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Nec veni, nifi fata locum fedemque dediffent o). Aber diese unaufhörlich nur in veränderter Wendung wiederkehrende Antwort, - wer kann fie lesen, ohne sich zugleich zu erinnern, daß Juno hierauf långst schon bündig und auf eine alle Klügeleyen erschöpfende Weise (X. 65. 66. 74—80.) erwiedert hat p) :

Aenean hominum quisquam diuumque fubegit
Bella fequi, aut hoftem regi fe inferre Latino?
Indignum eft, Italos Trojam circumdare flammis
Nafcentem, et patria Turnum confiftere terra: 1
Cui Pilumnus auus, cui diua Venilia mater.

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Quid face Trojanes atra vim ferre Latinis?

Arua aliena jugo premere, atque auertere praedas?

•) Nimmer kam ich, beschied das Geschick nicht Ort mir und Wohnfig.

P) Hat den Aeneas ein Gott, ihn der Sterblichen einer

gezwungen,

Krieg zu bereiten, und Kampf dem Konig Latinus zu

Wie? dem Italer ist es entehrend,

biethen? Flammen ins neue

schüßen,

Troja zu werfen, dem Turnus, die Vatererde zu

Ihm, der Göttinn Venilia Sohn' und Pilumnus Entsproßnen?

Aber den Troern ziemts, mit dem Schwert die Latiner zu würgen?

Fremdes Gefild mit dem Joch zu belasten, und Raub zu erbeuten?

Quid foceros legere, et gremiis abducere pactas?

Pacem orare manu, praefigere puppibus arma?

Es ist wohl möglich, daß die Römer das hohe allge waltige Schicksal, ohne welches sie nie das Welt be. herrschende Volk geworden wären, durchaus an sei ner Stelle und Jupiters Befehl zur Abreise von Afri. ka ungemein natürlich und schicklich fanden. Allein für uns, die wir nur allgemeine, nicht römische AnFichten zur Lesung des Gedichtes mitbringen, kann das virgilische Schicksal schwerlich etwas anderes feyn, als ein dichterischer Nothbehelf, und selbst dieser ist nicht von der glücklichern Art. Es ist nicht nur klar, daß Kreusa einzig darum stirbt, damit das Schicksal sich geltend machen und dem Wittwer in Lavinien eine zweyte Braut bestimmen könne; es ist eben so einleuchtend, daß diese durch das Schicksal veranstaltete und endlich zu Stande gebrachte Ver. bindung größtentheils zwecklos ist. Der Sohn, für den Aeneas eigentlich arbeitet und gründet, ist ja Kreusens Sohn und wird nach Italien gebracht, nicht dort geboren. Wozu entzweyt sich der Vater mit dem Turnus und verfeindet sich mit Amaten, da er

Ihnen, sich Schwäher zu wählen, Verlobte dem Schoof
zu entführen?

Frieden zu fliehn mit der Hand, von dem Schiff mit
Waffen zu drohen?

in der That keine Frau, sondern bloß ein Stück Lans des bedarf, um alle seine Wünsche erfüllt zu sehn und dem Askanius einen festen Siß zu bereiten?

Wenn den epischen Dichter das Glück in der Erfindung und Anlage feines Werkes nicht begünftigt, so erwartet man mit desto größerm Rechte von ihm, daß er seine Leser auf eine andere Weise für die erlittene Einbuße entschädigen werde; und wie und wodurch könnte er dieser Erwartung besser Genüge leisten, als durch die Aufstellung anziehender Cha raktere? Wir wollen untersuchen, in wie fern dieß in der Aeneis geschehen ist.

Unter den Helden des Gedichts ist natürlich Aes neas derjenige, der am häufigsten, aber ich zweifle, ob

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auch am vortheilhaftesten erscheint. In der That, je aufmerksamer ich seinen Charakter betrachte, je mehr überzeuge ich mich, daß es ihm gerade an der Ei. genschaft fehlt, an der es einem Helden nie fehlen follte, an Selbstständigkeit und innerer Kraft. Durch die ganzen sechs ersten Bücher der Aeneis hin. durch handelt er eigentlich gar nicht, oder wenn er handelt, fo geschieht es immer auf Befehl und Antrieb der Götter, ja nicht selten lassen sich diese selbst herab, um zu thun, was ihm obliegt oder durch ihn bewirkt werden sollte q). Der Antheil, den wir an

9) Man erinnere sich unter andern der Anstalten, die Ve

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dem Inhalte jener Bücher nehmen, fållt daher weni

ger auf den Helden, als auf die Begebenheiten und Abenteuer, die uns erzählt werden, und ist offenbar mehr eine Folge der erregten Neugierde, als der be lebten Furcht oder Hoffnung. Es ist allerdings an ziehend, den Untergang Troja's aus Aeneas Munde zu vernehmen; es ist unterhaltend, ihn auf seinen vieljährigen Reisen, und Herumirrungen zu begleiten; es ist belohnend, die Leidenschaft, die in Dido's Hera jen tobt, von ihrem ersten Entstehen an bis zu ihrem Uebergang in Verzweiflung zu verfolgen; es ist enda. lich lehrreich und angenehm zugleich, zu den Schat. ten der Unterwelt hinunterzufteigen und unter ihnen zu wandeln; aber wer könnte läugnen, daß wir bey, allen dem nur wenig von dem Helden zu sehen be kommen und, so oft wir auch an ihn erinnert wer den, doch nur eine sehr allgemeine Kenntniß von ihm erhalten. Als thätig, eingreifend und wirkend zeigt sich Aeneas offenbar erst in den spåtern Gesången der Aeneis. Hier erft hören wir nicht bloß von ihm, sondern sehen ihn; hier erst spricht er nicht bloß von verrichteten Thaten, sondern verrichtet deren selbst. Indeß hat es so gar mit diesen feinen Kraft- Aeuße« rungen eine ganz eigene Bewandniß. Nie erinnert

nus (1. 657.) trifft, um der Dido Liebe für den Aeneas einzuflößen.

Virgil lebhafter an fein Vorbild, als hier, und nie wird diese Erinnerung nachtheiliger. Von allem, was Aeneas beschließt und ausführt, scheint so wenig aus ihm zu kommen und aus eigenem Antriebe zu geschehen. Immer scheint er dieß und jenes nur darum zu thun, weil es dieser und jener homerische Held auch that, immer nicht so wohl sich und seinen Charakter zu befragen, als vielmehr auf die Helden, die in den Ebenen von Troja ftritten, und auf die Thaten, durch die sie dort sich unsterblich machten, Rücksicht zu nehmen. Man glaubt überall in seiner Rolle das Angelernte und in seiner Handlungsweise das von andern Entlehnte zu erblicken; ja es fällt dieß nur um so stårker auf, je mehr er sich, wenn der Ausdruck vergönnt ist, aufrafft und die heroische Seite zeigt. So ungegründet nähmlich, in Bezug auf die homerische Kriegswelt, der Vorwurf ist, daß Vir. gil in feinem Aeneas uns mehr den Soldaten als Feldherrn vorführe, so viel Wahres enthält die Beschuldigung, wenn man sie in Beziehung auf Aeneas Charakter denkt. Der hervorstechendste Zug, der sich in diesem offenbart, ist wirklich der, welchen der Dich ter durch das immer wiederkehrende Beywort pius bezeichnet, Gottesfurcht und Achtung dessen, was Pflicht ist. Ich will nicht untersuchen, ob und in wie fern es überhaupt rathsam war, an einem Hel.

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