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ausgehen, dass in den frühern Sprachperioden Schrift und Sprache mit einander fo weit in Einklang stehen, als dis das freilich auf eine zu geringe Zal von Buchstaben beschränkte von den Römern überkommene Alphabet zuließ.

Freilich hat difer gefunde und vernünftige Grundfatz auch in Deutschland vor einigen Jaren eine Anfechtung erlitten, welche nicht geringes Erstaunen bei den Gelerten erregte. Ein Süddeutscher, ein gewisser Prinzinger, trat nemlich mit der künen Behauptung auf, dass fast alles, was Jac. Grimm über die deutsche Lautlere, über Vocalwandelungen und Confonantenverschiebungen, gelert habe, nichts als Schein und Irrtum fei; nicht die Sprache habe die verschidenen durch die Schrift dargestellten Phafen durchgemacht, fondern es feien vilmer die orthographischen Principien, welche die verschidenen Wandelungen und Verschiebungen durchgemacht hätten; unfere deutschen Vorfaren schriben nur anders als fie sprachen, fie sprachen damals, wie man auch jezt noch im gemeinen Leben spricht, schriben aber ire Rede im Sinne und Geiste wälscher Zunge und nur daraus erklären sich die abweichenden alten Schreibweifen.

Was follte wol aus dem deutschen Unterrichte in unfern Schulen werden, wenn man die Prinzinger'schen Grundfätze dabei zu Grunde legen wollte?

Die von mir angefürten neuern franz. Gelerten find weit davon entfernt, fo weit zu gehen, wie Prinzinger für das Deutsche gegangen ist, aber fie befinden fich mit irer Lere über die altfranz. Aussprache dennoch auf einer geneigten Ban, welche, wenn man nicht zur rechten Zeit wider einlenkt, für das franz. Unterrichtswefen zu gefarlichen Folgen füren, und namentlich das Studium der älteren franzōfischen Dialekte hemmen und verwirren könnte.

Man hat bereits in Frankreich einen kleinen Anfang gemacht, in historischen Schriften die ältern germanischen Eigennamen in irer ursprünglichen Form herzustellen, und wird fich allmählich davon entwönen, darin etwas barbarisches zu erblicken, und fo, meine ich, lässt fich hoffen, dass man auch von den Irrwegen, auf welche die Génin'sche Theorie über die Aussprache des Altfranz. leicht füren kann, zurückkommen werde, und dass man fich immer mer daran gewönen werde, die älteren Schriftformen im allgemeinen als möglichst getreue Darstellungen der damaligen Lautformen aufzufassen, one dabei fortwärend an wüste Barbarei zu denken.

Berlin, im Jan. 1867.

G. Michaelis.

Beiträge zur französischen Lexicographie.

Im Programm der Dorotheenstädtischen Realschule vom 1. Oct. 1866 habe ich unter Anderem auch versucht, der so weit verbreiteten Ansicht entgegenzutreten, dass die französische Sprache zur Bildung neuer Wörter geradezu unfähig sei. Nicht nur in Bezug auf Neubildungen jedoch wird der französische Wortschatz für begränzt und abgeschlossen angesehen, auch die schon vorhandenen Wörter gelten meist für so feststehend in ihrer Bedeutung, dass sie keine Aenderung oder Erweiterung derselben zulassen. Der französische Schriftsteller, so glaubt man vielfach, darf die Wörter seiner Sprache eben nur in dem Sinn brauchen, der ihnen von den classischen Autoren einmal beigelegt worden. Daher kommt es denn auch, dass man so häufig von den phrases toutes faites des Französischen sprechen hört. Allerdings war wol diese Sprache, oder richtiger, waren die Franzosen weniger als andere Völker zu Neuerungen in der Sprache geneigt; aber das Französische gleichsam als eine Sammlung feststehender Redensarten betrachten zu wollen ist gewiss eben so irrthümlich, als zu glauben, dass andere Sprachen von jeder conventionellen Gebundenheit vollständig frei seien. Wie der Franzose viele Wendungen eines Ausländers für unfranzösisch erklären wird, so wird auch uns vieles, was ein Fremder im Deutschen sagt, für undeutsch gelten, ohne dass wir andere Gründe dafür anführen könnten, als dass der Ausdruck unser Sprachgefühl verletzt.

Jene Ansicht von der Stabilität des französischen Wortschatzes ist eigentlich schon unhaltbar geworden, seitdem wir wissen, dass jede Sprache in steter Umbildung und Fortentwicklung begriffen ist. Doch hoffe ich, es wird nicht ganz ohne Interesse sein durch Beispiele aus

Schriften der neuesten Zeit Spuren der lexicalischen Umwandlungen zu zeigen, die sich gerade jetzt vollziehen. Dass diese Umwandlungen keine grossartigen sein können, liegt in der Natur der Sache, da die Sprachen sich zwar stetig aber langsam umbilden. Doch werden sich auch im Folgenden die Einflüsse zeigen, die sich hauptsächlich bei der lexicalischen Fortentwicklung jeder Sprache geltend machen. Schon bestehende Wörter werden in einem Sinne gebraucht, der von ihrem bisherigen mehr oder weniger abweicht; ihre Bedeutung wird entweder erweitert, namentlich die bildliche, oder auch beschränkt, mitunter zu einem Kunstausdruck mit ganz bestimmtem Sinne gemacht; auf Letzteres hat vor Allem der grosse Umschwung hingeführt, welchen Industrie und Wissenschaft in neuerer Zeit erfahren. Oder der Schriftsteller greift wieder auf den etymologisch ursprünglichen Sinn zurück, der in der bisherigen Anwendung mancher Wörter mehr oder weniger verdunkelt war. Es werden ferner Ausdrücke der familiären Sprechweise oder dialectische Wörter schriftsässig gemacht, von den letzteren namentlich solche, die sich auf nur in bestimmten Oertlichkeiten vorkommende Dinge beziehen. Auch Wörter fremder Sprachen werden eingebürgert, oder es werden geradezu neue Wörter gebildet, von denen ich auch wieder eine Anzahl aufgenommen, die mir erst nach Schluss des erwähnten Programmes aufgestossen sind.

Manche dieser Ausdrücke können allerdings als rein individuelle Schöpfungen, als Kinder augenblicklicher Laune angesehen werden, denen nur ein vorübergehendes Dasein bestimmt ist. Doch wer ist im Stande dies vorauszusagen? Oft genug ist Wörtern, die nur für den Augenblick geschaffen wurden, ein langes Leben beschieden. Immerhin sind sie Beweise, dass das Französische auch in lexicalischer Beziehung nicht dem Erstarrungsprocess verfallen ist.

Abîmer, schlecht von Jem. sprechen, ihn durchhecheln. Ça est bien chagrinant de t'entendre toujours abîmer (cursiv gedruckt). G. Sand. R. *) 15/10, 64, p. 811.

Aciérer, mit einer Stahlschicht überziehen, verstählen, z. B. la surface d'une planche gravée. Blerzy. R. 1/4, 64, p. 645. M. hat das Wort gar nicht; B. und L. geben nur convertir le fer en acier.

*) Abkürzungen. R. Revue des denx Mondes. B. Bescherelle. Dictionnaire etc. Paris, 1856. M. - Mozin-Peschier, Wörterbuch etc. Stuttgart und Augsburg, 1856. L. = Littré, Dictionnaire de la langue française. Paris, 1863. Es ist erst bis H. inclusive erschienen.

Agrès. B. und L. geben nur Schiffsrüstung, M. auch Aufrichangszeug einer Schiffbrücke. Gaudry. R. 15/6, 64, p. 948, braucht lies Wort wieder im Sinn von Ausrüstung überhaupt, den es im AltFranzösischen hatte (Diez, Wörterbuch). Le wagon de secours conenant des agrès de relevage wird bei Entgleisung eines EisenbahnEuges geholt. Vgl. auch Gréer.

Ich erlaube mir hier zu bemerken, dass ich für französische Kunstausdrücke, die das Eisenbahnwesen betreffen, bei Eisenbahntechnikern vergeblich nach den entsprechenden deutschen gefragt habe; Mir wurde die Antwort, dass sie eben nicht existiren.

Airolle, Arve, pinus cembro. Martins. R. 1/3, 64, passim. M. giebt arole; B. und L. haben das Wort nicht.

Allége (cursiv gedruckt), Postbureau in einem Eisenbahnzug, so genannt, weil es dem Hauptpostamt einen Theil der Arbeit abnimmt. du Camp. R. 1/1, 67, p. 181. B. und M. haben nur Lichterschiff, L. auch Tender einer Locomotive.

Antirationnel. Peut-être à la folie faudrait-il un traitement anti-
G. Sand. R. 1/8, 66, p. 531. Neubildung.*)

rationnel.

Apport, Anschwemmung. Les anciens ports se comblent, et ces phénomènes s'accomplissent avec assez de rapidité pour que le changement ne puisse pas être attribué sculement à l'apport des sables marins. Reclus. R. 1/1, 65, p. 67. B., L. und M. haben das Wort nicht in diesem, seinem ursprünglichen Sinne. Vgl. auch Transport.

Atrophier, verkümmern. Il faut donc prendre garde que les règles qui sont destinées à soutenir les côtés faibles de l'esprit n'en atrophient ou n'en étouffent les côtés puissants et féconds. Cl. Bernard. R. 1/8, 65, p. 663. M. giebt nur das Participium, B. nur 'atrophier; L. hat atrophier, aber wie B. nur im eigentlichen, medicinischen, Sinn.

Ich erlaube mir hier die Bemerkung, dass in Fällen, wo L. ein Wort oder eine Bedeutung eines Wortes giebt, die sich noch nicht im B. und M. finden, man wol meistens annehmen darf, dass das, was

*) Mit Neubildung bezeichne ich Wörter, die in den genannten Wörtertuchern nicht aufgeführt sind. Findet sich bei einem Wort gar keine Bemerkung, so ist das Wort zwar schon in den Wörterbüchern vorhanden, jedoch nicht in einem Sinn, der dem aus der citirten Stelle hervorgehenden

nahe kommt.

L. aufführt, erst neueren Ursprungs ist, wenn auch hin und wieder die beiden früheren Lexicographen schon Vorhandenes übersehen haben mögen. Aus diesem Grunde habe ich auch mehrfach Wörter und Bedeutungen angeführt, die sich im L. finden.

Attache. L'Assomption est devenue le grand port d'attache (Verbindungshafen) des bateaux descendant d'un côté vers Buenos Ayres et Montevideo, remontant de l'autre vers Albuquerque et Cuyaba. Reclus. R. 15/2, 65, p. 984.

Autoritaire, die Regierung betreffend, von ihr ausgehend. La nouvelle économie sociale tend à supprimer les monopoles et les combinaisons autoritaires dans le travail. Cochut. R. 1/8, 66, p. 710. Neubildung.

Avénement. L'expérience, le calcul et l'observation sont dans l'homme tout aussi bien à l'heure de son avénement qu'à l'heure de sa maturité, d. h. bei seiner Ankunft auf der Erde, bei seiner Geburt. G. Sand. R. 15/5, 64, p. 259. B. und M. geben nur: Thronbesteigung, Ankunft Christi. Auch L. hat es nicht in diesem Sinn.

Batteuse, ohne Zusatz des Wortes machine, Dreschmaschine. Reglement de l'Exposition universelle de 1867. Aehnliche Beispiele von Anwendung des Femininums der Wörter auf eur finden sich später. B. und M. haben dies Wort noch nicht, wol aber L.

Chef. Der juristische Ausdruck au premier chef, ersten Grades hat weitere Anwendung gefunden. C'est de la sottise au premier chef, Dummheit erster Classe. Forgues. R. 1/2, 64, p. 676. Les atomes éthérés sont impénétrables au premier chef (vor allen Dingen), ils le sont par définition. Saveney. R. 1/11, 66, p. 165. Espèce utile au premier chef. Journal Amusant.

Concevabilité, Begreifbarkeit. Littré. R. 15 8, 66, p. 837. Neubildung, die sich noch nicht einmal in L.'s eignem Wörterbuch findet.

Congénial (cursiv gedruckt, aber ohne weitere Erklärung des Sinnes). Il faut à présent que je vous montre M. Sumner chez lui, épanoui dans son élément congénial. Duvergier de Hauranne. R. 1/11, 65, p. 190. Das englische congenial. L. hat das Wort schon in diesem Sinn, wäh rend B. und M. es, nach der Academie, nur mit der Bedeutung ange boren aufführen, was L. für eine Verwechslung mit congénital erklärt.

mit

Constelle. La lourde machine voguait lentement sur les eaux vertes, partout constellées de gouttes de pluie, wie mit Sternen, Sternbildern besät. Pavie. R. 15/1, 65, p. 515. L. giebt unter an

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