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P. Virgilius Maro.

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(Er ward zu Andes, einem Flecken im Mantuanischen, den 15 Oct. im Jahre Roms 684 (70 J. v. Chr.) unter M. Licinius Crassus und Cn. Pompejus des Großen Confulate geboren und fiarb, auf der Rückreise aus Griechenland, wohin er sich, um die lekte Hand an die Meneis zu legen, begeben hatte, nach einigen, zu Brundus, nach andern, zu Tarent, den 23. Oct. im J. R. 735. (19 J. v. Chr.) unter C. Sentius Saturninus und Q. Lucretius Vespilo Confulate, im zwey und funfzigsten Lebens Jahre. Seine Blüthe fdut in die Regierung Augufts.)

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Es ist eine Erfahrung von eigner Art, die man

macht, wenn man die kritischen Urtheile, die, seis Quintilian, über den ersten der römischen Dichter gea fällt worden sind, der Reihe nach, mustert: denn so sehr man im voraus darauf gefaßt ist, in einem Gen richtshofe, dessen Entscheidungen nicht von bestimma ten Begriffen ausgehn, die Meinungen getheilt zu fins den, so ist gleichwohl die Verschiedenheit, die in den Aussprüchen über den Werth und Charakter Virgils herrscht, zu groß, um nicht von ihr befremdet zu wer den. Aber fast noch betroffener fühlt man sich, wenn man von der Lesung dieses Dichters zurückkehrs- und 7. B. 2. St.

es versucht, sich über die Eindrücke, die man aus feinen Werken empfangen hat, mit sich selbst zu ver. ständigen und die verworrenen Gefühle in deutliche Vorstellungen zu verwandeln. Hier glaubt man der Wahrheit, und dort der Achtung gegen ihn etwas zu vergeben. Bald fürchtet man auf das eine feiner Werke zu viel und auf das andere zu wenig Gewicht zu legen. In der einen Rücksicht kommt man sich zu gelind und in der andern zu strenge vor. Ich gestehe, daß diese Erfahrung in dem Augenblicke, wo ich meine vielfachen Bemerkungen über den Dichter unter allgemeine Gesichtspunkte zu ordnen suche, die meinige ist. Ich sehe ein, daß mein Urtheil über ihn ganz anders ausfallen würde, wenn von seinen Ge dichten einzig das über den Landbau, und wieder an ders, wenn, statt aller, bloß die Aeneis übrig geblie ben wäre. Ich empfinde es insbesondere lebhaft, wie schwer es ist, bey dem höhern Maßstabe, den man in den neuern Zeiten an die Verdienste Virgils gelegt hat, gerecht und billig zugleich zu seyn. Vielleicht werde ich beyden Foderungen am meisten genügen, wenn ich die Werke des Römers zuvorderst einzeln würdige und von ihnen zu den allgemeinen Bestim mungen seines poetischen Charakters und den Ursas chen, die ihn bildeten, fortgehe.

Unter den Gedichten Virgils begegnen wir zu erst seinen Bukolien, oder, wie sie mit einem ihrem

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Inhalte angemessenern und wahrscheinlich von den Grammatikern herrührenden Nahmen heißen, seinen Eklogen, einer Sammlung, in welcher mehrere Stük. ke feiner frühern Jugend angehören. Wenn einige Kunstrichter diese Versuche unter die Idyllen Theo krits seßten, weil Virgil hier überall als bloßer Nachahmer erscheine, und andere sie über die des Grie chen erhuben, weil die Sprache des Römers um vieles edler, netter und ausgebildeter sey, als die seines Borgångers, so bedachten jene eben so wenig, daß die eine Hälfte von den Eklogen Virgils keine Spur von Nachahmung verrathe, und in der zweyten meh reres so fein Eigenthum geworden sey, daß es der Grieche selbst nicht zurückbegehren dürfe, als diese èrwogen, daß der Ansdruck gewöhnlich so viel an Ein-falt verliere, als er an Schmuck gewinne, und für die bufolische Dichtungsart die Einbuße leicht bedeu. tender seyn könne, als die Eroberung. Offenbar ∙giebt es zwischen den Bukolien beyder Dichter weik bedeutendere Unterschiede, als die bemerkten. Sie aufsuchen heißt zugleich den Charakter der Eklogen Virgils feftfeßen.

Daß die Welt, in welche uns der römische Dichter verseßt, im Ganzen genommen, keine andere fey, als die, aus welcher uns der griechische entläßt, fållt auch bey einer flüchtigen Umsicht ins Auge. Die

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Hirten Virgils wohnen weder in einem verschönerten Arkadien, noch in einem erdichteten Unschuldslande. Der Schauplah, auf dem sie auftreten, liegt durch» aus innerhalb den Gränzen der wirklichen Welt, und die Umgebungen, unter denen sie erscheinen, erinnern nicht an eine idealische Schöpfung, sondern an die wahre Natur. Aber darin unterscheidet sich die Natur, die der frühere Dichter schildert, allerdings von der Natur, die der spätere darstellt, daß wir jene bei ftimmt erkennen, diese hingegen uns erst mehr nach einer selbstbeliebigen Ansicht bilden müssen. Unter den Bukolien Theokrits ist keing, wo uns das Dert liche der Scene und alles, was um und auf ihr vorgeht, nicht so nah, als möglich, vor das Auge ge bracht und nach seinen kleinsten Beziehungen und Verhältnissen bekannt gemacht würde. Wenn der Ziegenhirt den Thyrfis auffodert, das Lied des Daph nis zu singen, so steht sogleich die ganze Gegend, in der sie weiden, die fäufelnde Fichte am Ufer des Duells, der vom Felsen herabrauscht, die Tamarisken am Abhange des Hügels, der Hirtensiß unter der Ulme, den Bildnissen des Priaps und der Najaden gegen über, der Becher, der Lohn des Sångers, mit allen feinen Verzierungen, und, als das Lieb felbft anhebt, der unglückliche Daphnis, mit der trauernden Heerde zu seinen Füßen und mit allen Göttern und Göttinnen, die ihn theils zu trösten,

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theils zu verhöhnen erscheinen, vor uns. So gar das Vaterland des Schiffers, von dem der Becher gekauft, und der Preis, der ihm gezahlt worden ist, find nicht vergessen. Wenn die beyden Hirten, Dan một und Daphnis, die Liebe Galateens zu Polyphem und feine verstellte Sprödigkeit singen, so tritt gleichfam ein bewegliches Gemählde allmählig vor unser Auge. Wir sehen den Cyklopen, forglos flötend, auf seinem Felsen, die Schöne nahe am Ufer hinschwimmend und bald seine Schafe bald seinen Hund mit Aepfeln werfend, den Hund selbst, långs dem Meere, das fein Bild zurückwirft, fie unter lautem Bellen verfolgen und auf den Augenblick, wo sie dem Waffer entsteigen wird, lauern. Wenn in den Thai Iysten der Cydonier Lycidas sich zu den Aerntefeyrern gefellt, so sind die Züge zu feinem Bilde so ungemein forgfaltig gewählt und so glücklich zu einem Ganzen vereinigt, und wenn seine Begleiter auf dem Land. gute ihres Gastfreundes, des Koers Phrasidam, ans langend, fich im Freyen lagern, die Gegend mit allen ihren Reizen so anschaulich geschildert, daß nichts mehr zur Vergegenwärtigung beyder fehlt. Und wem fallen nicht aus den eigentlich mimischen Stücken Theokrits, aus der Pharmaceutria, der Liebe Cynis. ka's und den Syrakuserinnen, jene mahlerischen Be fchreibungen ein, von denen es ungewiß ist, ob sich ber Gegenstand, oder das Talent des Dichters treuer

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