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in die englische Dichtung über und wurde auch hier Führer und Meister einer neuen Richtung, welche die matt gewordenen Impulse der Frühromantik durch frische Kräfte ersetzte und sich in einer neuen Blüte romantischer und symbolischer Poesie bekundete. Man hat sich daran gewöhnt, die Vertreter dieser Spät-Romantik gleichfalls Präraphaeliten zu nennen. Vom eigentlichen Wortsinne dieser Bezeichnung muß dabei abgesehen werden; zum Zwecke einer literarhistorischen Zusammenfassung ist sie jedoch unentbehrlich und nicht ohne tiefere Berechtigung. Nicht nur Rossettis Doppelstellung im Reiche zweier Künste empfiehlt diesen Namen; auch Swinburne und Morris standen Rossetti nahe und bezeugen seine Einwirkung auf ihre Poesie durch die Widmung ihrer ersten Werke an ihn. Eine Schule aber haben die Präraphaelitendichter, zu denen auch Christina Rossetti zu rechnen ist, ebensowenig gebildet wie die Maler der Bruderschaft.

Rossettis Dichtung ist der Öffentlichkeit erst sehr spät zugänglich geworden. Die ersten Gedichte, die er drucken ließ, sind in Publikationen zerstreut, die sie allgemeiner Kenntnis eher entzogen als zuführten im Katalog der "Free Exhibition of Modern Art 1849" ("Mary's Girlhood") und in "The Dusseldorf Artists' Annual 1853" ("Sister Helen") - oder sie erschienen in Zeitschriften, deren Namen heute in der Literaturgeschichte den Klang von Leitmotiven haben, die damals aber nur in engsten Kreisen verbreitet waren: im "Germ" 1850 und “Oxford and Cambridge Magazine" 1856. "The Germ, Thoughts towards Nature in Poetry, Literature and Art" war die programmatische Zeitschrift des Präraphaelismus, deren Gründung D. G. R. selbst betrieben hatte und zu der er einige Gedichte, darunter "The Blessed Damozel", und die Prosaerzählung "Hand and Soul" beisteuerte. Die Zeitschrift brachte es nicht über vier Hefte (Januar bis Mai 1850, die beiden letzten mit dem geänderten Titel: "Art and Poetry, being Thoughts towards Nature"). Das "Oxford

and Cambridge Magazine", dem ebenfalls nur eine einjährige Lebensdauer beschieden war, ist aus dem Oxforder Kreise von Morris und Burne-Jones hervorgegangen; von Rossetti brachte es außer einem Wiederabdruck der "Blessed Damozel" zwei neue Gedichte: "The Burden of Niniveh" and "The Staff and Scrip".

Als der Dichter 1861 die "Early Italian Poets" veröffentlichte, kündigte er eine Sammlung seiner eigenen Gedichte an. Wenige Monate später (Febr. 1862) verlor er nach kaum zweijähriger Ehe seine an Schwindsucht leidende Gattin, die er infolge seiner unsicheren materiellen Verhältnisse erst nach langjähriger Bekanntschaft, im Jahre 1860, schon damals eine Halbsterbende, hatte heimführen können. Im jähen Impulse der Verzweiflung überantwortete er den handschriftlichen Band seiner Gedichte dem Sarge. Als er nach Jahren den Gedanken einer Ausgabe wieder aufnahm, wurde er von Freunden gedrängt, das Manuskript zurückzugewinnen, da er von vielen der Gedichte keine Abschriften besaß und sie nicht aus dem Gedächtnis ersetzen konnte. Schließlich gab er seine Einwilligung dazu, daß sie für ihn die behördliche Erlaubnis zu diesem Schritte einholten und die peinliche Aufgabe ausführten. Den Kampf in seinem Innern entschied zweifellos die Erwägung, daß die unter der Inspiration der Jugendgeliebten entstandenen Dichtungen ein würdigeres und dauernderes Denkmal der Frühentschwundenen seien als der sinnlose Vernichtungsakt.

Die "Poems" von 1870 offenbarten auch den weiteren literarischen Kreisen, daß in Rossetti der englischen Dichtung einer ihrer größten Meister erstanden war. Nur eine Gabe seiner Kunst jedoch war der englischen Literatur noch beschieden, die "Ballads and Sonnets" von 1881 die verhältnismäßig erstaunlich reiche Ernte einer von Krankheit, nervösen Leiden und Gemütsverdüsterung hart bedrängten Schaffenszeit; kurz darauf verschied Rossetti im 54. Jahre seines Lebens.

D. G. Rossettis Dichtung überragt an gleichmäßig hoher Formvollendung und kaum je schwankender Stärke der Inspiration die Werke aller seiner Zeitgenossen. Angeborener künstlerischer Takt, strenge formale Selbstzucht und die relative Spärlichkeit seiner Produktion haben ihren Gehalt konzentriert. Die Weltliteratur kennt nur wenige Dichter, deren gesamte Werke eine solche Gleichmäßigkeit makellosen Gusses aufweisen wie die Rossettis. Anderseits sind auch die Grenzen seiner Art eng gezogen. Seine Dichtung ist auf intimste lyrische Persönlichkeitsempfindung und mystische Schönheitsvision beschränkt, innerhalb dieses Bereiches aber von einer unerreichten Steigerung der Intensität, — eine schwerduftende, farbenglühende Wunderblume der Poesie, die nur aus der Kreuzung zweier Kulturen entstehen konnte. Englische Romantik und Danteske Mystik sind bei Rossetti in eine eigenartige Verbindung getreten. In jener wurzeln seine Balladen, die wohl die Krönung der von Percy und Scott ausgegangenen Balladenrenaissance darstellen, in dieser die spirituelle Liebesmystik des großen Sonettzyklus "The House of Life", dem an künstlerischer Feinheit und tiefem Blicke in das Mysterium des eigenen Seelenlebens nur weniges in der Weltliteratur zur Seite gestellt werden kann. Unmittelbar persönliche Lyrik außerhalb der strengen Sonettform ist bei Rossetti spärlich vertreten; sie ist, gleich vielen der Sonette, dem dunklen Boden der Trauer entsprossen und von der verhaltenen Macht schmerzlicher Sehnsucht durchbebt, die in Gedichten wie "Alas, so long!" und "Insomnia" ihren erschütternden Ausdruck gefunden hat.

Die konzentrierte Kunst Rossettis läßt sich kaum besser andeuten als durch das auf sie öfter angewandte Wort von "Dichtungen für Dichter". Es darf nicht im Sinne einer artistischen Überfeinerung und Überladung mißverstanden werden. Die Direktheit und Natürlichkeit des Ausdruckes und seine unmittelbare Beziehung auf die

Grundidee des Werkes, die zu den Leitsätzen der Präraphaeliten-Malerei gehört, ist auch der Dichtung Rossettis zu eigen; diese Direktheit schließt eine durch Gedrängtheit gelegentlich schwierige Symbolik der Bildersprache nicht aus, wohl aber jede Künstelei und leere Ornamentik. Das Geheimnis der magischen Wirkung dieser Poesie liegt in der Verinnerlichung der Stimmung, der unvergleichlichen Kraft dichterischer Vision und der direkten Auslösung der zentralsten ästhetischen Empfindung beim Hörer. Zu dieser Wesenssteigerung seiner Poesie hat zweifellos die Doppelnatur von Rossettis Genius beigetragen. Wie die Eigenart seiner Bilder auf dichterischer Phantasie beruht, verdanken umgekehrt seine Dichtungen die wundervolle Anschaulichkeit ihrer Vision dem gestaltenden Blicke des Malers. Von ideellen Beziehungen der beiden. Künste in der geheimsten Schaffenssphäre ist hier die Rede, nicht von einer Vermengung ihrer Methoden im Sinne der malenden Pseudopoesie des 18. Jahrhunderts. Das tiefe Wort, das Rossetti über diese Beziehungen sagt, gilt von seinen eigenen Schöpfungen als Maler und als Dichter: "Picture and poem bear the same relation to each other as beauty does in man and woman: the point of meeting where the two are most identical is the supreme perfection."

MY SISTER'S SLEEP.

[The Germ 1850. - "The poem was, I think, even earlier than The Blessed Damozel (1847)": W. M. R., Memoir pg. 107.]

SHE fell asleep on Christmas Eve.

At length the long-ungranted shade
Of weary eyelids overweigh'd

The pain nought else might yet relieve.

Our mother, who had leaned all day
Over the bed from chime to chime,
Then raised herself for the first time,
And as she sat her down, did pray.

Her little work-table was spread

With work to finish. For the glare
Made by her candle, she had care
To work some distance from the bed.

Without, there was a cold moon up,
Of winter radiance sheer and thin;
The hollow halo it was in
Was like an icy crystal cup.

Through the small room, with subtle sound
Of flame, by vents the fireshine drove
And reddened. In its dim alcove

The mirror shed a clearness round.

I had been sitting up some nights,
`And my tired mind felt weak and blank;
Like a sharp strengthening wine it drank
The stillness and the broken lights.

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