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chen; er hat sicher ein Gedicht schreiben wollen und ein solches zu schreiben gemeint: aber daran kann Niemand zweifeln, daß er seine Absicht verfehlt hat und statt eines lebendigen Gedichtes ein kaltes poeti, sches Prachtstück geliefert hat.

Die Fortlegung im nächsten Stücke.

Christian Felix Weiße.

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(Er ward geboren zu Annaberg im Erzgebirge, d. 28. JQnuar 1726. und starb, als Kreis - Steuer - Einnehmer, zu Leipzig, d. 16. Dec. 1804.)

Die Dichter, fagt man, find die treuesten Bewah,

rer der Zeiten und ihrer Sitten, und drückt damit eine nichts weniger als unrichtige Erfahrung aus ;aber die Zeit, könnte man hinzuseßen, ist felten die Bewahrerinn der Dichter und ihres Rühms, und man håtte ebenfalls eine gültige Erfahrung ausgesprochen. Nicht bloß das falsche und erschlichene Verdienst geht in billiger Vergessenheit unter; auch der wahre und mit Recht verehrte Dichter vermag nicht immer die frühern Ansprüche zu behaupten. Kein Wunder, sagt man, daß er einst gefiel. Seine Blüthe traf in die Tage der werdenden Poesie und des allmählig erst sich entwickelnden Geschmackes, in Tage, wo er selbst Muster und Vorbild war, und schwache Versuche, weil der Maßstab der Verglei, 7. B. 2. St. Bb.

chung fehlte, für das höchste erreichbare Ziel galten. Wåre er später geboren, nimmermehr würde er die großen unser Zeitalter verherrlichenden Genien ein holen, geschweige sie übertreffen.

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Es ist sehr natürlich, daß dieser Gedanke bey dem Nahmen eines Dichters erwacht, der unter den Wiederherstellern des guten Geschmacks in Deutsch. land einen so ehrenvollen Plaß einnimmt, dèr seit einem halben Jahrhunderte auf dem deutschen Parnasse genannt wird und mehrere Jahrzehende die Zierde der deutschen Bühne gewesen ist. Der laute bittre Tadel, der Sohn des aumaßenden Zeitalters, hat ihn zwar nicht, wie mehrere feiner ihm an Jah, ren und Verdiensten gleichen Freunde, verhöhnt, davor hat ihn sein friedlicher Sinn, die kindliche Einfalt seines unbefangenen Herzens und die Anspruchlosigkeit, die stete Gefährtinn feines Lebens, be wahrt, aber empfunden hat er darum doch die Wandelbarkeit der Denkungsart oder der Laune der Zeitgenossen und sie um so gewiffer empfunden, je unmittelbarer der dramatische Dichter mit dem Publicum zusammenhẳngt und die Aeußerungen des leßtern auf den erstern zurückwirken müssen. Um so lieber gewinnt man ihn, wenn man, in den Vorreden zu der jüngsten Ausgabe seiner theatralischen Werke, ihn selbst über die frühern und spåtern Schicksale,

die er, als dramatischer Dichter, erfuhr, sprechen hört. Weit entfernt, in dem verminderten Antheile an seinen Schauspielen Verkennung oder Undankbar, keit zu finden, leitet er ihn vielmehr mit eben so viel Unparteylichkeit als Bescheidenheit aus dem verån. derten Tone der Zeit und den gesteigerten Foderungen der Zuschauer her. »Ich wagte," fagt er von seinen Trauerspielen, „Eduard und Richard dem Dritten, und fand gütige Richter. Ihr Beyfall munterte mich zu mehrern Versuchen in verschiedenen Gattungen auf. Ich gab auf das Urtheil des Publicums Act). tung, weil ich Ehrfurcht für daffelbe trage, und ich fuhr fort, weil ich es mir günstig fand. Wenn der Beyfall, den meine Stücke bey ihrer ersten Erschein nung fanden, auch nicht ganz verdient war, so ist er mir doch schäßbar, indem er mich auf einer Laufbahn erhielt, wo ich doch gewiß etwas Gutes habe thun können, wenn ich gleich nicht das höchste Ziel der Vollkommenheit erreicht habe." Und von seinen Lustspielen schreibt er unter andern: „Die Gattungen der lustigen und rührenden Komödie mit allen ihren man» nigfaltigen Mischungen und Unterarten haben zu al len Zeiten die Meinungen des Publicums getheilt, uud noch mehr hat seine Gunst, in Absicht derselben, von einer Zeit zur andern abgewechselt. Moliere, Destouches, Marivaux, St. Foix, Greffet, Diderot, jeder von diesen hat eine Zeitlang auf der Bühne ger

herrscht, und jeder ist wieder von einem andern verdrångt worden." Was könnten wir, bey der Schilderung seines poetischen Charakters, besseres thun, als diesen Wink auffassen und verfolgen? Sein dramatisches Verdienst wird am richtigsten gewürdigt, wenn man bestimmt, was das deutsche Theater vor ihm war, und wie viel es durch ihn gewann, und gewiß nicht gefährdet, wenn man am Schlusse der Untersuchung noch einen vergleichenden Blick auf Ehmahls und Iht wirft.

Zwar was den Zustand der deutschen Bühne, ehe Weiße und Leffing sich ihrer annahmen, betraf, so bedarf es hier keiner umständlichen Schilderung, – die ohnehin nicht sehr ́anziehend ausfallen dürfte, sondern bloß, um des Zusammenhangs willen, einer kurzen Erinnerung an die Vergangenheit. Die verfus inopes rerum nugaeque canorae waren auf der deutschen Bühne in den drey ersten Jahrzehenden des verflossenen Jahrhunderts ganz eigentlich an der Tas gesordnung. So genannte Helden- und Staats. Actionen, in spanischem Geschmacke, Opern voll lohensteinischen Schwulstes, und Burlesken, größtentheils aus dem Stegreif, füllten damahls ausschlie. Bend den Schauplah und machten abwechselnd das Vergnügen der Zuschauer. So fand es Gottsched, als er im Jahre 1728 sich an die Neuberinn, die

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