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letztere heisst es in meinen „, Freundesbildern" S. XII: „Möge die musterhafte Genauigkeit Schöll's künftigen Herausgebern von Briefen zum Beispiel dienen! Mag derselbe auch manchmal, besonders in den spätern Jahren, zu viele, zum Gegenstande weniger gehörende Angaben beigebracht haben, manchmal in der Zeitbestimmung irre gegangen sein, so hat er doch bei der Herausgabe der so oft undatirten Briefe an Frau von Stein ein grosses und schwieriges Werk mit ausgezeichneter Einsicht und grossen Scharfsinn vollendet." Wie stimmt dies Urtheil zu dem Bilde von mir, das Herr Schöll seinen Lesern vorgaukelt! Aber der Herr Geh. Hofrath gehört zu den Leuten, die keinen Widerspruch leiden, und konnte er mir diesem Lobe zum Trotz meine begründeten Einsprüche nicht verzeihen. Zum Danke für jenes Lob griff er mich in den „Blättern für literarische Unterhaltung" mit mehr Eifer als Besonnenheit an; ich hatte aber Ruhe genug, auf eine solche studentenhafte Forderung nicht einzugehen. Auch später urtheilte Herr Schöll nicht günstig über meine Arbeiten, wie sich aus seiner Anzeige meiner Ausgabe der „Briefe von Frau von Schiller an einen vertrauten Freund ergibt, die das „Weimarer Sonntagsblatt" brachte. Ich war ihm nicht fein genug, er vermisste Geschmack und wer weiss was alles für Gaben, deren er sich so sehr erfreut. Ich habe diesen vornehmen Tadel ganz auf sich beruhen lassen und erst nach manchen Jahren in der Vorrede zu dem Werke,,Goethe und Karl August I." S. IV. mir mein Recht verschafft. „Ich kann ihm nicht helfen," heisst es hier von Schöll, „auch jetzt wieder muss ich ihm eine grosse Anzahl von Verschiebungen von Briefen und andern zum Theil wunderlichen Versehen nachweisen, und hierbei zugleich auf die höchst zweifelhafte Stellung vieler dieser Billette hinweisen. Ich verhehle mir nicht, dass ich dadurch Gefahr laufe, den Zorn des Herrn Schöll von neuem hervorzurufen, der so leicht in bittere Gährung geräth, wie neuerdings auch die gepriesenen Meister der Alterthumswissenschaft Böckh und Welcker erfahren mussten, die freilich solchem übermüthigen Gebaren ruhig zuschauen dürfen. Ich habe mich der Wahrheit verpflichtet, und muss dieser auch hier die Ehre geben, überzeugt, dass diese immer stärker als Herr Schöll bleibt." Eben dort musste ich bemerken, dass er bei seinem

„Karl-August-Büchlein" meine Berichtigungen und Vervollständigung der Briefe des Grossherzogs an Knebel nicht gekannt und deshalb diese unrichtig und ungenau gegeben. Ich verkannte aber Schöll's Verdienst und Geschick so wenig, dass ich auch öffentlich dies mehrfach aussprach und z. B. dem Bedauern Ausdruck gab, dass der Briefwechsel Goethe's mit Karl August nicht ihm zur Herausgabe anvertraut worden, wie ich auch den Wunsch äusserte (Karl August II. S. VI. f.), er möge aus den Fourierbüchern alles für die Geschichte des Hofes und unserer Literatur Wichtige zur Mittheilung bringen. So verhält es sich mit meinen „Invectiven" gegen Herrn Adolf Schöll, dessen „Milch der frommen Denkart" ich ihm „in gährend Drachengift verwandelt" habe. Als Handlanger hätte er mir gern eine Stelle gelassen, nur müsste ich nicht seine Blössen so rücksichtslos im Dienste der Wahrheit aufdecken und mir kein Urtheil anmassen, wodurch ich ihm seine Kreise trübte. Ich bin aber leider so weit entfernt, seine Unfehlbarkeit in ästhetischer Beurtheilung und sein besonderes Glück im Combiniren anzuerkennen, als ich seine Gedichte für geistreich und geschmackvoll halten kann, da ich aus seinen philologischen Arbeiten auf dem Gebiete griechischer Literatur weiss, wie oft die Phantasterei bei ihm den Sieg über die Besonnenheit davonträgt, wovon seine Bücher über Sophokles' Leben und die attischen Tetralogien die leidigsten Zeugnisse sind. Herr Schöll hat auch dem guten Joachim Meyer sein Leben getrübt, wie ich von diesem trefflichen Manne weiss, mir soll er es nicht! Er ist auch jetzt gütig genug, meinen „, verdienstlichen Fleiss in Erwerbung und Zusammenstellung des aktenmässigen Materials" für Goethe's Leben und Wirken anzuerkennen, nur ,,müsse er gestehn (wie hart dies dem biedern Hofrath fallen muss!), dass mein Gebrauch des erworbenen aktenmässigen Materials oft willkürlich und die Angabe des Aktenmässigen unzuverlässig sei." Und diesen schnöden Vorwurf, welcher meinen zahlreichen Mittheilungen allen Glauben entzieht, womit beweist Herr Schöll diesen? Nur mit einem „heitern" Falle, der aber die allerleichtfertigste Verleumdung ist, womit man je den Ruf eines ehrlichen Mannes untergraben zu können geglaubt hat, eine Verleumdung, zu welcher nur

die blindeste Gehässigkeit einen verständigen Mann hinreissen konnte. Ich hatte zu der Stelle eines Briefes von Goethe an Herder aus dem Jahre 1772, wo Pindarische Verse angeführt werden, die Bemerkung hinzugefügt: „Nach einer Angabe in Riemer's Nachlass soll Goethe in einem in diesem Jahre an Herder gerichteten Briefe die betreffenden Stellen also übersetzt haben: Meister ist u. s. w." Nun kommt Herr Schöll mit der Behauptung, die Uebersetzung sei von ihm, er habe sie in eine Abschrift der Briefe Goethe's an Herder eingetragen. Da aber Riemer jene Abschrift nie gesehen, so habe er auch nichts darüber sagen können. „Folglich hat Herr Düntzer, um seine Vermuthung in ein objectives Zeugniss zu verwandeln, die Kunde von einem Aktenstücke aus Riemer's Nachlass und von einem in diesem bezeugten zweiten, einem nach Jahr und Inhalt (!) bezeichneten Briefe Goethe's gefabelt." Welche Grillen doch in Schöll's Kopfe schwirren! Das, was ich gesagt habe, ist buchstäblich wahr und Schöll's gewissenlose Behauptung einer Fälschung, der dümmsten, die je die Welt gesehen hätte, eine abscheuliche Verleumdung, die er beim Geiste der Wahrheit und Gerechtigkeit verantworten mag. Läse Schöll nicht meine Bücher, wie Hunde den Nil trinken, so hätte er gewusst, was ich unter Riemer's Nachlass verstehe, aus welchem ich an manchen Stellen nicht unwichtige Mittheilungen gemacht habe. Dieser literarische Nachlass zu Goethe, der sich im Besitze der Cotta'schen Buchhandlung befindet, enthält eine ungemein grosse Anzahl einzelner Angaben und Bemerkungen zu Goethe's Leben und Werken, unter ihnen auch Stellen aus Goethe's Tagebüchern und Briefen, die damals ungedruckt waren. So lernte ich denn auch hier manche Aeusserungen Goethe's in den Briefen an Herder viel früher kennen, che mir die Briefe selbst vorlagen. Auf einem Blättchen stand nun zugleich mit den Pindarischen Versen jene Uebersetzung von Riemer's Hand geschrieben, mit der Bezeichnung „Goethe an Herder, 1772." Riemer hielt demnach, als er jenes Blättchen schrieb, die Uebersetzung für ein Werk Goethe's, denn unmöglich konnte er in seinen Collectaneen zu Goethe aus einem Briefe Goethe's bloss die Worte Pindar's sich anmerken mit einer fremden Uebersetzung. Er selbst verstand die metrische

Behandlung der deutschen Sprache viel feiner als Schöll, und seinen Pindar wohl nicht schlechter. Schöll's zuversichtliche Behauptung, dass Riemer seine Uebersetzung jener Verse nicht gekannt, ist also unwahr. Ob ihm die Abschrift der Goethe'schen Briefe vorgelegen, worein Schöll jene Verse eingetragen, weiss ich nicht, doch ist es mehr als wahrscheinlich, und Riemer liess sich wohl nur dadurch täuschen, dass Schöll sich angemasst, eine eigene Uebersetzung in die Handschrift einzuengen; er hielt diese wohl für eine Ergänzung aus der Urschrift, indem er glaubte, der Abschreiber habe zufällig die vielleicht am Rande versuchte Uebersetzung Goethe's ausgelassen. Ich selbst traute der Angabe Riemer's nicht, und bezeichnete sie deshalb mit einem soll. Somit ist meine Angabe in allen Einzelnheiten durchaus wahr, und Schöll's Behauptung der Fälschung eine unverantwortliche Leichtfertigkeit, die ihre Einbildungen auch da der Welt aufladen will, ja sich besonders freut es zu thun, wo sie die Ehre eines redlichen Mannes, der ihr einmal unbequem geworden, damit brandmarken, ihn meuchlings beseitigen will. Das ist eben so unsittlich als unklug. Schöll bildet sich ein, ich habe die von ihm gesehene und mit seiner Uebersetzung versehene Abschrift benutzt, und doch konnte er sich aus meiner Ausgabe leicht überzeugen, dass mir die Urschrift vorgelegen. Hätte ich daneben nur die Abschrift gesehen, so konnte mich diese doch unmöglich verleiten, die von Schöll's mir wohl bekannter Hand geschriebenen Verse, wovon in jener nichts stand, Goethe zuzuschreiben, und die Wahrscheinlichkeit, dass Schöll diese Uebersetzung aus einem andern Briefe Goethe's genommen, fehlte ganz und gar. So hat sich denn der scharfblickende feine Schöll absichtlich verblendet, um mir eine rein aus den Fingern gesogene Fälschung anzudichten. Ich überlasse die Würdigung eines solchen gewissenlosen Handelns allen, die noch Sinn für Recht und Wahrheit haben. Und ein Mann, der sich zu einer solchen Handlungsweise verirrt, wagt es noch von „moralischen Rügen" zu reden, die er mir ertheilen müsse!

Ganz dieselbe kein Recht und keine Wahrheit achtende, blinde Gebüssigkeit herrscht in allem, was Schöll in jenem, wie er sich selbst sehr fein ausdrückt, „prolixen" Angriffe, dessen

Veröffentlichung die „Allgemeine Zeitung" mit Recht ablehnte, gegen mich vorgebracht hat. Er ist überall nur der leidenschaftliche öffentliche Ankläger, der frischweg behauptet, was ihm in den Sinn kommt, im Wahne, dadurch die Welt bethören und die Verurtheilung auch des Unschuldigsten herbeiführen zu können. Herr Schöll hat sich gewaltig verrechnet, ich werde ihn und seine blinde, Recht und Wahrheit verhöhnende Gehässigkeit rücksichtslos, wie er es verdient, entlarven.

Die von mir besprochene Schrift von Bernays ist ihm ein Muster der Vollkommenheit, an der auch nicht der geringste Makel zu entdecken, ich dagegen erscheine ihm als der Böse, der sie, wie er sich wieder sehr fein ausdrückt, „discreditiren“ will. Bernays hat nach ihm die Kritik, welche diesen Namen verdient, für Goethe erst begründet und die bisherige bodenlose Kritik beseitigt. Es gehört die ganze Verbissenheit und der ganze Mangel von Scheu für Recht und Wahrheit dazu, den wir eben an Schöll nachgewiesen, um eine solche Behauptung zu wagen gegenüber meinem in der Deutschen Vierteljahrschrift Nr. 78 (April-Juni 1857) abgedruckten Aufsatze: Die Herstellung einer vollständigen Ausgabe von Goethe's Werken." Mein Gegner hütet sich wohl, den Leser nur im geringsten ahnen zu lassen, was in diesem Aufsatze geleistet, wie hier die Geschichte des Textes nach den verschiedenen Ausgaben der Werke genau verfolgt, selbst auf Rechtschreibung and Satzzeichnung eingegangen und manche bei der Herstellung des Textes wichtige Betrachtungen gegeben sind, auf welche Bernays gar nicht eingegangen ist; er streift denselben nur, indem er willkürlich eines und das andere herausgreift, was er auf seine Weise entstellt. Bernays hat nach ihm „durch Feststellung der unterscheidenden Textbeschaffenheit der Ausgaben, Herkunft und Filiation ihrer Verderbnisse, welches nur einer durch alle Auflagen sich wiederholenden Lesung mit unermüdlicher Aufmerksamkeit und combinirendem Geiste gelingen konnte, die äussere Fundamentalkritik des Goethetextes erst geschaffen." Nur wem die Wahrheit unbekannt oder gleichgültig ist, kann so etwas behaupten gegenüber meiner Schrift -Goethe's Götz und Egmont" (1854), wo S. 390-414 die Abweichungen der verschiedenen Ausgaben in Bezug auf diese

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