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Vertrauter; in ihm liebte Tennyson die Verkörperung seines Ideals von harmonischer Geistes- und Herzensbildung, in deren Verbindung er den edelsten Typus menschlicher Evolution erkannte.

Der plötzliche Tod Hallams, der auf einer Reise in Wien am Herzschlag starb, wirkte auf Tennyson vernichtend und stürzte ihn in die Tiefen leidenschaftlichen Schmerzes. Seine vom Vater ererbte Melancholie wurde dadurch so verstärkt, daß sie ihm jahrelang den Ausblick auf das Leben verdüsterte. Dazu trat eine tiefe Entmutigung durch die maßlos scharfe Ablehnung seiner Dichtung in einer tonangebenden Zeitschrift, und die immer drückender lastende Sorge um seine Zukunft. Bereits 1831 hatte er den Vater verloren; einige Jahre später mußte die Familie das alte Heim räumen, mit dem seine schönsten Erinnerungen verwachsen waren, und Tennyson fühlte sich fortan lange Jahre heimatlos, während er gleichzeitig die volle Bitterkeit einer aus materiellen Gründen hoffnungslosen Neigung anderthalb Jahrzehnte hindurch empfinden mußte. Der ernste ethische Idealismus, dessen Verkünder Tennyson wurde, war nicht die leichtgereifte Frucht eines sonnigen Temperaments und Lebens, sondern beruht auf transzendenter Überwindung einer schweren, oft pessimistischen Grundstimmung und Lebensauffassung.

Als Tennyson nach zehnjähriger Pause wieder mit einer Veröffentlichung seiner Dichtungen hervortrat, war er als Künstler und als Persönlichkeit gereift. In den "Poems" von 1842 zog er die Summe seines Schaffens von 1830 an. Aus den älteren Sammlungen behielt er nur bei, was vor seiner geschärften Selbstkritik noch standhielt, und bot es in einer Form, die vielfach erst jetzt durch feine Retouchen die letzte künstlerische Vollendung erlangt hatte. Daran reihte sich eine Fülle neuer Gaben von der Bedeutung des farbenprächtigen epischen Fragmentes "Morte d'Arthur", des leidenschaftlichen dra

matischen Monologes "Locksley Hall", der großartigen "Vision of Sin", des "Ulysses" eines Gegenstückes und anderer gleichwertiger

zu den "Lotos - eaters" Schöpfungen. Wie diese Offenbarung einer neuen Kunst und Tennysons weitere Dichtungen bis "Maud" (einschließlich) auf die Zeitgenossen wirkten, bezeugen (Canon) Dixons Erinnerungen an die Stimmung der Oxforder akademischen Jugend um 1850: «Tennyson hatte eine neue Poesie, ein neues poetisches Englisch erfunden; sein Wortgebrauch war neu, und jedes Gedicht, das er schrieb, war eine Eroberung neuen Gebietes; wir alle hatten das Gefühl, daß über ihn hinaus keine weitere Entwicklung möglich sei.»

Auf eine Thesendichtung über moderne Frauenbildung und ihren Einfluß auf das Verhältnis der Geschlechter zueinander, "The Princess" 1847, Tennysons einzigen Versuch in der problematischen Literaturgattung eines heroisch-komischen Potpourris, folgte i. J. 1850 der Gedichtzyklus "In Memoriam A. H. H.", die reifste Frucht seiner Gedankenlyrik. Einzelne Abschnitte waren bald nach dem Tode Hallams entstanden, ohne die Absicht einer Veröffentlichung; der zyklische Plan wurde erst gefaßt, als ihre Zahl bedeutend gewachsen war. 1845 war bereits der Epilog niedergeschrieben; bis zur endgiltigen Anordnung und Veröffentlichung ergaben sich noch manche Zusätze. Von der Totenklage und dem erschütternden Ausdruck seelischer Pein erhebt sich die Dichtung zur Weite einer schmerzverklärten religiös-transzendenten Weltanschauung, für die alles Vergängliche nur ein Gleichnis geworden ist. Das Werk ist in doppeltem Sinne ein Denkmal Hallams; aus eigenen Seelenkämpfen geboren, entwickelt die Dichtung zugleich die religiös-philosophischen Gedanken, die Hallam und Tennyson in ihren Gesprächen ausgetauscht hatten und deren Echo in dem literarischen Nachlaß Hallams auf uns gekommen ist.

Mit dem Jahre 1850 war Tennyson von der Schattenseite des Lebens in die Fülle späten inneren und äußeren Glückes getreten. Die herben Dissonanzen der Vergangenheit zitterten aber noch lange nach und fanden ihren Ausdruck in dem düsteren lyrischen Monodrama "Maud" (1855). In der Gestalt des vom Glücke enterbten Helden, dessen überreizbar-feinfühlige Seele sich gegen die brutalen Erscheinungen des Ellbogenkampfes um Reichtum und Genuß empört und durch die Qualen zerstörter Liebe zum Zusammenbruch gedrängt wird, hat Tennyson eigene Stimmungen in dramatischer Steigerung und Ablenkung objektiviert. Durch keines seiner Werke weht ein solcher Sturm hinreißender Leidenschaft der Empfindung wie durch "Maud", die ganz neue Sphären von Tennysons Ausdrucksgewalt enthüllte, und deren berückende rhythmische Schönheit und gesättigte lyrische Stimmung der Dichter nie wieder in gleichem Maße erreicht hat.

Nach der dichterischen Klärung persönlicher Empfindungen und Selbstbefreiung von eigenen Gefühlserlebnissen durch "In Memoriam" und "Maud" wandte sich Tennyson der objektivsten Dichtungsgattung, dem Sagenepos zu, das an zwei Jahrzehnte im Vordergrunde seines Schaffens steht. Die Artussage hatte ihn schon früh angezogen; bereits 1835 las er Freunden die epische Episode von Arthurs Tod vor, die 1842 in demselben Bande veröffentlicht wurde, der auch die Romanzen "Sir Galahad" und "Sir Launcelot and Queen Guinevere" enthielt. In der richtigen Erkenntnis, daß eine großzügige einheitliche Komposition epischer Art seiner Kunst nicht gemäß sei, bearbeitete er einzelne Episoden, die sich ihm allmählich zu einem Zyklus von 12 «Bildern» ("Idylls") rundeten. Seine Hauptquelle war der spätmittelalterliche Prosaroman "Le Morte d'Arthur" von Sir Thomas Malory, dessen Stoff er gelegentlich aus anderen Quellen ergänzte oder umformte. Nicht im mittelalterlichen Geiste

aber wollte er die Sage erneuern; das Kostüm ist nur schwach angedeutet, und das Zeitkolorit in eine romantische Sphäre aufgelöst. Um so stärker treten ethische und symbolische Ideen hervor. Das ethische Heldentum der Pflichterfüllung, das Tennyson in seiner großen “Ode on the Death of the Duke of Wellington" der Nation vor Augen gestellt hatte -- "The path of duty is the way to glory" wird in Arthur und seinen Helden gefeiert. Arthur ist der gottgesandte Führer des Volkes zu einer höheren Stufe sittlicher Vervollkommnung, ein königliches Vorbild im Sinne des Carlyleschen Heldenevangeliums, dessen Geist Tennysons Geschichtsphilosophie atmet ("On God and God-like men we build our trust"). Arthurs Ringen um Verwirklichung seiner Ideen. im Leben mit dem Widerstande der niedrigeren Instinkte seiner Umgebung, und sein Fall durch ihren Sieg, wird zuletzt zu einem Symbole für den Kampf zwischen Seele und Sinnentrieb, zwischen Ideal und Wirklichkeit. Diese Symbolisierung ist nicht aus einem Gusse; in den früher entstandenen Idylls überwiegt noch der naive Reiz der epischen Situation; später tritt sie immer stärker hervor und führt sogar zu gelegentlichen Allegorisierungen.

Man hat die Idylls mitunter dafür getadelt, daß sie sich von der mittelalterlichen Auffassung Arthurs entfernen, dabei aber übersehen, daß diese vom Geiste der ursprünglichen Heldensage mindestens ebensoweit absteht, wie Tennyson von Malory. Schwerer wiegen Bedenken gegen die Ausführung. Die Gabe naiver epischer Erzählung ist Tennyson nur in beschränktem Maße eigen. Die Gestalten der Idylls bewegen sich stattlich, zeremoniös gemessen, und ihre Sprache ist gleich ihrer Haltung höfisch abgetönt, nicht selten gezwungen und gespreizt. Die höfischen Tugenden sind allzu schwache Symbole ethischer Werte. Der Vortragston ist nicht selten überstilisiert, das Pathos oft zu hoch gespannt ohne rechtzeitig nachzulassen. Nur einzelne Idylls wie "Lancelot and

Elaine" und "The Passing of Arthur" hinterlassen einen vollen Eindruck; bei anderen wirken oft Einzelheiten stärker als das Ganze. Man muß sich mit dieser Stilisierung abfinden, um die vollendete Kompositionskunst und Farbenpracht der Idylls zu würdigen; an feinabgetönten Landschaftsbildern und Naturstimmungen stehen sie selbst in der Kunst Tennysons unübertroffen da.

Die "Idylls of the King" bildeten das Lebenswerk Tennysons von der Mitte der fünfziger bis in den Anfang der siebziger Jahre. Daneben erschien nur eine Gedichtsammlung, 1864, die ihre Zugehörigkeit zur epischen Periode Tennysons durch die Verserzählungen "Enoch Arden" und "Aylmer's Field" an den Tag legt; kleinere Sammlungen seiner Lyrik wurden den Veröffentlichungen der Idylls von 1869 und 1872 beigegeben.

Auf die epische Periode folgte in Tennysons Schaffen eine dramatische. Von 1875 bis zu seinem Lebensende hat der greise Dichter sieben Dramen verfaßt. Für diese Versuche griff er stofflich weit aus: sie umfassen eine antike Tragödie in romantischem Geiste ("The Cup"), eine Dramatisierung der Meisternovelle Boccaccios vom Falken ("The Falcon"), ein modernes Problemdrama ("The Promise of May") und vier englische Historien. Letztere lagen ihm besonders am Herzen. Die drei Dramen "Harold", "Becket", "Queen Mary" sollten eine große nationale Trilogie bilden, die das Werden des modernen England an den großen Wendepunkten seiner GeschickeNormanneneroberung, Kampf zwischen Staat und Kirche, Reformation darstellt; das Robin Hood-Spiel "The Foresters" gesellt sich zu den schweren geschichtlichen Tragödien als nationales romantisches Sagenidyll. Die Bezeichnung «Buchdramen» für diese Werke wäre völlig verfehlt. Mit Ausnahme Harolds sind sie alle zu Lebzeiten des Dichters, zum Teile mit Erfolg aufgeführt worden; der berühmte Tragöde Sir Henry Irving spielte mit Vorliebe Tennysonsche Rollen und trat am letzten

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