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gen könne. Alle Naturnothwendigkeit erhellt also zugleich aus ihrem Erfolge und aus den mit ihr übereinstimmenden Thatsachen.

Ganz anders aber verhält es sich mit derjeniz gen Art von Nothwendigkeit, welche in der Pflicht ausgedrückt wird, und die auch im Gegensahe der natürlichen moralische oder sittliche Nothwen= digkeit heißt. Jene zwingt, diese verbindet. Daher die Wirkung von jenem Zwange von dieser Verbindlichkeit ist. Diese behält ihre Gültigkeit, wenn auch keine einzige Thatsache aufgewiesen werden könnte, welche durch sie wirklich geworden ist. Eie sagt nemlich aus, was geschehen soll, nicht was wirklich geschehen muß. Dieses Eol: len bleibt und behält seine Gültigkeit, wenn auch das, was dadurch geboten wird, niemals geschehen wäre, oder auch künftig nie geschähe. Wenn es auch nie einen ehrlichen und gerechten Menschen gegeben hätte; so leidet es doch keinen Zweifel, daß es alle Menschen hätten seyn sollen und daß es alle, die noch je leben werden, seyn sollen. Das sittliche Gebot dauert immer fort, wird von jedermann für gültig erkannt, ob man sich gleich be; wußt ist, daß man es nicht befolgt hat.

Dieses sittliche Gebot in mir, ist also etwas, das mich von der übrigen Natur ganz auszeich net, und ich bin dadurch genöthigt, mich zu einer

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ganz andern Klasse von Wesen zu rechmen, als diejenigen sind, welche den Gesehen der natürlichen Nothwendigkeit folgen müffen. 3war nehme ich auch vieles an mir wahr, das für nichts als für eine Wirkung der Natur geachtet werden kann. Mein eigner Körper und dessen künstlicher Bau, das Leben, das ihn bewegt, die Einne, der Verstand, Eurz alle meine körperlichen und geistigen Kräfte, deren Wirkung sich in der Welt zeigt, meine inneren und äußeren Vermögen, was find fie anders, als Geschenke der Natur, nach ihren Gefeßen hervorgebracht und geordnet? Mit allem was ich an mir sehe und empfinde, gehöre ich also dir an, Natur! Aber Eins nehme ich in mir wahr, wodurch ich mich von deinen Gesehen als unab hängig denken muß. Ich soll. So lautet keines deiner Gefeße. Denn ich kann auch diesem Sollen nicht folgen, und soll ich. Wärst du es, der ich hier unterworfen wäre, so müßte ich. In wiefern ich also soll, stehe ich nicht unter der Natur. Jch bin also kein blos physisches oder natürliches, ich bin auch ein moralisches oder sittliches Wesen. Als ein physisches Wesen gehöre ich zur Natur, bin ihren Gesehen und ihrem Zwange un: terworfen. Zeugung und Wachsthum, Gesundheit und Krankheit, Klugheit und Einfalt, Leben und Tod ist das Werk der Natur, und ich folge hierin

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hren Gefeßen, weil ich muß. Als ein moralisches Wesen aber erkenne ich mich nicht als ihren Unters than. Sie kann meinen Körper zerstören, 'mir Schwerzen verursachen, mich selbst meines Verstan. des- und Vernunftgebrauchs berauben, aber mich wingen, daß ich meinen Willen ändere, daß ich statt des guten eines böfen oder statt des bösen eis nen guten Willen annehme, das kann sie nicht, wenn ich nicht will. Der bloße Gedanke daß sie es könnte, würde den Begriff eines Willens, der ein Gollen für sein Gesez erkennt, zerstören. Wo hloß Natur ist kann keine Pflicht seyn. In mir ist also mehr als Natur. Ich habe Pflichten, und bin daher ein moralisches Wesen.

Die Pflicht wird aber auch nicht etwa blog als etwas Zufälliges, zu meiner Natur nicht Gehör riges, durch äußere Umstände Hervorgebrachtes `an. gekündiget. Ich und jeder Mensch muß sie sich als einen wesentlichen Theil seiner Natur vorstellen. Ihr Begriff beruhet auf etwas Ursprünglichem in uns, das jeder erfährt, sobald er zu einem ges wissen Grade des Selbstbewußtseyns gelangt; das den Tugendhaften wie ein sanftes himmlisches Licht begleitet und ihn den Weg zu seiner Bestimmung mit der größten Sicherheit zeigt, und das den Freoler oft wie ein Blig überrascht und ihn sich selbst in seiner ganzen Niedrigkeit darstellt, so viel

er sich auch Mühe gegeben hat, seine Augen vor diesem Anblicke zu verschließen. Unvermerkt ver: dammt der Bösewicht sein eignes Verbrechen in an: dern, und weit entfernt, daß er aller moralischen Beurtheilung entsagen sollte, kann er nichts über sich erlangen, als nur das Unmoralische seiner Tha. ten sich selbst verbergen, und dadurch die Vorwürfe seines Gewissens mildern oder unterdrücken, damit ihn die dadurch verursachte Pein in dem Rausche seines Genusses nicht allzu entpfindlich unterbreche.

Es ist völlig umsonst, diese Sprache des Gewissens von frühen Eindrücken, von Erziehung, Gewohnheit oder von andern zufälligen Verhält nissen ableiten zu wollen. Denn nicht zu gedenken, daß äußere Umstände, nie allein so etwas Algemei nes hervorbringen können, so seht selbst das Vor: urtheil von Pflicht, die Pflicht selbst schon zum voraus. Die Pflicht geht aus der Vernunft des Menschen selbst mit großer Reinigkeit, hervor, abet die Erziehung, Gewohnheit und noch mehr die Neigungen und Leidenschaften können den Begriff derselben frühzeitig verderben und verfälschen. Und so wird oft etwas für Pflicht gehalten, was es nicht ist, und eine falsche Anwendnung des Pflichts begriffes gemacht. Sie selbst aber ist in der Ver: nunft gegründet, und leidet durch diese Irrthümer der Urtheilskraft keine Veränderung. Die Vernunft

ist es, welche uns befiehlt andern Menschen eben so gut Rechte einzuräumen als uns selbst, fremde Rechte nicht zu verlegen, unfre Neigungen durch das Sitz tengeset in Schranken zu halten u. s. w. Sie bes befiehlt uns dieses nicht bloß, weil es vortheilhaft, weil es nüglich, weil es gemeinnüßig ist, sondern weil es Recht und Pflicht ist, so zu handeln. Selbst das Vortheilhafte, das Nüßliche, das Ge meinnüßige verstattet sie uns nur unter der Eins schränkung zu begehren, daß es dem Rechte und der Pflicht gemäß bleibt. Pflicht bleibt also immer das Höchste und Absolute und es läßt sich bei ihr nicht weiter fragen, wozu sie nuge; sie ist an sich selbst gut.

Machen wir einen Versuch die Merkmale dies ses sittlichen Gesetzes in uns deutlich zu entwickeln; so finden wir, daß uns dadurch eine solche Handlungsweise vorgeschrieben wird, daß wir in allen Maximen, wornach wir handeln, die moralischen vernünftigen Wesen zum höchs sten lehten Zwecke unsrer Handlungen machen sollen. Die moralische Vernunft oder die / moralischen Wesen sollen wir allenthalben als das Absolute behandeln, folglich sie nie dem Nũ h: lichen, dem Vortheilhaften, dem Gemeins nüßigen oder irgend einem andern auch noch so wichtig scheinenden Zwecke unterrodnen. Denn alle diese Zwecke erhalten erst durch die moralischen

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