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ger von äußerm Einfluß. Poesie und poetischer Geschmack ist daher weit korruptibler, wie der pla stische, aber auch unendlich perfektibler. Aller: dings ist die frische Blüthe der jugendlichen Phans tasie ein köstliches Geschenk der Natur und zugleich das flüchtigste. Schon durch einen einzigen giftigen Hauch entfärbt sich das Kolorit der Unschuld, und welkend senkt die schöne Blume ihr Haupt. Aber auch dann, wenn die Phantasie schon lange durch Vielwisserei erdrückt und abgestumpft, durch Wole Iust erschlafft und zerrüttet worden ist, kann sie sich durch einen Schwung der Freiheit und durch ächte Bildung von neuem emporschwingen, und allmäh lich vervollkommnen. *) Stärke, Feuer, Elastizität kann sie völlig wieder erreichen; nnr das frische Kolorit, der romantische Duft jenes Frühlings kehrt im Herbst nicht leicht zurück.

Sehr allgemein verbreitet ist ein andres Vor. urtheil, welches der schönen Kunst fogar alle selbsts ständige Existenz, alle eigenthümliche Bestandheit völlig abspricht, ihre spezifische Verschiedenheit ganz läugnet. Ich fürchte, wenn gewisse Leute laut. dächten, es würden sich viele Stimmen erheben: »>Die Poesie sey nichts andres als die sinnbildliche Kindersprache der jugendlichen Menschheit: nur Vor übung der Wissenschaft, Hülle der Ers kenntniß, eine überflüssige Zugabe des wesentlich Guten und Nüßlichen. Je höher die Kultur steige, desto unermeßlicher verbreite sich das Gebiet der deutlichen Erkenntniß; das eigentliche Gebiet der Darstellung die Dämmerung schrumpfe vor den einbrechendem Licht immer enger zusammen. Der helle Mittag der Aufklärung ser nun da, Poesie diese artige Kinderei fen für das lehte Jahrzehend unsers philosophischen Jahrhunderts nicht

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• Überhaupt ist die moralische Heilkraft der mensch. lichen Natur wunderbar stark, und dem sonderbaren organischen Vermögen einiger Thierarten nicht ganz unahnlich, deren zabe Lebenskraft auch entrißne Glieder wieder ersegt und nachtreibt.

mehr anständig. Es sey endlich einmal Zeit, da: mit aufzuhören.<<

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So hat man einen einzelnen Bestandtheil der schönen Kunst, einen vorübergehenden Zustand der selben in einer frühern Stufe der Bildung mit ih rem Wesen selbst verwechselt. So lange die menschliche Natur existirt, wird der Trieb der Darstellung. fich regen, und die Forderung des Schönen bestehen. Die nothwendige Anlage des Menschen, wels che, so bald sie sich frei entwickeln darf, schöne Kunst erzeugen muß, ist ewig. Die Kunst ist eine ganz eigenthümliche Thätigkeit des menschlichen Ges müths, welche durch ewige Gränzen von jeder andern geschieden ist. Alles menschliche Thun und Leiden ist ein gemeinschaftliches Wechselwirken des Gemüths und der Natur. Nun muß entweder die Natur oder das Gemüth den lehten Grund des Daseyns eines gemeinschaftlichen einzelnen Produkts enthallen, oder den ersten bestimmenden Stoß zu deffen Hervorbringung geben. Im ersten Fall ist das Resultat Erkenntniß. Der Charakter des rohen Stoffs bestimmt den Charakter der aufgefaß ten Mannichfaltigkeit, und veranlaßt das Gemüth, diese Mannichfaltigkeit zu einer bestimmten Einheit zu verknüpfen, und in einer bestimmten Richtung die Verknüpfung fortzusehen, und zur Vollständig keit zu ergänzen. Erkenntniß ist eine Wirkung der Natur im Gemüth. Im zweiten Fall hinge= gen muß das freie Vermögen sich selbst eine bez stimmte Richtung geben, und der Charakter der ges wählten Einheit bestimmt den Charakter der zu wählenden Mannichfaltigkeit, die jenem Zwecke gemäß gewählt, geordnet und wo möglich gebils det wird. Das Produkt ist ein Kunstwerk und eine Wirkung des Gemüths in der Natur. Zur dare stellenden Kunst gehört jede Ausführung eines ewigen menschlichen Zwecks im Stoff der äußern mit dem Menschen nur mittelbar verbundnen Na: tur. Es ist nicht zu besorgen, daß dieser Stoff je ausgehn, oder daß die ewigen Zwecke je aufhören

werden, Zwecke des Menschen zu seyn.

Nicht weniger ist die Schönheit durch ewige Gränzen von allen übrigen Theilen der menschlichen Bestim, mung geschieden. Die reine Menschheit (ich verstehe darunter hier die vollständige Bestimmung der menschlichen Gattung) ist nur nur eine und dieselbe, ohne alle Theile. In ihrer Anwendung auf die Wirklichkeit aber theilt sie sich nach der ewigen Verschiedenheit der ursprünglichen Vermögen und Zustände, und nach den besondern Organen, welche diese erfordern, in mehrere Richtungen. Wenn ich hier voraussehen darf, daß das Gefühlsvermö gen vom Bestellungsvermögen und Begehrungsver mögen spezifisch verschieden sey; daß ein mittlerer Zustand zwischen dem Zwang des Gesetzes und des Bedürfnisses, ein Zustand des freien Spiels, und der bestimmungslosen Bestimmbarkeit in der menschlichen Natur eben so nothwendig sey, wie der Zustand gehorsamer Arbeit, und beschränkter Bestimmtheit: so ist auch die Schönheit eine dieser Richtungen und von ihrer Gattung der ganzen Menschheit, wie von ihren Nebenarten den übrigen ursprünglichen Bestandtheilen der mensch: lichen Aufgabe, spezifisch verschieden.

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Aber nicht blos die Anlage zur Kunst und das Gebot der Schönheit sind physisch und moralisch nothwendig; auch die Organe der schönen Kunst versprechen Dauer. Es muß doch wohl nicht erst erwiesen werden, daß der Schein ein unzertrenn licher Gefährte des Menschen sey? Den Schein der Schwäche, des Irrthums, des Bedürfnisses mag das Licht der Aufklärung immerhin zerstören: der freie Schein der spielenden Einbildungskraft kann darunter nicht leiden. Nur muß man der generel ley Forderung der Darstellung und Erscheinung nicht eine spezielle Bildlichkeit unterschieben; oder die gewaltsamen Ausbrüche der furchtbaren Leiden schaften wilder Naturmenschen mit dem Wesen der Poesie verwechseln. Allerdings ist es sehr natürlich und begreiflich, daß auf einer gewissen mittlern

Höhe der künstlichen Bildung Grübelei und Viels wisserei, jene leichten Spiele der Einbildungskraft lähme und erdrücke, Berfeinerung und Verzärtelung das Gefühl abschleife _und_schwäche. Durch den Zwang vollkommner Kunst wird die Kraft des Triebes abgeftumpft, seine Regsamkeit gefesselt, seine einfache Bewegung zerstreut und verwirrt. Die Sinnlichkeit und Geistigkeit ist aber im Menschen so innig verwebt, daß ihre Entwicklung zwar wohl in vorübergehenden Stufen, aber auch nur in diesen divergiren kann. In Masse werden sie gleichen Schritt halten, und der vernachläßigte Theil wird über kurz oder lang das Verfäumte nachholen. Es hat in der That den größten Anschein, daß der Mensch mit der wachsenden Höhe wahrer Geistesbildung auch an Stärke und Reizbarkeit des Ges. fühls, also an ächter ästhetischer Lebensz Eraft (Leidenschaft und Reiz) eher gewinne als verliehre.

Unbegreiflich scheint es, wie man sich habe überreden können, die italienische und französische Poesie, und wohl gar auch die Engländische und Deutsche habe ihr goldnes Zeitalter schon geż habt. Man mißbrauchte diesen Namen so sehr, daß eine fürstliche Protektion, eine Zahl berühmter Namen, ein gewisser Eifer des Publikums, und allenfalls ein höchster Gipfel in einer Nebensache hin längliche Ansprüche dazu schienen. Nur war dabei schlimm, daß für das unglückliche filberne, eiserne und bleierne Jahrhundert nichts übrig blieb, als als das traurige Loos, jenen ewigen Mustern aus allen Kräften vergeblich nachzustreben. Wie kann vom vollkommnen Styl da auch nur die Frage seyn, wo es eigentlich gar keinen Styl, sondern nur Manier giebt? Im strengsten Sinne des Worts hat auch nicht ein einziges modernes Kunstwerk, geschweige denn ein ganzes Zeitalter der Poesie den Gipfel ästhetischer Vollendung erreicht. Die stillschweigende Voraussetzung, welche dabei zum Grunde lag: daß

es die Bestimmung der ästhetischen Bildung fen, wie eine Pflanze oder ein Thier zu entstehen, all. mählich sich zu entwickeln, dann zu reifen, wieder zu finken, und endlich unterzugehen, im ewigen Kreislauf immer endlich dahin zurückzukehren, von wo ihr Weg zuerst ausging; diese Voraussezzung beruht auf einem großen Mißverständnisse, auf def: fen tiefliegenden Quell wir oft in der Folge stoßen

werden.«

Wir haben diese ganze Stelle von S. 85 bis 94 hergesezt, und dem Leser eine Probe der klaren, lebhaften und reichhaltigen Schreibart des Verfas: fers zu geben: und werden dafür jezt in unserm Auszuge kürzer seyn.

Der Verfasser zeigt, wie aus allen vorher durchs geführten Sägen folge, daß nur in der ästhetischen Bildung nothwendig eine Revolution bevorstehe. Eine Gefeßgebung sei denn nothwendig; rich: tige Begriffe müssen die verkehrten Begriffe dann wieder auf die rechte Bahn bringen. Um für den Künstler die Lücke zwischen Theorie und Praxis auszufüllen, bedarf es einer Anschauung, eines höchsten ästhetischen Urbildes.

So entsteht dann eine vernünftige und gemei: ne Nachahmung.

»>Bei den Griechen allein war die Kunst von dem Zwange des Bedürfnisses und der Herrschaft des Verstandes immer gleich frei; und vom ersten Anfange griechischer Bildung bis zum lesten Augenblick, wo noch ein Hauch von achtem Griechen: finn lebte, waren den Griechen schöne Spiele heilig..

Diese Heiligkeit schöner Spiele und die se Freiheit der darstellenden Kunst find die eigentlichen Kennzeichen ächter Griech: heit. Allen Barbaren hingegen ist die Schón: heit an sich selbst nicht gut genug.

»Schon auf der ersten Stufe der Bildung und noch unter der Vormundschaft der Natur umfaßte die Griechische Poesie in gleichmäßiger Voll

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