Imagens da página
PDF
ePub

III.

Ueber Schlözers Staatsgelahrheit nach ihren Haupttheilen im Auszug und Zusammenhang.

Erster Theil.

Einleitung, Encyklopädie, Metapolitik, Staats: recht, und von Regierungsformen.

Drittes Gespräch.

(Fortsehung.)

2. Ihnen will also der schlözersche Unterschied zwi«

schen bürgerlicher Gesellschaft und Staat nicht recht einleuchten? Ist denn nicht ein wesentlicher Unters schied zwischen einer bürgerlichen Gesellschaft, in welcher eine Herrschaft (imperium) vorhanden ist, und zwischen einer solchen, wo es daran mangelt.

B. Nehmen Sie einen Unterschied zwischen

Bürgern und Bundesgenossen an?

A. Wer sollte das nicht? Die Bundesgenoss

[ocr errors]

sen sind als solche nur gegen äußere, die Mitbürger aber auch gegen innere Feinde vereinigt.

B. Der Unterschied zwischen einem bloßen Bündniß und einer bürgerlichen Gesellschaft, be Deutschl. 25 St.

[ocr errors]

steht also in dem Zwangsrechte, welches die bürgerliche Gesellschaft gegen ihre eigenen Mitglieder ausübt. Jede bürgerliche Gesellschaft sett daher eine Überherrschaft voraus; denn, wie Schlözer selbst) anführt, find Krone, Ecepter und Thron essentialiter in Schaafhausen wie in Stambul. Die Oberherrschaft ist da, wenn sich auch das ganze Volk den Gebrauch der obers ften Gewalt vorbehalten hat. Wo also nun bür gerliche Gesellschaft ist, da ist ein Staat; aber ein bloßes Bündniß ist da, wo es an einem Zwangs. rechte der ganzen Gesellschaft gegen die einzelnen Mitglieder mangelt.

A. Zwangsrecht; merken Sie sich dieß Wort. Ein Recht kann man, wie Sie gestern selbst bec hauptet, haben, ohne daß man eben im Stan, de ist, es auszuüben. Was hilft der bürgerlichen Gesellschaft das Zwangsrecht, wenn zu Ausübung desselben die Einwilligung Aller, und also auch dess sen, welcher gezwungen werden soll, erforderlich ist? Erst alsdann, wenn eine Stimmenmehrheit eingeführt, und also eine Oberherrschaft vorhanden ist, lägt sich die Ausübung des Zwangsrechts der Gesellschaft gegen die Einzelnen denken. Go lange nun diese Stimmenmehrheit noch nicht ein» geführt und noch kein anderer Herrscher bestellt ist,

• Staatsrecht §. 2.

[ocr errors]
[ocr errors]

läßt sich zwar eine bürgerliche Gesellschaft, aber kein Staat denken.

B. Wenn ich wollte, könnte ich Ihnen den. Sieg doch noch ein wenig erschweren. Ich könnte einwenden, daß die Unterwerfung unter den Willen der Gesellschaft, der Gesellschaft doch wenig. stens so viel Recht mittheilen würde, daß sie, wenn alle übrigen Mitglieder der Gesellschaft einig wären, das Recht hätte, gegen die einzelnen Wis derspenstigen Zwang zu brauchen. Ich könnte ge gen Schlözern *) bemerken, daß auch Rousseau den gemeinen Willen der Gesellschaft (volonté générale) von dem Willen Aller (volonté de tous) unter: scheidet. **) Aber ich gestehe willig ein, daß, ohne Bestimmung einer gewissen Stimmenmehrheit, es sehr oft zweifelhaft bleiben würde, ob die Meh rere, welche zusammenhalten, als Mitverbrecher, welche von der übrigen Gesellschaft gerichtet wer den können, oder als eine besondre Parthei unter den Mitbürgern betrachtet werden müßten. Ich glaube daher auch, daß der von Schlözern gemach te Unterschied zwischen bürgerlicher Gesellschaft und Staat alle Aufmerksamkeit verdiene. Man mng aber wohl bedenken, daß er willkürlich bestimmt werden, und daß man daher der bürgerlichen Ger

[blocks in formation]

!

sellschaft im Schlözerschen Sinne die Rechte nicht absprechen könne, welche man dem Staat über: haupt, ohne Rücksicht auf diesen willkürlich gemach ten Unterschied einzuräumen pflegt. Ich kann das her auch nicht glauben, daß im Völkerrechte zwi schen Eraaten und bloßen bürgerlichen Gesellschaf ten ein Unterschied zu machen sey.

A. Das dächt' ich doch; denn in einer bürger: lichen Gesellschaft im engern Sinne fehlt es an Ordnung und Nachdruck, und die Nachbarn können sich dabei unmöglich wohlbefinden.

B. Sie nehmen also an, einer bürgerlichen Gesellschaft ohne Herrscher werde es an Energie fehlen. Desto besser; es ist also ein schwacher Nach, bar, und wer will nicht lieber einen schwachen als einen starken Nachbar haben? Die Staatsklugheit wird freilich auf diesen Unterschied Rücksicht neh men müssen: allein ein Vertrag, wenn er einmal mit einer solchen Gesellschaft geschlössen ist, wird nicht weniger heilig seyn, als die Verträge der Staaten mit eiuander.

A.

derlich

Die Meinung des Volks ist verán

B. Die Meinung der Minister nicht min der, und ist etwa das Ministerium : unveräne derlich? Sind alle Staatsverfassungen gut? Wird man berechtiget sein, darum sein Wort

zu brechen, weil der Staat, mit welchen man zu thun, eine schlechte Verfassung hat?

A. Ich bin schon zufrieden, wenn Sie mir nur zugeben, daß es der Staatsklugheit nicht ge mäß sen, sich mit einer anarchischen bürgerlichen Gesellschaft einzulaffen. Aber Eie schienen mir sonst noch etwas gegen die Schlözersche Eintheilung zwis schen bürgerlicher Gesellschaft und Staat auf dem Herzen zu haben,

B. Ich glaube überhaupt, daß es andre Eintheilungen der Gesellschaften gibt, welche mehr. ausgehoben zu werden verdienten, als die eben gedachte Schlözersche. Ich unterscheide nämlich Gefellschaft überhaupt, Bündniß Mehrerer zu gemeinfchaftlicher Vertheidigung, bürgerliche Gesellschaft, als unter welcher ich auch den Staat im Schlözerschen Sinne begreife, und vormundschaftliche Rez gierung. Unter der lettern verstehe ich einen solchen Staat, welcher nicht bloß die gemeinschaftliche Sicherheit, sondern auch den Wohlstand der Einzelnen zum Gegenstande hat. Denn, wie Schlö: zer an mehreren Orten bemerkt, kann in der Regel ein Jeder für sein eigenes Wohl am besten sorgen, und man thut unrecht, wenn man ihm ein Gut aufdringt, welches er nicht haben will. Aber es gibt unter den Bürgern so viele, welche des starken Bartes ungeachtet, noch unmündig sind.

« AnteriorContinuar »