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wahre Schöne und Angenehme wecken, beleben und bilden, und so, recht benußt, den guten Ge schmack befördern können. Da in unsrer Litteratur und Kunst aber leider diesem guten Geschmacke nur zu häufig muthwillig entgegen gearbeitet wird, Erzeugnisse des falschen Geschmacks, durch gleißen, den Firniß, oder durch auffallende Formen UeberLadung und schimmernden Wig oft stärker in die Sinne fallen und schneller reißen und wirken als die Werke ächter Schönheit und Grazie; wahre Liebe fürs Schöne und Edle auch ohne Haß und Abscheu fürs Schiefe und Unedle nicht wohl bes steht, so werden wir, ohne Ansehen der Person, allem, was uns für den Charakter und den Gẹschmack deutscher Nation gefährlich zu seyn bedün ken wird, nach bestem Vermögen mit männlicher Entschlossenheit entgegen streben. Ob auch mit männlicher Kraft und glücklichem Erfolg, das müs sen wir von dem Urtheil der Verständigen und Redlichen, dem wir mit gefaßter Aufmerksamkeit aufhorchen werden, und von der Zeit erwarten.

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1) Hildegard von Hohenthal. Erster Theil. Berlin in der Vossischen Buchhandlung 1795. 341 G.

Nichts sichert den Menschen so unfehlbar ges gen jedes unwürdige Gelüft, nichts fördert in ihm so sicher ächte moralische Güte und edlen dauerns den Lebensgenuß, als der gute Geschmack in Kün

sten. Wessen Gefühl für zweckmäßige. Ordnung und Zusammenstiyimung, für Grazie und Echön. heit gebildet worden ist, den wird das tausendfache Gezüchte - grober Einnlichkeit und roher Leiden: schaft gewig nicht mit überwiegender Gewalt reizen und irre leiten. Dem wird es in der Einsamkeit und im geselligen Leben, im Glück und Unglüc gewiß nie an ächtbeglückenden Genüssen fehlen. Lessings Nathan, Göthe's Iphigenia und Lasso werden ihm gleich den schönsten edelsten Antiken und den Meisterwerken Raphaels, Hán: dels und Leo's nicht nur die reinsten Freuden ge währen, sie werden ihn auch vor jeder wilden Abschweifung seiner Phantasie und vor dem niedri gen Despotism einer übermächtigen Einnlichkeit mehr sichern, als alle Systeme der Moral. Solche Kunstwerke können daher zum Glück der Mensch heit nicht genug vervielfältigt, der Geschmack an ihnen nicht genug gefördert werden.

Von der andern Seite reizt und erhigt nichts mehr die ohnehin stets rege Sinnlichkeit und immer Jüsterne Phantasie als lebhafte glühende Darstel: lungen die ohne Rücksicht und Achtung für den innern Menschen jene gierige Tyrannen, durch schmeichelnde Farben und lockende Töne in Bewe gung und Aufruhr bringen. Leichtsinnige Aeuße rungen über Moralität und Anstand, über Pflicht des Menschen, des Bürgers und Weltbürgers in der Stimmung, die jene Darstellungen erzeugten, ans Herz gelegt, untergraben gewiß bei jedem Menschen, der nicht schon ächte Selbstständigkeit und überwiegende Denkkraft besist, alles wahre sittliche Gefühl. Und darum ists die Pflicht jedes redlichen Mannes, dem die Menschheit und iht höchstes Interesse am Herzen liegt, solchen Kunst werken möglichst entgegen zu arbeiten, und Abscheu und Verachtung gegen sie einzuflößen.

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Beglückenden und dauernden Genuß fürs Le ben kann man auch nur dann von den schönen Künsten erwarten, wenn man sie von ihrer edlen

Geite

Seite beachten und anwenden lernt, wenn man ihre Verbindung mit der wahren Freiheit des Gemüths, mit der wahren Würde des Menschen ers kennt und so, nicht blos mit den Augen und Ohren, sondern auch mit dem Geiste genießt. Jede Berrückung jenes hohen Standpunktes, jede Vers breitung einseitiger Meinungen und beengender Vorurtheile über das Wesen und die rechte Ane wendung der Kunst, schmälert den reellen Gewinn und stört den bleibenden Genuß den man im ächten Studium derselben ohnfehlbar findet.

Seit der Erscheinung des Ardingello ist dem Recensenten kein Buch vorgekommen, welches diesem wahren Studium der Kunst, welches dem guten Geschmack nachtheiliger werden könnte, als der vor uns liegende Roman, der es so mit der Musik treibt, wie jener es mit den bildenden Küne sten trieb. Da es in der Tonkunst noch weniger ficher leitende Führer giebt als in irgend einer andern Kunst, es auch vorauszusehen ist, daß diefer Afterroman für die meisten kritischen Zeitschrif ten von Leuten beurtheilt werden wird, die von der Kunst, welche das Buch eigentlich betrift, zu wenig verstehen, um nur einigermaßen einzusehen wie gar wenig der V., bei aller anscheinenden. Kenntniß, richtige Begriffe von derselben und von den zergliederten Kunstwerken hat; so hält es der Rec. dem diese edle Kunst am Herzen liegt, um so mehr für seine Pflicht, seine ganze Meinung darüber mit aller Freimüthigkeit heraus zu sagen und so viel es irgend der ihm vergönnte Raum erlauben wird, folche mit Benspielen zu belegen und mit Gründen zu rechtfertigen.

Als Kunstwerk, als Roman betrachtet ist dieses Produkt fast zu abgeschmackt, als daß man nöthig hätte ein solches Interesse dafür zu besorgen, das auf den Geschmack des Lesers einen nachtheiligen Einfluß haben könnte und so möchte diese Seite allenfalls ganz unberührt bleiben, wenn nicht einzelne lebs hafte Naturschilderungen, und hohe glühende Farben, Deutschl. Is St 3

dem Dinge etwas Anziehendes und in den Augen des Ungebildeten wohl gar poetischen Werth gäben. Was in aller Welt kann wohl abgeschmackter seyn, als der Gang einer Leidenschaft, die eigentlich keine Leidenschaft sondern lauter eitles Getreibe ist? Und welcher Geschichtsfaden! welche Charakter, schilderung! welch eine Sprache!

Ein junger Kapellmeister Lockmann, der vor wenig Wochen von Neapel zurückgekommen und eben mit seinem Fürsten aufs Land gezogen ist, »erhebt sich von seinem Lager und springt aus dem Bette ; fein Wesen war noch Widerhall der Mu: fik zur Oper Achill in Myros, von welcher er die Nacht den Plan geträumt und wachend gegen Morgen ausempfunden hatte. »Die jungen Strah: len der Sonne bligen ihn von seinem Fortepiano weg, er geht ans Fenster, nimint ein Fernrohr in die Hand und trift damit auf einen fünf bis sechs hundert Schritt entfernten Garten, we ein Frauenzimmer eben sein Morgengewand ablegte, nackend, göttlich schön wie eine Venus da stand, die Arme frey und muthig in die Luft ausschlug und mit dem Kopf voran in fliegenden Haaren, fich in eine große Wasservertiefung stürzte, herums gaukelte, den Oberleib weit empor hielt, auf dem Rücken schwamm, sich auf die Seite legte und so weiter eine Viertelstunde lang troß dem geschicktes sten Halloren alle Schwimmerkünfte übte.

Der Held ist entzückt, phantasirt, auf dem Fortepiano, frühstückt, kleidet sich an, geht aus, forscht nach der Wohnung der Schönen und ers fährt, daß das Haus von der Familie des ver Storbnen Herrn von Hohenthal bewohnt wird.

Diese Nachricht fällt ihm gewaltig aufs Herz; er geht hastig zurück, schlägt sich die Schwimmers scene aus dem Kopfe, hält Probe von Allegri's berühmtem Miserere *), welches mit einigen andern Musikstücken in der Kirche aufgeführt werden

Von den widerfinnigen Zurüstungen hiebei und ven allem was die Musik betrift nachher befonders.

follte: »denn es war Gebrauch daß der Fürst und die Fürstin, so oft sie im Frühling aufs Land zogen (es mochte früher oder später geschehen) und die von den Hofleuten, welche das Bedürfniß fühlten, gleich anfangs beichteten, sich der Sünden der Hauptstadt entledigten, das Abendmahl empfin gen, und dem Volke so ein gutes Beyspiel gaben.« Nach der Probe geht er in den Schloßgarten, uns. terhält sich da mit einem alten Baumeister vier Seiten lang über die Vortreflichkeit der Hastraten, die durch keine weiblichen Stimmen der Welt zu ersehen seyn sollen und deren Lob mit dem schändlichen Worte der Italiäner endigt: Benedetto il coltello etc. (gesegnet sey das Messer 2c.)

Unerwartet tritt Hildegard von Hohenthal am Arme des Fürsten aus dem Park: der Fürst präsentirt ihr seinen Kapellmeister mit einem ganz unfürstlich geschrobenen Kompliment für diefen, und dieser, dem über die Erscheinung der Schönen, die er für die gefährliche Schwimmerinn erkennt, »das Blut ins Gesicht schoß und dessen Herz wallte, wie sie den Blick ihrer schönen blauen Augen auf ihn lenkte, antwortet im pe dantischen Schulmeisterton, nennt den Fürsten »Ulyffes neben welchem Pallas steht« Sie gehen weiter. »Hildegard und er weideten ihre Blicke an einander in den hellen Augen, an den reinen Stirnen, dem edlen geraden Zug der Nasen, dem lieblichen Suadamund, blühenden Oval der Wangen und hohem üppigen Wuch'e 2c,« (Das heiß ich Kunst! mit einem Pinselwurf zwei Gesichter gemahlt, ein Männlein und ein Fräulein!)

Der Fürst muntert die beiden Künstler auf, ihr unterbrochnes Gespräch fortzusehen; der alte Baumeister hat kaum vorgebracht, daß von der Menschenstimme die Rede war und Hildegard er greift das Wort und spricht drittehalb Seiten lang in Einem Athem fort, von dem vorzüglichen Werth der Musik, von der Nachlässigkeit der Fürsten in Beförderung ihrer wahren Anwendung, von der

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