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rade dieser Scherz, dieser ungesalzene Spott hat die Fabel tief erniedert. In wie manchen Fabulisten fieht man leibhaft den Thoren vor dem Delphischen Altar stehn, der mit dem Orakel Scherz treiben wollte. Apollo trieb mit ihm Scherz; er machte schlechte Fabeln.

Daß einer Erzählung, die uns Naturgefeße in einzelnen Begebenheiten und Vorfällen darstellt, die heiterste Klarheit und Congruität gebühre; daß die sittliche Fabel sich jeder Art und Gattung der Geschöpfe anschmiege und mit Wohlgefallen, mit Freude und Lust in der Schöpfung wohne, indem sie jede Pflicht sowohl als jede edle Mühe um dieselbe als Naturbedürfniß darstellt, und durch sich selbst lohnet, Frrthum und Thorheit dagegen in ihren Folgen auch enthüllet und strafet; dies will der Begriff der Nas tur, ihrer Consequenz und Tiefe. Die damonis sche Fabel endlich, die Götter und das Schicksal selbst auf den Schauplah bringt, sie erhebt sich ohn' allen gesuchten Pomp oft zu einem kleinen Epos. Jene Erzählung bei Gellert über den Lauf und die Vergeltung des Schicksals.

,,Als Moses einst vor Gott auf einem Berge trat" findet sich, das Feierliche hinweggerechnet, an erhabner Zusammenordnung fast in jeder Schicksalsfabel wieder.

,,Wo dann bleibt aber das Lächerliche (yɛdov) der Fabel, das ihr doch wesentlich angehöret ?“

Zuerst weiß man, daß um Lachen zu erregen, es gerade nicht darauf ankommt, daß man selbst und zus erst lache, geschweige, daß man sich kneife und

- die Hände gestemmt in keuchende Seiten

das antiquarische grobe Gelächter in Person darstelle. Etwa nur auf dem Markt des Pöbels und auch da kaum dürfte man durch diese Mittel seinen Zweck ers reichen.

Dagegen; gefeßt eine Gesellschaft hätte über eine Materie lange, ernst und sogar zänkisch deraisonnis ret; ein guter Freund am Ende der Tafel, der bis her geschwiegen, tråte hintendrein mit einem Fabelchen hervor, das er trocken, dem Anschein nach zwecklos, aber sehr treffend, klar und naiv erzählt, und damit jenen ganzen Zwist abthut; erreichte er damit nicht ein hohes Komisches, den die Vernunft selbst zuspråche? Die kleinste Miene des verzerrenden Las cheus hätte ihm geschadet: denn eben der feine Ernst war sein treffendes Salz, seine Grazie und Anmuth. Wollen Irrthümer und Fehler der Menschen mit Lautem Lachen begrüßt seyn? Warum gaben die Als ten, zumal die Morgenländer, ihre Fabel Weisen oder Sklaven in den Mund? Wozu anders, als daß sie nicht ausgelassen, nicht ungezogen erzählt werden könnte. Manche Neuern haben die Sache anders verstanden; der Weise steckt in der Lehre, die Fabel

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erzählt der Geck oder an Saturnalien etwa der trunkne Sklave.

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Zweitens. Da also das Lustige, daß Scherzs hafte der Fabel in ihrer Anwendung mithin in der Beziehung liegt, in welcher sie gefagt wird, und diese an sich schon nicht zart genug genominen werden kann: was wåre in der Fabel selbst Lächerliches, wenn in ihr alle Wesen als Naturwesen bandeln? Der Fuchs etwa? der Affe? der Esel? O der alten abgekommes nen Späße, die den Fabeldichter selbst so oft zum Affen und Langohr gemacht haben! Kein Wiß beis nahe kann leichter abgeschmackt werden, als der Fas belwik, keine Spåße sind trivialer als die Eselsspåßse; zumal, wenn der bleierne Dichter durch diese Masken spaßet. Wie kurz, wie ziemend sind in der Fabel die Scherze der Alten!

Drittens.

Da überdem nichts vorübergehender und feinflüchtiger ist als der Scherz, da das sittsams ste Lachen nur am Rande der Lippen hangt, wie der Herz und Seelenvollste Wink am Blick des Auges; da zumal gereimte Bücherspåße fast durch sich schon von stereographisch bleierner Natur sind, und in ungeschickten oder übertriebenen Nachäffungen gar albern werden; da endlich das Entbehrliche zuerst und am frühesten Ueberdruß macht, und der Gott Jocus mit jedem Mondviertheil seine unwesenhafte Gestalt åndert; wer wollte ein Spaasmacher seyn, wo er es nicht seyn darf und nicht seyn sollte? Selbst la Fons

taine's Scherze, den die Natur doch selbst im Scherz gebildet zu haben schien, haben sich zum Theil überlebt; keiner seiner Nachäffer hat ihn erreichet. Und dann, wäre es wirklich amusant und lustig, wenn ich lese:

In einem alten Fabelbuche,

(Der Titelbogen fehlt daran;

Sonst führt' ichs meinen Lesern an).

In einem alten Fabelbuche,

In welchem ich, wenn ich nicht schlafen kann

Und sonst zuweilen, mich Raths zu erholen suche In einem alten Fabelbuche Ei so wirf das alte Fabelbuch in den Winkel, und ers zähle was du darinn fandeft. Sind Langweiligkeit, Préambuln und Digressionen solcher Art naiver Scherz? Gehe man die Scherz Digressionen und Epaas Práambuln der Fabulisten durch; ohn alle Rüdsicht auf Theorie der Fabel wünscht man die meis ften hinweg. Es sind platte Einschiebsel; auch dem Ausdruck nach haben sich die Meisten selbst überlebet,

Einfalt ist die Grazie der Natur; hohe Naivetåt die Grazie der Fabel. Sie ists, die Alles würzt, vom Burlesken niedriger Naturen zum Erhabensten, dem Schweigen. Eben in dem Contrast von Bildun 'gen und Sitten scherzt die Natur unaufhörlich; aber wie ernst scherzt sie, wie consequent ist ihre Perfiflage! Die Naturfabel ahme ihr nach; ihr höchster und daus rendster Reiz ist stille Größe, schweigende Anmuth besonders in den Fabeln des Schicksals.

Als eine zweite Ursache, warum die Fabel am liebsten Thiere darstelle, führt Lessing, wie wohl selbst nur zweifelhaft, an,,,daß es geschehe, um die Erregung der Leidenschaften so viel als möglich zu vers meiden. Dies könne nicht anders geschehen, als wenn der Dichter die Gegenstände des Mitleids unvollkommener macht, und anstatt der Menschen Thiere oder noch geringere Geschöpfe annimmt“ a). Ich zweifle. Haffen wir den Wolf, den Tiger der Fabel nach Ums ständen nicht eben so inniger, weil er uns die ganze Gattung auch der Menschenwölfe und Tiger unverlarvt, in ihren Sesinnungen, Entschlüssen und Thaten charakteristisch darstellt? Bemitleiden wir nicht das unschuldig, unglückliche Lamm um so mehr, da wir in ihm eine ganze Gattung gleich ¡Unschuldiger dem Rachen des Wolfs, den Zähnen des Tigers hülf und rettungslos hingegeben sehen? Und wer nåhme in sittlichen Fabeln an der muntern Lerche, der liebenden Nachtigall, der treuen Turteltanbe u. f. nicht für alle Charaktere ihrer Art herzlichen Antheil? Um so mehr Antheil, da die Fabel in die Kinderwelt gehöret und wir bei ihr in die Empfindungen der Kinds heit zurücktreten. Nirgend fast sonst erscheinen die Charaktere lebendiger Wesen hassens- und liebenswers ther, als in der Fabel, eben weil sie diese Charaktere rein darstellt. Haß und Liebe in ihr werden Leidens schaften des Verstandes; so tiefgewurzelt, so allgea) Leffings Fabelu S. 190.

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