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wird es vielleicht nicht unwahrscheinlich finden, daß Aristophanes darauf ausging, die enthusiastischen Bewunderer der euripideischen Dramen ein wenig ab. zukühlen, und seine Parten nicht ermangelte, dieß Vorhaben, so viel sie vermochte, zu unterstüßen.

Bey weitem auffallender ist die Kühnheit oder vielmehr die Unverschämtheit, mit welcher der Komis ker in den Wolken gegen den Sokrates auftritt und ihn zum betrüglichen Sophisten und schädlichen Bürger umschaft: denn ob wir gleich aus des Dichters eige= nem Berichte q) wissen, daß er sich in der Hoffnung, durch die Wolken fein Glück zu machen, getäuscht sah, und die Athenienser dießmahl den Preiß seinen Mitkämpfern, Kratinus und Amipstas, zuerkannten, so ist es doch nur zu gewiß r), daß das Urtheil nicht darum ungünstig ausfiel, weil man ihn für das an einem Unschuldigen begangene Unrecht strafen wollte, sondern, weil man die Scherze seiner Nebenbuhler unterhaltender und belustigender fand, als die seinigen.

'heit, zurückfoderten und, als diefer sie nicht verabfols gen ließ, dem Dichter ein Cenotaphium errichteten. Barnes in Vit. Eurip. §. 32.

4) Man lese das Bekenntniß, das der Chør in den Wols. fen .518-527 ablegt.

r) Theils aus der eben angezogenen Stelle, theils, weil der Dichter sich Hoffnung machen durfte, durch eine weyte umgearbeitete Vorftellung der Wolken, den Preis, den man der erßten versagt hatte, zu erhalten. 7. B. 1. ēt.

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In der That, was man auch von dem Umfange demokratischer Freyheit, und von der Unschädlichkeit der vom Theater ausgehenden Meinungen und Spóttereyen und dem geringen Einflusse beyder auf das Publicum sagen mag, immer würde es unbegreiflich bleiben, wie Aristophanes nicht nur, ohne Furcht fich der allgemeinen Verachtung Preis zu geben, diese Anfälle auf einen seiner edelsten Mitbürger wagen, sondern so gar sich eine zweyte und glücklichere Vorstellung der Wolken versprechen durfte, wenn die Athenienser den Sokrates so geehrt und ihn in diesem reinen Lichte erblickt hätten, wie seine vertrauten Freunde und Schüler. Aber gerade dieß ist es, was ich bezweifle. Ein Schwärmer, und wäre er auch ein Schwärmer von der edelsten Art, erlaubt sich immer Abweichungen von dem Gewöhnlichen, und verliert dadurch in den Augen der kåltern und gemei. nen Sterblichen. Leider kennen wir den Sokrates nur aus den verschönernden Gemåhlden eines Plato und Xenophon, indeß geht aus diesen so manches hervor, was Befremden erregt und auf einen feltsamen Mann hindeutet. Die Leitung eines unsichtbaren Genius, beren der Weise sich zu erfreuen glaubte, seine Zurückgezogenheit und Versenkung in sich selbst, die so gar im Lager tagelang dauerte und allen seinen Zeltgenos fen auffiel s), seine Unterhaltungen, deren Gegenstand, s) Plato im Sympos. Tom. X. p. 267. Ed. Bip. Syinpos.\

Zweck und Wendungen sich durch so viel Eigenthüm. lichkeiten auszeichneten, sein vernachlässigtes Aeußere und sein in vielen Hinsichten ungewöhnliches Betragent), alles dieß mußte ihm nothwendig in den Augen der Menge den Anstrich eines Sonderlings geben und sie geneigt machen, den Spott, der über ihn ausgegossen würde, Frrechtlund billig zu nennen. Schon haben kluge Ausleger mehrere auf Sokrates Ton und Lehrärt sich beziehende Anspielungen in den Wolken entdeckt v) und es ist nichts gewisser, als daß noch viele ähnliche in ihnen versteckt liegen, die hervorgezogen zu werden verdienen und sich nicht länger verbergen werden, wenn man aufhört, den Sohn des Sophroniskus als ein überirdisches Wesen zu denken. Noch mehr. Wer mag behaupten, daß er sich immer so vorsichtig über Gott und göttliche Dins ge ausgedrückt habe, wie die Klugheit und Schonung, die man anders Denkenden schuldig ist, fodern? Ift es nicht vielmehr so gar glaublich, daß sein Enthus Rasmus für Wahrheit und Tugend ihn auch hier zus weilen über die Gränzen, innerhalb welchen stehen zit bleiben Behutsamkeit anräth, hinausführte, und er selbst die Waffen schmiedete, die der Spötter gegent ihn braucht? Man nehme noch hiezu, daß der große

#) Mehrere Beyspiele finden sich am angezognen Orte: v) Man vergleiche, was sie unter andern zum 137. und 150. V. der Wolken erinnern.

Mann in Athen überhaupt schwerlich mehr gekann wurde, als der große Mann in den volkreichen Städ, ten Deutschlands, und ein ansehnlicher Theil von Sokrates Mitbürgern sicher weder wußte, wer So krafes war, noch, was er eigentlich lehrte, und es liegt ziemlich klar vor uns, warum die Wolken den lebendigen Antheil für der Angeschuldigten und den entschiedenen Abscheu gegen den Ankläger nicht her. vorbrachten, welchen wir, die wir einzig den platonischen Sokrates im Auge und Herzen tragen, als nothwendige Folge erwarten.

Noch sind die leßten Eigenheiten. im Aristophanes, die eine Betrachtung verdienen, übrig, — seine Verspottung der Götter, seine ungereimten Erfindungen und sein schmußiger Wiß. Wie konnte man das erste verzeihen, das zweyte belachen und das dritte ohne Aergerniß dulden ?

Ich bin nicht gesonnen, hier weitläuftig zu wiederholen, was ich selbst x) und andere auf diese Fragen zu antworten versucht haben. Man ist ziemlich übereingekommen, daß der wahre Grund jener Erscheinungen in dem Charakter der griechischen Göt, ter, den man nie anders als menschlich dachte, in der Trennung der gottesdienstlichen Verehrung vom

x) In'ber s'en angezogenen Abhandlung,

religiösen Glauben y), in der Bedeutsamkeit der griechischen Chöre und der Fruchtbarkeit der in ihnen enthaltenen Allegorien, in der Absonderung der beyden Geschlechter und dem dadurch verhinderten wohlthätigen Einflusse auf die Sitten, in der nach Zeit, Volk und Umstånden sich ändernden Würdigung des Anständigen und Schicklichen z), in dem dreiften,

y) Eine Aeußerung Brumoy's in Théâtre des Grecs vers dient hier eine Stelle. Les Payens, heißt es Tom, XIII, p. 440, avoient donc leurs fables qu'ils distinguoient fort de leur religion, Hé qui fe perfuadera qu'Ovide ait prétendu expofer dans fes Métamorphofes la religion des Roniains? On paffoit donc aux poëtes leurs imaginations fur les dieux, comme des chofes qui n'intereffoient en rien le culte reçu. Sur ce principe, je l'ai dit et je le répéte, il y avoit chez les payens deux fortes de religions, une religion poëtique, et une religion réelle; une religion de théâtre, et une religion de pratique ; une mythologie pour la poëfie, et une théologie pour l'ufage des fables en un mot, et un culte tout différent d'elles, quoique fondé fur elles.

2) Ein anderer Franzos Levesqur in einem Mémoire fur Ariftophane (Mémoires de l'inftitut national des fciences e arts, Litterature et Beaux-arts. Tom. I. Paris, an. 6.) erläutert diesen Punkt aus der Sittens geschichte feines Volks nicht übel. D'ailleurs, sagt er p. 364, ce n'eft qu'avec le temps et par les progrès d'une politeffe hypocrite, que les peuples fe foumettent aux loix d'une févère décence. Remontons feulement parmi nous jusqu'au tems de Français Ier et de fon fils; nous verrons les hommes et les femmes de la cour lire le fameux ouvrage de Rabelais,' cet auteur fi comique et en même temps fi fameux

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