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Würde durch eine solche Aussprache nicht der ganze musikalische Zauber dieser Stellen zerstört werden? Ja ist es im Entferntesten Jenkbar, dass die Dichter hier an eine anschlagende Aussprache gedacht haben? Und dennoch giebt es Leute genug, die dergleichen nicht nur vertheidigen, sondern sogar lehren. Wenn das so fortgeht, so bedarf es nur einer geringen Verstärkung des Anschlags und die ärgsten Missverständnisse werden unvermeidlich sein. Man wird dann nicht mehr wissen, ob der Landmann gepflügt oder gepflückt hat, ob twas gerügt oder gerückt worden ist, ob ein Glied sich geregt oder gereckt hat, ob Wünsche gehegt oder geheckt, Leute befragt oder befrackt worden sind; ja unsere Kellner werden nicht mehr wissen, ob sie uns ein belegtes oder ein belecktes Butterbrod bringen sollen.

IV. Das nasale ng ist ein Laut, der an das Französische erinLert. Dies hat Viele zu dem Irrthum verleitet, als müsse die französische Aussprache hier massgebend sein; sie wollen daher Ring, Ding, Hoffnung, Bildung ohne allen Anschlag gesprochen haben. Nimmt man aber eine Vocabel wie der Rang, le rang, so sieht man gleich, wie lacherlich es wäre, das Wort in beiden Sprachen übereinsimmend auszusprechen. Der Grund, dass das g am Ende nicht wie klingen dürfe, ist eine reine Spitzfindigkeit, so eine SchulmeistererEndung, die sich gelegentlich breit und zugleich lächerlich macht. Eben so wenig wie wir in der Aussprache einen Unterschied zwischen Schild und schilt, zwischen Wald und wallt machen, eben so wenig brauchen wir besorgt zu sein, man werde Fink und fing, Schwank und schwang, sank und sang miteinander verwechseln können. Der Scherz, der in den Versen liegt:

„Und als die Träger sangen,

Da sank der Todte mit."

ist in dieser Beziehung bezeichnend genug. Unterlassen wir es daher, unserer kräftigen, ausdrucksvollen Sprache das Gepräge eines fremden Idioms aufzudrücken. Einem Jeden das Seine.

Wir stehen am Schluss. Mag Mancher sagen: „Es lickt mer nix dran, ob so oder so gesprochen wird;" wir sind der Meinung, dass jede Kunst ihre Gesetze hat, die ihr nicht von aussen her octroyirt worden sind, sondern die man an guten Mustern beobachtet und zu einer Theorie zusammengestellt hat. Als eine Kunst aber ist auch der schöne mündliche Vortrag anzusehen, für welchen es gleichfalls Gesetze und Regeln geben muss, denen man sich vernünftigerweise zu fügen hat. Für die von uns vertheidigte verschiedenartige Aussprache des g finden wir übrigens ein Analogon in den durch st und sp bezeichneten Lauten. Es liegt in dem Charakter unserer Aussprache, diese Doppelconsonanten am Anfange volltönender und kräftiger zu sprechen, sie dagegen in der Mitte und am Ende abzuschwächen. Wir sagen daher: Stab, Stern, Stock (wie scht), aber: Weste, Küste, Büste; Bast, Wurst, Durst; und ebenso: Spaten, Speer, Spitze, Spott, Spruch, aber: Wespe, Knospe, lispeln. Es darf daher Niemand wundern, wenn wir uns bei dem g ähnlich verhalten. Es giebt in der Orthographie eine ziemlich schlechte Regel: ,,Schreibe, wie du sprichst." Sollen wir uns auf dem Gebiete der Orthoepie die umgekehrte octroyiren lassen: „,Sprich, wie du schreibst?" Vorläufig hat Niederdeutschland über Oberdeutschland gesiegt; käm pfen wir dafür, dass uns auch in Betreff der Aussprache die Hegemonie verbleibe.

Berlin.

L. Rudolph.

Ueber die Aussprache des Altfranzöfischen.

In Bezug auf die Aussprache des Altfranzöfischen ist bei den neueren franzöfischen Forschern eine Verschidenheit der Anfichten hervorgetreten, welche wol um fo weniger unbeachtet bleiben darf, als man in neuster Zeit in Frankreich angefangen hat, das Studium des Altfranzöfischen in den Unterrichtsplan der höheren Schulen aufzunemen.

Die früheren franzöfischen Sprachforscher erblickten in dem Altfranzösischen meist nur eine rohe und barbarische Sprache. Dife Anficht von der großen Sprachbarbarei des Mittelalters geht von der Mitte des 16. Jarhunderts ab fast durch die ganze französische Litteratur hindurch; die Worte ,,wild" und „barbarisch" treten einem da fortwärend entgegen, und fo fagt auch noch Voltaire:

„Toutes les lettres qu'on a retranchées, depuis le moyen âge, dans la prononciation, mais qu'on a conservées en écrivant, sont nos anciens habits de sauvage," und an einer andern Stelle: „Notre langue s'est formée du latin en abrégeant les mots, parce-que c'est le propre des barbares que d'abréger tous les mots." (Vgl. Francis Wey, Histoire des révolutions du langage en France. Paris; Didot 1848. S. 268). Auch die neuste Zeit bringt die in Rede stehende Anficht noch genug an den Tag.

oft

Wenn man aber auch von der naturgemäßen, nach bestimmten Gesetzen der Formschwächung und der Lautveränderungen erfolgenden Entwicklung der neueren Sprachen aus den ältern Volksdialekten lange Zeit keine richtige Vorstellung hatte, fo nam man doch fast allgemein an, dass die altfranz. Schreiber, wenn auch mit mannigfachen abweichenden Conventionen, welche bei der großen Beschränktheit des lat. Alphabets unvermeidlich waren, doch im ganzen jeder feinen Dialekt im wefentlichen fo geschriben habe, wie er ihn aussprach. Dife Anficht hat auch noch heute die gewichtigsten Vertreter, fowol in Frank

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reich, wie namentlich auch unter den deutschen Forschern. So spricht fich u. a. Wilh. Wackernagel (Altfr. Lieder S. 124--5) folgendermaßen aus:

,,Bei einem Idiom, das folchermaßen wie das franzöfische die Grundlaute verändert und haüfig denfelben Buchstab je nach Gelegenheit bald fo, bald anders ausspricht, muss in notwendiger Folge die schriftliche Darstellung etwas ungewisses erhalten und hier und dorthin schwanken zwischen dem alten und dem neuen Laute, zwischen dem, was Etymologie, und dem, was lebendig geltende Aussprache fordert. Das Neufranzöfische hält fich, im ganzen genommen, an jene und fucht auch da, wo der Laut nicht mer der lateinische ist, doch mit dem lateinischen Zeichen auszukommen; ja es schreibt Laute, die gar nicht mer gesprochen werden. Anders das Altfranzöfische. Hier übt in der Schreibung die wirk liche Aussprache ein stark überwigendes Recht gegen die Etymologie. Zwar one confequente Durchfürung: die war nicht wol möglich; aber auch fo immer lerreich und mer als eine Frage entscheidend. Wo die schriftliche Darstellung eines Lautes zwischen beiden Principien schwankt, erfaren wir damit, welcher Etymologie man fich wol bewusst gewefen, wie aber doch die lebendige Sprache davon abgewichen fei; wo die Schreibung überall fich gleich bleibt, geht daraus hervor, dass fie noch den lebendigen Laut getroffen und man das Wort gerade fo auch gesprochen habe.

Es gab mithin im Altfr. noch kein stummes s: difer Confonant ward noch überall gehört: denn man schreibt ihn noch überall. Xours (nfr. sourd), conxeus (conçu), osaixe (osasse), baissier und baixier: mithin x ein geschärftes und gleich einem doppelten s."

Immer alfo ist z. B. das geschribene s oder x noch ein wirklich ausgesprochener Dentallaut.

X erscheint schon früh im Vulgärlatein assimilirt zu ss und daraus erklärt fich am einfachsten fein haufiger Gebrauch für scharfes s.

Schuchardt, der Vocalismus des Vulgärlateins, Leipzig 1866, fagt darüber S. 22: „X ging durch gs in ss oder s über; für x gewären die Denkmäler schon der ersten Jarhunderte nach Chr. nicht felten ss und 8, aber meines Wissens nur eine einzige und späte Inschrift gs: vigsid (Mai Inscr. Chr. 435, 1.)“

Ferner S. 132 f.: „Am frühsten trat x vor c und t in s über: sescenti; sescen (tas); sescentiens; Sestius; praetestati." Umgekerte Schreibung z. B. in textam.

Sodann am Ende der Wörter: mers; felatris; Vinatris; Felis; subornatris; coius; es. Umgekerte Schreibung: Tigrix; Atimetux; milex etc.

Am spätesten vor Vocalen: conflississet; obstrinserit Zeusis; Masimilla; visit, vissit, vist; Alesander. — Umgekerte Schreibung: Daximia, Eufraxia, Sucexus.

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Aus christlichen Denkmälern lassen fich dife Beispile wenigstens um das fünffache vermeren. Die ältesten Handschriften find voll von lchen. Haüfig ist die Schreibung s X = X s, fowie x =8 x: Epiteusix, Xersex, Xystus, xesus, xes. Man bemerke die verschidenen Bezeichnungen x, cs, cx, CXS, XS, XX, 88, 8. Statt x wurde zuweilen auch z geschriben: Alezandro, bizit, zenodochium und umgekert x für z: Xeno, Xion."

S. 75. Noch im 10. und 11. Jarh. nach Chr. s = x: conius, prosima, donatris. Xs: potenx, iuxione. Angaben der Belegstellen fehe man a. a. O).

(Die näheren

=

Über das zweichem s fagt Schuchardt S. 74: „Z fr. weichem s hat uralte Antecedenzien. Z ist für das Carmen Saliare bezeugt; wir lefen Cozano auf einer Münze, die wol dem Ende des J. Jarh. der Stadt angehört. Schreibungen wie Azmeni, Cozmi, Lezbius, zmaragdus find in der Kaiferzeit gäng und gäbe; feltener kommt zs zwischen zwei Vocalen vor, fo Zozima. Sogar für anlautendes (alfo scharfes s) sehen wir es gebraucht in Zora, Zoloaius, zinnum (= signum) u. a. Auslautendes s vertritt z in Ferelez, Zuliz. In Frankreich wurde die Geltung des z als weichess durchgefürt."

Wackernagel bespricht verschidene Einzelnheiten der altfranz. Aussprache, foweit fie fich auf die von ihm herausgegebenen Liedertexte beziehen. Manches ist natürlich noch schwankend; fo wird z. B. der Laut des jetzigen eu bald durch eu bald durch ue dargestellt u. drgl. Immer aber wird als Hauptgrundfatz festgehalten, dass das phonetische Princip das entschiden herschende ist, und dass die geschribenen Buchstaben auch wirklich ausgesprochen wurden, und dife Anficht ist auch aberhaupt in der neueren philologischen Schule die vorherschende.

Eine difer gerade entgegengesetzte Anficht ist nun aber von einem

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