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oft mögen die neuen Bücher und die Ansprüche der begleitenden Briefe in einem Contraste stehen, der dem Recensenten, der schon eine eigne Meinung über den Gegenstand hat, die Beurtheilung vers leiden, und den der erst eine Meinung schöpfen will, völlig verwirren muß!

Doch ich will Ihnen lieber geradezu den Haupts grund gestehen, der mir hier das Stillschweigen Anfangs zur Pflicht machte.

Sie waren im J. 79 der erste Gelehrte, dem ich meine abweichenden Gedanken über den Ho mer vorlegte. Ich that es in einem Auffage, den ich Ihnen um die Zeir meines Weggehens von Göttingen gab, um durch etwas das Zutrauen zu verdienen, womit Sie mir eben das mals ohne mein Ansuchen, und ohne mich nä her als durch meine Freunde zu kennen, die Aussicht zum ersten Amte zeigten. Ohne Zweifel erinnern Sie sich der Sache noch einigermaßen. Es war der einzige Auffa, den Sie in Göttingen von mir erhielten, und das darüber erfolgte Gespräch das einzige, das ich über einen litterari: schen Gegenstand mit Ihnen zu pflegen die Ehre hatte. Mir sind diese Erinnerungen so neu, wie. weniges aus jener Zeit: sie hängen mit Schicksalen meines Lebens zusammen, die mich näher angehen. als Homer und alle feine Scholiasten. Ich bewah:

re auch jenen Aüffaß noch, selbst mit den vornehm, sten Einwendungen, die ich mir aus Ihrem Mun» de bezeichnete.

Niemals habe ich seitdem, ob ich gleich der Gelegenheit nicht auswich, einen beharrlichern Wir dersacher gefunden, oder vielmehr einen, der mich peremtorischer abwies. Diese Abweisung machte je doch, nach der ersten Verschmerzung, keinen an dern Eindruck auf mich, als den sie machen konn te. und zu machen vielleicht bestimmt war. Ich wurde vorsichtiger im Behaupten und aufmerksamer auf die versteckten Schwierigkeiten der Sache; ich arbeitete und grübelte fort, so gut ich vermochte. Die kleine Ausbeute der nächsten Jahre behielt ich für mich: ohnehin war ein Gespräch oder ein Brief kein schicklicher Plah, die Fäden der verwickelten Untersuchung aufzuziehen. Damals aber, wo ich so als Neuling, (und nur ein Neuling, der noch nicht einmal den Aristot. de poetica gebührlich gez lesen hatte, konnte auf Zweifel und Schwierigkei ten gerathen, die dem ältern Gelehrten ein Lächeln abnöthigen durften,) als ich noch als Neuling an diesen Gegenständen nagte, waren meine Zweifel wenig gegen das, was sie in der Folge wurden. Ich dünkte mir anfänglich nur zu bemerken, daß das Bücherschreiben in Griechenland nicht vor dem 7, Såk. v. Chr. aufgekommen wäre, und

daß der begeisterte Rather Wood sich nur um anderthalb Sakula verrathen haben möchte ich dünkte mir über das, worin das Geschäft und die eigentliche Kunst der Rhapsoden bestanden, rich. tigere Vorstellungen zu machen, als worauf der Begriff des Deklamirens und das garra ízy, composita, facta.carmina, führte; ich fieng an, beide Punkte, das späte Aufkommen des Büchers fchreibens und die Rhapsodik sogar für die Philosophie der Geschichte griechischer Menschheit wichtig zu achten: ich ahndete hie und da verloschene, verwitterte Spuren einer spås ter aufgetragenen Verkittung der Rhapso, dieen; aber hiermit konnte ich lange nicht zurecht kommen. Überhaupt war alles, was in meinen damaligen Papieren steht, roher Entwurf und Grundlinien der spätern Untersuchung. Hernach. brachte mich die öfter wiederholte Lesung des Homer den geahndeten Schwierigkeiten und deren Entwik kelungen näher, indem sie mich zugleich von den hers gebrachten Vorstellungen mehr entfernte, Ich sah nun bei einem angestrengten ununterbrochenen Studium der Ilias im neunzehnten und den vier folgenden Büchern nicht weniger Merkmale eines neuen, gegen die vorhergehenden Ges fänge, fremden Tones und Charakters in Denkweise und Sprache, als in dem legten Buche, das

schon Andere, vorzüglich aus ästhetischen Ursachen, verdächtig gemacht hatten. Weiterhin merkte ich, daß sich meine anfänglichen Gefühle in Worte fase fen, daß die Ungleichheit zwischen den vordern und hintern Büchern in beiden Werken sich auf bestimmte Begriffe reduciren ließ; fand einige mic unleugbar scheinende Reste von Kitt, der großen Rhapsodien zur Verbindung diente, und dies schon vom Achten Buche der Ilias an; ends lich fand ich die Odyssee, in vielerlei Sachen, in Manieren und Vorstellungsarten, gerade so ab: weichend von der Ilias, als die legtern Bücherder Ilias von den erstern. So gelangte ich nach und nach zu dem Resultate, daß auch die Odyssee, ungeach tet ihrer schwerer aufzulösenden heutigen Form, aus ursprünglich nicht genau verbundenen Theilen zusammengesetzt, und entweder gar nicht, oder zum kleinsten Theile, von dem Grundverfasser der Ilias verfertigt wäre.

Was ich hievon, und in welchen Jahren jes des, vor Herauskunft der Villoisonschen Echolien gefunden habe, könnte ich Ihnen allenfalls diplos matisch nachweisen. Ich will eines einzigen Um2 standes gedenken. In ganz aus einander liegens den Jahren, so oft ich im Lesen auf die Stelle Odyss. 4, 620 kam, bei der niemals jemand den geringsten Argwohn bezeugt hat, habe ich jedess

mal ungefähr dieselben Gedanken über die wunders liche, auffallend harte Commissur niedergeschrieben: Erst beim Ordnen der Papiere zum Schreiben der Prolegomena flogen die gleichlautenden Zettel zuz fammen, die ihr verschiedenes Alter, deutlicher als die homerischen Gesänge, durch Dinte, Papier und Schriftzüge verrathen. Das Nämliche ist mir in Ansehung verschiedener andern Stellen in den letz tein Büchern beider Gedichte begegnet, worüber ich es vorizt bei einer kurzen Anzeige bewenden ließ. Natürlich mußten mit dergleichen besondere Zufälligkeiten Muth geben und ein Zeichen seyn, daß ich mich nicht in Einbildungen und leeren Gee fühlen herumgetrieben hätte. Denn ich trieb in den Zwischenzeiten ganz andere Lektüren und Are beiten, und eilte mit dieser Homerischen gar nicht vor das Publikum. Leider ist aber bei Schwär. mern und Stillen im Lande eine solche Rückkehr auf alte Empfindungen gewöhnlicher als in der Kritik. Deswegen, und weil ich Ziererei von Herz zen hasse, unterschied ich selten in der Schrift meis ne eigenen Wahrnehmungen von dem, was ich aus den Venetianischen Scholien lernte. Auch schien dieß weder für meine Leser, noch für die fels tenen Kenner der Scholien, von irgend einigem Nugen. Die lettern wissen ohnedem wo über das Unhomerische der hintersten Gefänge des Homer,

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