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nennt er denjenigen, der seinem Besitzer eine Revenue einbringt, indem er bei ihm verbleibt, wie der Webstuhl des Webermeisters. Ferner sagt er, dass nicht unter allen Verhältnissen das Abwerfen eines Einkommens einen Güter'vorrath zu einem Kapital mache; denn ein vermiethetes Wohnhaus trage auch einen Miethzins ein und sei doch, weil ein Wohnhaus zum Consumtionsvorrath der Nation gehöre, kein Kapital. Endlich behauptet er *): „, Der gesammte ,, Gütervorrath eines jeden Landes oder eines jeden Staates ,,sei dem aller ihrer Einwohner oder ihrer Mitglieder gleich , und theile sich natürlicherweise auch in jene drei Güter,, vorräthe ab, von denen ein jeder seine besondere Function ,, oder Dienstleistung zu verrichten habe."

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Es bedarf nur einer einigermaassen aufmerksamen Betrachtung dieser Sätze, um den Widerspruch zu gewahren, woran sie leiden. Ist es denn wirklich, ist es denn wahr, dass das Kapital eines Landes, oder das einer Nation, mit der Zahl der Kapitalien ihrer Gesellschaftsglieder eins und dasselbe ist? Trägt denn das Kapital der Nation, oder besser aller Nationen als Ganzes, nicht eine ganz andere Natur, als das eines einzelnen Individuums an sich?

Als Beweis der Richtigkeit unseres Einwandes lassen wir Ad. Smith selbst sprechen:

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1),, Das Circulationskapital einer Nation", sagt er (Bd. II. K. I. p. 22),,, ist darin von dem eines Individuums unterschieden, dass das eines Individuums niemals einen Theil ,, seines Einkommens zu bilden vermag und dass dies letztere vielmehr nur aus seinem Kapitalgewinn entstehen kann. ,, Aber dessenungeachtet ist doch ein Circulationskapital eines ,,Individuums, obwohl es einen Kapitaltheil der Nation bil,,det, zu dem dies Individuum gehört, nicht ausgeschlossen, ,, auch zugleich einen Theil des reinen Einkommens, eine Revenue der Nation zu bilden."

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*) Bd. II. K. I. p. 8.

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2) Auch sagt Ad. Smith ausdrücklich, dass es Güter gibt, die wohl Privatkapitale, aber kein Nationalkapital sein können. Obwohl nun", sagt er,,, ein Wohnhaus seinem ,, Eigenthümer ein Einkommen gewähren und ihm dadurch ,, die Stelle eines Kapitals vertreten kann, so kann es doch ,, dem Gemeinwesen keines bewilligen und ihm nicht als Kapital dienen, und das Einkommen des gesammten Volkes kann nie dadurch vermehrt werden." (Bd. II. K. I. p. 9.)

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3) Auch fasst jedes Individuum schon eine werbende Geldsumme als ein Kapital auf und betrachtet als ein Kapitaleinkommen, wenn es aus seinen verkauften Waaren mehr Geld erlöst, als sie gekostet haben; die Nation, oder alle Nationen zusammen im Ganzen und Grossen aber sehen ihr Kapital nicht in einer Geldsumme und ihren Kapitalgewinn nicht in einer grösseren Geldsumme, weil nur eine grössere Quantität Güter und nicht ein grösserer Tauschwerth sie reicher macht. Dies hat auch Ad. Smith selbst eingesehen. ,, Die Erhaltung und Vermehrung des Gütervorraths", sagt er,,, welcher zur unmittelbaren Consumtion bestimmt ist, ,, ist das einzige Ziel und der einzige Zweck des fixen und ,, circulirenden Kapitals. Dieser Gütervorrath ist es, der das Volk nähret, kleidet und behauset.“ (a. a. 0.)

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4) Zuletzt haben wir noch die Inconsequenzen zu erwähnen, die Herrmann (Staatswirthschaftl. Untersuchungen, S. 63) rügt.,, Ad. Smith", sagt er,,,führt das Geld unter dem Kapital der Nation auf und zwar unter dem umlau,, fenden; es ist ihm also eines von den Gütern, die bei dem Fortbestand ihres Werthes Einkommen abwerfen. Gleichwohl sagt er, es vermehre die Masse der Nationalgüter nicht, schmälere sie vielmehr durch die Kosten seiner Unterhaltung."

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Nach J. B. Say ist das Kapital eine abstracte Werthsumme, welche die Production durch ihre Vorschüsse unter

stützt. Er drückt sich darüber also aus*):,, En moins de

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mots, un capital est une somme de valeurs consacrées à ,,faire des avances à la production." Die Grösse des Kapitals wird nach seiner Tauschwerthgrösse bemessen, und wenn auch ein Producent ein weit grösseres Güterquantum als früher, aber nicht denselben Güterwerth erzeugt, so hätte doch eine Verringerung des Kapitals stattgefunden:,, c'est un capital entamé." Dabei ist das Wesentliche des Kapitals, dass es irgend einen nützlichen Dienst thue, der entweder durch ein bezogenes Wertheinkommen, oder durch die selbsteigene Benutzung den Kapitalbesitzer belohne.

Nach dieser Ansicht bestimmt nicht, wie nach Ad. Smith, die Natur der das Kapital bildenden Güter, sondern deren, Tauschwerth das Wesen des Kapitals; auch ist es unwesentlich, ob ein solches Kapital durch seinen productiven Dienst viel oder wenig Consumtionsgüter für die Nation erzeugt, wenn es für seinen Besitzer nur einen grossen Tausch werth ergibt. Say nennt deshalb auch die werthvolle Arbeitskraft, weil sie schon dem Arbeiter einen Arbeitslohn einbringt, ein Kapital. Da hiernach das Kapital nicht als Nahrungsquelle der Nation betrachtet und schon einem jeden Gut, das wiederholt einen nützlichen Dienst zu leisten vermag, die Kapitalnatur zugeschrieben wird, so spricht J. B. Say auch von einem Nutzkapital, von,,capitaux immédiatement productifs d'utilité et d'agrément."**)

Hiergegen machen sich folgende Bedenken geltend:

1) Dass diese Definition nur auf das Privatkapital passt,

*) Cours d'Econom. Polit. Part. I. Ch. X. p. 130. **So sagt auch Herrmann (a. a. O. S. 59):,,Kapital, Stamm"gut, jede dauernde Grundlage einer Nutzung, die Tauschwerth hat." So auch Garnier (Éléments d'Economie Polit. Part. I. Sect. II. K. 5. §. 1). Die Kapitaldefinition von Ad. Smith ist mehr oder weniger von Rossi, J. S. Mill, Baudrillard u. s. w. vertreten; die von J. B. Say aber von Mac Culloch und von vielen Andern.

da das Merkmal des Tauschwerths offenbar in dem Begriff des Nationalkapitals keine Rolle findet. Auch ist die Grösse des Tauschwerthes kein Maasstab für die Grösse des Nationalkapitals. Eine Nation, oder alle Nationen zusammen, bemessen ihr Einkommen und ihren Reichthum nicht nach dem Maasse des Tauschwerthes, sondern nach der Quantität, Qualität und Varietät der ihnen zur Consumtion dienenden Güter.

2) Wenn der Tauschwerth das Wesen des Kapitals bildete, so könnte in der Naturalwirthschaft, wo noch kein Geld und kein Tauschwerth vorkommt, auch noch kein Kapital existiren, was allen Thatsachen widerspricht.

Weder Smith noch Say haben übrigens berücksichtigt, dass wenn von einem wirthschaftlichen und nicht von einem geistigen, moralischen oder persönlichen Kapitale die Rede ist, man nur von matériellen und veräusserlichen Gütern und nicht von immateriellen unveräusserlichen sprechen darf, und dass also die Arbeitskraft und die erworbenen Talente, Handelsmonopolien u. s. w. keine Kapitale sein können.

Diese von den grossen Meistern der Wissenschaft gelassenen Lücken machen für jeden Denkenden das Bedürfniss einer Revision der Kapitalienlehre klar. Die erste Frage, die man sich dabei zu stellen hat, ist die: Wie sind die Irrgänge, in welche Andere gerathen, zu vermeiden, wo ist der Leitfaden, der zur Quelle des Kapitalbegriffs führt und an dem wir festzuhalten haben, aufzufinden? Welche sind die wesentlichen und welche die unwesentlichen Merkmale des Kapitals? Die Antwort ist die: Wenn es die Aufgabe der Wissenschaft ist, die in der Aussenwelt bestehenden Dinge zu beobachten, zu begreifen und in ihrem Zusammenhange zu erklären und nicht bekannten Dingen fremdartige Begriffe

unterzuschieben, sie dadurch zu verwirren und undeutlich zu machen, so ist der von uns einzuschlagende Weg nicht zweifelhaft. Fragen wir einfach: was versteht man im Sprachgebrauch des gemeinen Lebens unter dem Worte Kapital? Welchen Theil seines Vermögens im engern Sinne begreift der Kaufmann, der Fabrikant, der Gewerbsmann und überhaupt jeder Unternehmer unter seinem Kapital und welchen Theil schliesst er davon aus? Offenbar begreift er unter demjenigen Theil seines Vermögens, den er seinem eigenen Verbrauch oder dem seines Haushalts widmet, mag er in Geld oder in sonstigen Gütern bestehen, nur seinen Consumtionsvorrath; denjenigen Theil seines Vermögens aber, den er der Erlangung eines Gewinnes, eines Wertheinkommens widmet, damit er sich dadurch einen Consumtionsvorrath anschaffen könne, nennt er sein Kapital. Folglich ist Kapital ein Werth stamm, der oft und mehrmals durch seinen Dienst einen Werthgewinn abzuwerfen vermag, wodurch der Kapitalbesitzer sich oft und immer wieder von neuem einen Consumtionsvorrath zu verschaffen vermag. Das Kapital ist demnach für seinen Besitzer eine Nahrungsquelle. Um dies sein zu können, muss es ein sich aufrecht erhaltender Werthstamm sein. Ginge das Kapital in seiner Gewinnerzeugung selbst unter, so wäre es keine Nahrungsquelle. Ein Fabrikant daher, der 100,000 Thaler in seinem Geschäfte anwendet und durch deren Dienst jährlich 10,000 Thaler gewinnt, besitzt ein Kapital, das ihm jährlich 10,000 Thaler Consumtionsvorrath verschafft; ein Spieler aber, der mit 100,000 Thaler zur Spielbank hingeht und nicht durch deren Dienst, sondern durch deren Wagniss dort 10,000 Thaler gewinnt, besitzt, weil diese 100,000 Thaler bei diesem Wagniss früh oder spät verloren gehen, keine Nahrungsquelle in denselben und hat folglich auch bei seinem Gewinn kein Kapital angewandt. Wir nennen deshalb das

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