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Zacharid. Den dir von fern die zackige Tanne bezeichnet. Bon

Abhang

Laß die Blicke von da weit in die Gegenden schweifen,
Die mit dem lehten scheidenden Strahl die Sonne vers

güldet.

Welch ein hoher Prospekt! Tief in dem freundlichen
Schußze

Hoher vertraulicher Linden entdeck' ich ruhige Dörfer;
Und der Meierhof guckt nur halb aus Erlengebüschen.
Dort dehnt sich die prächtige Stadt am schlängelnden
Strom aus,

Und verhüllet ihr Haupt in dunkler werdenden Wolken.
Einzelne Rosse weiden nur noch auf sumpfigen Wiesen,
Und ihr Hüter entweicht zu einem schirmenden Eichs

baum,

Wo er nunmehr den schlafenden Funken zur lodernden
Glut weckt,

Und sich die schleichende Zeit mit einem Gesange verkürs

zet.

Liebst du vielleicht noch tiefere Stille, so steige herunter
In das melancholische Thal, wo hangende Felsen
Ueber den See sich geneigt, und Eschen am dden Ge

stade

Mit dem Westwind in stetem Geschwäß die Stunden
dir kürzen :

Ein gesicherter Ort vor aller Verfolgung der Thoren,
Und die Zuflucht für die, die gern die Eindde lieben,
Und, in ruhigen Tiéfsinn versenkt, der unsterblichen
Seele

Unterredungen hören von Großmuth und himmlischer

Tugend;

Wenn nicht etwan ein weiser Gesang von würdigen
Dichtern

Ihr Gedächtniß erfüllt, und sie in süßer Entzückung
Engelstimmen vernehmen, die ihre Geister erheben.
Diesen entlegenen Ort liebt auch der traurige Jüngling,
Welcher sein Mädchen beweinet, zu früh vom Tod ihm

entriffen.

Die romantische Gegend, die tiefe schauernde Stille

Las

Ladet voll Mitleid ihn ein, und schmeichelt seiner Bes, Zacharia.

trübniß.

Dann erscheinet vor ihm der Theuresten Todtenurne,
Die er umarmt mit stürmischen Thrånen und zärtlichen

Seufzern.

Oder er hört noch entzückt die süße harmonische
Stimme

Und sieht ihre verklärte Gestalt ihm lächelnd vorbei:

gehn,

Bis das Traumbild entfliehet, und seine Vernunft sich
erhellet.

Und doch ist er glücklicher noch, als jener Verlaßne,
Welcher noch mehr als den Tod die Untreu des
Mädchens beweinet!

Sein gefoltertes Herz scheint in der traurigen Wüste
Einige Ruhe zu finden, ihm sind die hangenden Fels

sen,

Und das grausende Thal, ein sympathetischer Anblick,
Denn ein Eden würde noch mehr in Schwermuth ihn

stürzen.

Unter dem Einfluß von gütigern Sternen ist jener

gebohren,

Welchen, mit seiner Geliebten vereint, ein heiterer

Abend

Unter die Schatten begleitet, wo Ruh und Sicherheit
lauschen.

Welche Zärtlichkeit blickt aus ihren begeisterten Augen!
Dieser harmonische Zug, der ihre Seelen gefesselt,
Steigt in die Mienen empor, und lispelt aus jeglichem
Worte.

Auf sie schüttet der spielende West die reinesten Düfte,
Lieblicher hauchen die Rosen um sie, und lieblicher lies

gen

1

Alle Hügel umher, die ihre Schritte besuchen.

Aber wer kann die Wollust beschreiben, nur Sterblichen
fühlbar,

Deren erhabner Geist aus feinerem Aether geformt ist?
Leihe mir deinen Gesang, du, die du jeht unter dem

Schatten

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Zacharid. Mit dem zaubrischen Lied die einfame Gegend erfreut. Könnt ich, Philomele, wie du, mit mächtigen Accen:

ten,

Welche die Liebe beseelt, die glückliche Liebe besingen!
Wie entzückt dein holder Gesang ein fühlendes Herz

nicht,

Wenn du am Abend aus schlummernden Lauben dem
horchenden Westwind

Deine Seufzer verhauchst, und tief im ruhigen Walde
Den erwachenden Wiederhall lehrst, bis schmachtende

Triller

Immer sterbender sich mit lispelnden Lüften vermischen!
Alsdann drückt mit frohem Entzücken der glückliche
Jüngling

Seiner Schöne die Hand, und kennt nichts, was er
beneidet.

Gisele.

1

Gisele.

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S. B. II. S. 386. Nach seinem Tode und ohne seinen Namen ist zu Braunschweig 1769. gr. 8. das Glüď der Liebe, in drei Gesängen, abgedruckt worden, welches zu viel schöne Stellen enthält, um, als Gelegenheitsgedicht, wie es nach seiner ersten Bestimmung war, vergessen zu wers den.

Der Inhalt des ersten Gcsanges ist die Verbreitung der Liebe durch die ganze Natur, und ihr Vorzug in der menschlichen; der zweite Gesang, der hier fast ganz mitges theilt wird, schildert die verschiednen Arten und Aeußerung gen der Liebe; und der dritte beschreibt das Glück derer deren Liebe durch eheliche Verbindung gekrönt wird.

Das Glück der Liebe.
Ges. II.

Es hat die Liebe mehr als Einen Weg,
Des Jünglings Herz zu überwältigen.
Den einen fällt sie schnell. Der erste Blick
Der Schönen, die er lieben soll, vollführt
Den ganzen Sieg mit Einem Angriff. Er
Hångt unverwandt mit seinem Aug an ihr.
Sein Fuß steht angeheftet, wo er steht.
Ihm bebt die Hand. Ihm wankt das Knie.
Mund

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Versucht zu reden, und kaum stammelt er.
Er fühlt sich nicht. Er sieht und hört nur sie.
Doch wenn aus der Betäubung endlich sich
Die müde Seel erholt; wenn mit der Nacht
Die Einsamkeit und die Betrachtung kömmt,
Sie aufzuwecken, dann ruft ihm ein Geist
Des Himmels zu: du liebst, Beglückter! Dir
Weissagt dein klopfend Herz, daß Sie es ist
Die dich beglücken soll! Verdiene Sie!

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Sein

Ein

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Ein andrer fühlt die siegende Gewalt
Der Liebe spåter, aber gleich so stark.
Vorwißig und voll Stolzes mengt er sich
In aller Schönen Reihen, schwärmt um sie
Mit flatterhaftem Leichtsinn, und hålt sich,
Weil er noch keine Wunde fühlt, dem Sohn
Der Thetis gleich, für unverleßlich. Er
Weiß nicht, daß in der Schönen Reihen er
Auch die umschwärmt, die seinen Leichtsinn balb
Mit starken Banden ewig fesseln soll.

Er naht sich fröhlich der Gefahr, die ihm
Das Lächeln ihrer Wangen, und des Blicks

Voll Wiz und Schalkheit droht. Er wagts und spielt
Mit jedem Pfeil der Liebe kühn, bis sie
Durch einen alle råcht. Er blutet schon,
Wenn er noch ungestraft zu spielen glaubt.
Die Wangen, die so lang' unschädlich ihm
Nur Anmuth lächelten; der Blick voll Wit
Und Schalkheit, der nur jugendlichen Scherz
Und Fröhlichkeit verstreute rings um sich;
Die ganze blendende Gestalt, die er
So gern bewundert, und die nie von ihm
Mehr, als Bewunderung, zu fordern schien;
Verwandeln sich in einem Augenblick,
Und fordern Lieb, und ernste Huldigung,
Und nöthigen dem Auge, das vertraut
Mit ihnen spielte, stille Thränen ab.
Die Freuden seiner Jugend, und der Scherz,
Die sorgenfreien Stunden werden ihm

Zu Quellen nie empfundner Schmerzen. Schon
Verseufzt er seinen Tag, durchwacht die Nacht,
Und klagt, wo ihn kein fremdes Ohr vernimmt.

Oft ist es, wie der kalte Denker wähnt,
Ein leeres Nichts, das sein Geschick verkehrt,
Oft eine Stellung, oft ein Anpuß nur,
Der seiner Schönen Reiz ihm siegender
Und unverdeckter darstellt, oder ihn
Berråthrischer, und vortheilhafter, halb
Bor ihm verbirgt, und ihn so sehr durch das,

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