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gen den Staat erkennete; denn wenn er auch ei nen falschen Grund der Verbindlichkeit angåbe, so kann daraus niemals auf eine schlechte Gesinnung geschlossen werden. Und spekulative Meinungen, sollten sie auch den Grund aller Moralität selbst angreifen und umzuwerfen drohen, gehören daher nie vor das Forum des äußeren Gerichts. Es kömmt dabei bloß auf Gründe an, wogegen sich nicht Zwang, sondern nur allein Vernunft gebraus chen läßt. Eine Meinung ist nie eher eine Gefinnung, als bis ihr Einfluß auf den Willen gewiß ist, und eine Gesinnung verlest nie das Recht des Staats, als wenn sie ein hinreichender Grund ist, die vollkommnen Verbindlichkeiten zu vernich ten, welche man ihm schuldig ist; und nur in die sem einzigen Falle kann die Gesinnung einen Staat zur Gewalt berechtigen. Daß der Staat übrigens bei Besehung seiner Aemter auf die ihm günstigen Meinungen und Gesinnungen derer die er wählt, Rücksicht nehmen könne, leidet keinen Zweifel. Aber eben so klar ist es, daß eine entdeckte Gesinnung in einem Beamten, die der Ges sinnung des Staats entgegen ist, kein Rechtsgrund seyn kann, ihn seines Amtes zu entsehen, wenn dieselbe ihn nicht zur Erfüllung seiner allgemeinen und besonderen vollkommnen Pflichten gegen den Staat unfähig macht.

4) Der Bürger behält vollkommne Frei heit in Ansehung aller Handlungen, welche nicht durch die positiven Gesetze des Staats verboten sind. Vermöge der natürlichen Gesetze ist keine Handlung verboten, als diejenige welche das Recht des andern, also auch des Staats wirklich verlegt. Handlungen aber, aus welchen möglicher oder wahrscheinlicher Weise eine Verlegung des Rechts entspringen könnte, die aber doch nicht selbst zureichende Gründe wirklicher Beleidigungen sind, sondern es nur durch andere Ursachen, d. i. zufälliger Weise werden können, sind durch die bloßen natürlichen Gefeße nicht verboten; und wenn daher eine posis tive Strafe auf die Übertretung des natürlichen Gesetzes bestimmt ist; so kann diese auf solche Handlungen, die nicht wirkliche Übertretungen, son. dern nur zufällige Gründe möglicher Übertretungen find, nicht bezogen werden. Große Volksversammné lungen, geheime Gesellschaften, öffentlicher, auch bitterer Tadel der Geseze und politischen Verfass fung, der öffentlichen Unternehmungen des Staats, find den natürlichen Gesetzen zufolge, noch keine rechtlichen Beleidigungen des Staats, gesezt alles dieses zielte auch darauf ab, die Etaatsverfassung zu verändern. Denn dieser Zweck ist nicht an sich unrecht; nur die rechtswidrigen Mittel zu demsel

ben find es. Obige Handlungen können aber ne: ben dem größten Gehorsam gegen die Geseze be stehen, und sind also nicht unrecht. Es könnte aber doch wohl seyn, daß große und geheime Ber sammlungen für die Rechte des Etaats als gefährlich, und öffentlicher Tadel der Gesetze als ein Reiz zu illegalen Handlungen, beides also súhon als ein Anfang der Beleidigung erkannt würden, In diesem Falle würde allerdings ein positives Geseh entspringen können, welches jene Handlungen untersagt, und die sonstige natürliche Freiheit bis auf einen gewiffen Punkt einschränkt.

Indessen sind dergleichen. Verordnungen des Staats, wodurch er sich schon von weitem her fichern, und den Angriff nicht abwarten will, doch sehr zweideutig, und können von Seiten des Rechts schwerlich gerechtfertiget werden, wenn diese Gesche zugleich eine Menge von Handlungen untersagen, in welchen an sich betrachtet nichts ist, was den Staat beleidiget, sondern die nur in der Ferne zufällige Veranlassungen werden können, ihn zu bes leidigen. Wenn die Polizei in einer Stadt jeden Bürger das Ausgehen des Abends verbieten wollte, weil oft Menschen angefallen sind; so wäre dieses freilich ein sicheres Mittel, allen ferneren Unfug dieser Art zu verhüten, aber offenbar ein tyrannisches Mittel. Denn zur Sicherheit der Bür

ger soll die Polizei nicht die unschuldige Freiheit derselben einschränken, sondern mit ihrer eignen positiven Kraft (hier durch Bewachung der Stra: ßen und Entdeckung der Thäter) Sicherheit schaf fen. Und eben so muß jeder wohleingerichtete Staat klug und stark genug seyn, Beleidigungen, die ihm widerfahren, zu entdecken und zu bestrafen, ohne daß er die Einschränkung der unschuldigen Freiheit anderer, als Mittel gebrauchen darf. sich zu sichern. Er strafe die Gesellschaften, welche fich gefezwidrige Handlungen gegen ihn erlauben, so wie diejenigen, welche sich, durch politische Vert nünstler (Raisonneurs) verführt, gegen ihn wirk lich vergehen. Und ist Gefahr da; so hat er ja tausend Augen, welche sie entdecken können. War um will er weiter in die Freiheit seiner Bürger eingreifen, als es nöthig ist? Solche Schritte werden seine Gerechtigkeit allemal in ein zweideutiges Licht Stellen, und ihn dem Verdachte der Tyrannei aus: sehen. Denn dieser entspringt unvermeidlich, so. bald er an sich unschuldige Handlungen unter dem Vorwande verbietet, daß sie doch dem Staate ge= fährlich werden könnten. Solche Maaßregeln Lassen sich daher auch nur unter falschen Rechtsgrundfäßen verstecken. Denn was darf der Staat nicht thun, wenn er zu allem Recht hat, was ihm nüglich seyn und die pflichtmäßigen Handlungen

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feiner Bürger erpressen kann? Nach wahren Rechts. principien kann der Staat keine Gesellschaft aufhe ben oder verbieten, als von welcher erwiesen (nicht durch Konsequenzmacherei gefolgert) ist, daß sie den Willen habe, seine oder anderer Rechte zu verlegen; keine Reden und Schriften untersagen und bestrafen, als aus welchen eine beleidigende Gesinnung, ein Unternehmen die Rechte anderer anzugreifen, offenbar hervorgehet. Wer zum Aufruhr ermuntert, ist strafbar: wer aber unzufrieden mit der Staatsverfassung ist, wer auch andere durch seine Reden oder Schriften unzufrieden mit der Verfassung und den Gesetzen macht, aber doch weder selbst seine Zwangspflichten gegen den Staat verlegt, noch andere dazu beredet, ist vor dem Rechtsgesetz nicht schuldig. Denn man kann sehr unzufrieden mit einem Vertrage seyn, den man ger schlossen hat, muß aber doch die Verpflichtung an. erkennen, ihn pünktlich zu erfüllen. Der Staat wird aber allezeit wohl thun, nur solche Gesetze zu geben, wozu sein Recht nicht bestritten werden kann, und woraus der Wille hervorleuchtet, die une schuldige Freiheit seiner Bürger nie zu verlegen.

Aus dem bisherigen werden sich auch die Grunds fäße ergeben, nach welchen der Staat das Betras , gen seiner Bürger während eines Angriffes auf sei

ne Rechte, rechtlicher Seits zu beurtheilen hat.

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