorzeit, und in der Dauer der Poesie finden die müden Greise das Reich irdischer Unsterblichkeit, dem sie umsonst in allen Zonen nachgejagt. Bei der großen Zahl der hier vereinten Dichtungen kann es nicht befremden, daß ihr Wert ungleich ist; mitunter ermüden sie wie Jason und das spätere Sigurdepos durch Weitschweifigkeit und arabeskenhafte Wiederholung in Schilderung und psychischer Analyse. Allein dem Zauber ihrer Stimmung wird sich nicht leicht ein Leser entziehen;

ein Zug träumerischer Weichheit und elegischen Gefühles geht durch sie und verleiht ihnen ihren feinen schwermütigen Duft. Die Poesie dieses in unerschöpflicher Lebensenergie wirkenden tatkräftigen Geistes trägt in sich die tiefe Melancholie der Empfindung: la vida es sueño.

Von der romantischen Verserzählung machte Morris nach einem episodischen Versuche dramatischer Kunst, dem reizvollen lyrischen Märchenspiele "Love is Enough" (1872), worin er die Gattung der alten englischen "Moralitäten" erneuerte den Schritt zum heroischen Epos. Seit 1869 hatte er mit dem Isländer Eiríkur Magnússon (seit 1871 Bibliothekar in Cambridge) altnordische Studien betrieben und eine Reihe von Sagas übersetzt, darunter die Völsungasaga (1870), die er in der Vorrede als das große Epos des germanischen Nordens der antiken Trojasage an die Seite stellte. Zwei Reisen durch Island (1871 und 73), das er wie einen literarisch geheiligten Boden mit fast religiöser Ehrfurcht betrat, hatten seine dichterische Phantasie mächtig erregt. Die Nibelungensage in epischer Form wiedererstehen zu lassen, erschien ihm als die größte Aufgabe seiner Dichtkunst. Im Herbste des Jahres 1876, kurz nach der ersten Aufführung der Nibelungentetralogie Richard Wagners zu Bayreuth, erschien sein "Sigurd the Volsung", den er selbst unter seinen Werken am höchsten stellte. In zehntausend langhinrollenden anapästisch bewegten Versen ist hier die Völsungasaga paraphrasiert, unter Benutzung der Eddalieder und mit gelegentlicher Heranziehung des Nibelungenliedes. Am Stoffe hat Morris nur vereinzelt schöpferische Umgestaltungen vorgenommen, und in seiner Behandlung ist er ganz mittelalterlicher Romantiker; vom Geiste und Stile altgermanischer heroischer Dichtung steht sein Epos ebensoweit ab wie das Nibelungenlied von der Edda. Nicht an dieser, sondern an den Versuchen einer Wiederbelebung germanischer Stoffe in der englischen Dichtung seit Gray will das Werk gemessen sein. Bei aller Weitschweifigkeit, die Morris' epischem Stile nun

einmal zu eigen ist, und trotz des Mangels an Stilreinheit, der dem Mißverhältnis zwischen dem germanischen Stoffe und seiner romantischen Auffassung entspringt, ist "Sigurd the Volsung" zweifellos das bedeutendste englische Epos des 19. Jahrhunderts, stellenweise von gewaltiger Wucht und tiefer Wirkung, ein krönender Abschluß von Morris' epischer Dichtung.

In den "Poems by the Way" (1891) gab Morris noch eine Nachlese seiner Lyrik, größtenteils ältere Schöpfungen der sechziger und siebziger Jahre, überwiegend balladenhaften Charakters, verbunden mit neueren Gedichten, die der Kampfstimmung seiner sozialistischen Periode entsprungen waren. Vieles andere hat er, seit jeher verschwenderisch unbekümmert um alles, worüber er hinausgewachsen zu sein glaubte, vernichtet oder unveröffentlicht hinterlassen. An die Stelle der Poesie traten seit 1888 Prosaromanzen in manieriert archaischer Sprache und einem an Malory und Fouqué, altfranzösischen Romanen und isländischen Sagas gebildeten, erkünstelt naiven Stil. Manches erinnert daran, daß hier ein großer Dichter fabuliert; anderes zeigt deutlich die Ermüdung des Alters und die Lockerung des gestaltenden Griffes, und im ganzen löst sich hier die Kunst in märchenhafte Phantastik und Freude am bunten Farbenspiel des Abenteuers auf.

In welchem Maße die Dichtungen von Morris für künftige Generationen ein lebendes Kunsterbe der Viktorianischen Zeit sein werden, ist noch kaum abzusehen. Schon heute läßt sich erkennen, daß vieles aus dem Bande von 1858 eher Ferment als Blüte des Präraphaelismus darstellt. Die ungeheuerlichen Längen seiner epischen Poesie werden, wenn einmal der Kontakt zwischen ihrer Art Romantik und der unmittelbar entgegenkommenden Hingabe der Leser an ihre Stimmung durch Wandlungen des Stilgefühls verloren gegangen ist, die stillschweigende Auslese, die von der Nachwelt am Werke jedes Dichters vorgenommen wird, zu Morris' Ungunsten erschweren. Jiriczek, Englische Dichter.

23

In der Literaturgeschichte wird er als Vollender der auf das Mittelalter gerichteten englischen Romantik stets eine markante Stelle einnehmen, und seine historische Bedeutung wird ihm immer wieder auch Leser zuführen, denen das literarische Interesse den Weg zum ästhetischen Genusse des Großen und Unvergänglichen an seiner Kunst bahnt.

SIR GALAHAD, A CHRISTMAS MYSTERY.
[The Defence of Guenevere etc. 1858.]

IT is the longest night in all the year,

Near on the day when the Lord Christ was born; Six hours ago I came and sat down here,

And ponder'd sadly, wearied and forlorn.

The winter wind that pass'd the chapel-door,
Sang out a moody tune, that went right well
With mine own thoughts: I look'd down on the floor,
Between my feet, until I heard a bell

Sound a long way off through the forest deep,
And toll on steadily; a drowsiness

Came on me, so that I fell half asleep,

As I sat there not moving: less and less

I saw the melted snow that hung in beads
Upon my steel-shoes; less and less I saw
Between the tiles the bunches of small weeds:
Heartless and stupid, with no touch of awe

Upon me, half-shut eyes upon the ground,
I thought: O Galahad! the days go by,
Stop and cast up now that which you have found,
So sorely you have wrought and painfully.

Night after night your horse treads down alone
The sere damp fern, night after night you sit
Holding the bridle like a man of stone,

Dismal, unfriended: what thing comes of it?

« AnteriorContinuar »