Abbildungen der Seite
PDF
EPUB
[ocr errors]

es in der Schöpfung wie in einem Zollhause durch eins ander, daß Alles heut so, morgen anders wäre, daß kein Band der Ursachen und Wirkungen, keine Consequenz der Begebenheiten statt fånde: so fåns de auch keine menschliche Vernunft statt; an sie wåre nicht zu gedenken. Daß uns aber allenthalben, unter allen Veränderungen, Bestandheit, Ordnung, Folge der Dinge vors und einleuchtet, daß die Vers ånderungen selbst erkennbaren Geseßen und Regeln unterworfen sind, und der Mensch, das hülfs, bedürftige Geschöpf, von allen Seiten getrieben ward, diese Gefeße auszuspähen, dieser Ordnung, wenn er nicht unterliegen wollte, zu folgen; dieser schöne Nas turzwang hat den menschlichen Verstand gebildet.

Die asopische Fabel stellet ihn dar. Sie beruht ganz auf der ewigen Bestandheit und Consequenz der Natur; Eines Theils, wie Jedes in feinem Charakter handle, andern Theils wie aus Diesem Das folge. Die schönsten und eigentlichen Fabeln sind also herausgerissene Blätter aus dem Buch der Schöpfung; ihre Charaktere find lebendig fortwäh rende ewige Typen, die vor uns stehen und uns lehren. Je gemäßer der Naturordnung ein Baum, ein Thier in der Fabel erscheint, so daß, wenn ihin die Sprache gegeben würde, es in solcher Zusammen. stellung nicht anders sprechen und handeln könnte, je Naturmäßiger die Zusammenstellung der Dinge selbst, auch nach kleinen Umständen in der Fabel ist,

um so mehr wird sie nicht etwa nur anmuthig, sons dern überzeugend. Mit füßer Naturgewalt zwingt sie uns die Lehre, die sie in That zeigt, anzuerkennen, indem kein Geschöpf sich dieser großen Kette entziehen kann und menschliche Vernunft eben darinn besteht, Ordnung der Dinge anzuerkennen, und sich ihrer Consequenz zu fügen.

So betrachteten alle Naturvölker die Fabel. Sie war ihnen ein Lehrbuch der Natur, dem nur ein Schwacher oder Irrer zu widersprechen wagte. Deßs halb richteten auch die bei Gelegenheit gesagten Fabeln bei der Menge so viel aus. Die Fabel Jothams von den Bäumen, die einen König begehrten, die Fabel des Menenius Agrippa vom Zwist zwischen Gliedern des menschlichen Körpers brachten verworres ne politische Situationen unter die Regel einer hellen Natur - Ansicht; die Menge ward überzeuget. Deß, halb sprachen nicht etwa nur Morgenländer, sondern, wo es die Gelegenheit zuließ, auch Griechen, Rds mēr, ja alle Nationen der Welt in diesem Fabels tön, entweder ausdrücklich, oder mit kurzer Anspies lung auf diese und jene gleichsam ausgemachte, uns widerstreitbare Fabel. Die Sokratiker, Horaz in seinen Briefen und Satyren, Redner ans Volk, Staatsmänner und Moralisten liebten sie; und je vertrauter ein Volk mit der Natur lebte, je heller es ihre Ordnung anerkannte, je treuer es sich derselben fügte, desto mehr hieng es an der Darstellungsart trefs

fender Naturfabeln. Ihnen traute man es zu, ihnen legte man das Geschäft auf, den Verstand und die Eitten junger Menschen der großen Naturordnung gemäß zu bilden.

So dachten Sineser, Indier, Ebråer, Perser, Araber, Griechen und Römer! von allen diesen Nas tionen ward die Fabel als ein Werkzeug zu Bildung des Verstandes und der Sitten betrachtet: denn was ist Verstand (intellectus, understanding) als Anerkennung der bestehenden Naturordnung und Naturfolge? was find Sitten, als ein Benehmen, das sich dieser Ordnung füget? Die Fabel,

Dum varia proponit oculisque subjicit
Exempla, monitis arguit salubribus
Cuiusque vitam; quas et ipsa condidit
Natura, sanclas usque leges suadet.

Oder wie Phädrus sagt:

Exemplis continetur Aesop genus,

Nec aliud quidquam per fabellas quaeritur,
Quam corrigatur error ut mortalium,
Acuatque sese deligens industria.

Die trefliche Indische Fabelsammlung a) hat einen ganzen Curs der Lebensweisheit für einen Prinzen unter vier Abtheilungen:

1. Die Bewerbung um einen Freund,

2. Die Trennung von einem Günftlinge,

a) The Hectopades of Vishnu. Sarma, by Wilkins, Bath 1787. Die trefliche Sammlung wird bald überseßt erscheinen.

3. Vom Disputiren,

4. Vom Friedemachen,

gebracht, und sie gleichsam zu einem bunten Fabels Teppich gewebet. Sadi, der Perser, spricht 1. Von der Könige Sitten;;

2. Von der Derwische Sitten;

3. Von der Vortreflichkeit der Mäßigung;
4. Von den Vortheilen des Stillschweigens.
5. Von Liebe und Jugend.

6. Von Schwachheit und Alter.

7. Vom Unterricht in den Wissenschaften.
8. Vom guten Umgange;

über welches Alles er Fabeln und Geschichten in Prose, untermischt in Versen, beibringt a).

Uer ige Zeiten entwürdigen Alles; so ward auch nach nad nach aus der großen Naturlehrerinn und Menschen Erzieherinn, der Fabel, eine galante, Schwäßerinn, oder ein Kindermåhrchen. Auszeich

nend gab hiezu, wie wohl sehr unschuldiger Weise, la Fontaine Gelegenheit; Er selbst ein naives Kind der Natur, das in mehreren Dingen die Welt ohne Wissen und Willen zu ärgern das Schicksal hatte. Dem Aesop und andern erzählte er Fabelu auf seine

a) Sadi Rosarium politicum c. notis Georg. Gentil, Amstaelod. 1656. fol. Das Persianische Rosenthal von Schich Sadi, übers feßt von Adam Olearius. Hamb. 1696. Fol.

:

Weise nach, und da diese Weise lustig, aber auch so naiv hinlässig war, als es seine Art mit sich brachte; so glaubte fortan Jeder Fabulist, die Fabel nach La Fontaine's Manier erzählen zu müssen. Gleich viel was er erzähle; wenn das Mährchen nur amüs fire. So ward die Fabel ihrem Zwecke sowohl als ihrer eigenthümlichen Natur und Welt allmählich entrückt; aus der überzeugenden Ansicht der großen Naturordnung trat sie in das Gebiet seiner Spes kulationen, in Visitenzimmer voll Pro und Contra's ein; die Namen der Thiere und Bäume wurden ihr hie und da nur angelogen. Denn wie in manchen neueren Fabeln spräche das Thier nicht, wenn es sprache! um solche Dinge würde sich die Dryas des Baums nicht bekümmern. Wenn man die feinen und über feinen Fabeln la Motte's, Richer's, le Jay's, le Noble's u. a. lieset; weiß man oft nicht, woran man ist. Alles in ihnen ist so zierlich gesagt, und doch thut nichts seine oder nur eine der Fabel fremde Wirkung. Offenbar, weil die Fabel, ihrem Naturboden entrückt, in dieser neuen, sehr convens tionellen Zusammenstellung nur eine conventionelle Sprache reden kann, zu welcher weder Bäume noch Pflanzen, weder Götter noch Helden, am wenigstenAllegorieen, Schatten, Träume bemühet werden durften. Wir konnten sie hdren aus Jedem Munz de. Ihrer Naturwelt entnommen, ist die Fabel eis ne feingeschnitte, todte Papierblume worden; in der

« ZurückWeiter »