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leien, die alle gerade Anrede der Menschen und Stånde gegen einander aufheben, die Kanzleien ermüden, und den Geschäftsstyl nicht nur, sondern oft die gesunde Vernunft verderben, jene süßliche Hingabe, die man (man verzeihe der niedrigsten Sache einen niedrigen Ausdruck) kaum anders, als Deutsche Hundsfötterei nennen könnte, legen uns treudevotest zu Füßen der Majestát Dullness. Die meisten Nationen Europa's haben sich diesen Wort- Praß erleichtert oder ihn weg: geworfen, weil er, die Larve knechtischer Falschheit, den Charakter einer Nation abftumpft; jedem Vors trage seine Richtung und Schärfe nimmt, und die ganze Rede in ein „Um den Brei gehn“ verwandelt, zu dem wir Deutsche am wenigsten gemacht sind. Und eben wir Deutsche tanzen nicht nur noch in diesem Spanischen Mantel; sondern unsre Formularisten sehen in diesen Tanz sogar alle Kunst ihres Geschäftes, so daß sie vor lauter falschen Umschreibungen und Lis tular. Brücken zur Sache, zu Person und Geschäft nicht kommen mögen. Und wenn wir mit dieser Kries cherei jenen Chinesischen Stolz vermählen, Uns und das Unsrige als das Erste in aller Welt loben; wenn wir (Abgrund der Niedrigkeit) den, der höflich mit uns umgeht, eben deßhalb zurückseßen zu dürfen glaus ben, dem groben fodernd - Stolzen dagegen freundlich und gewärtig den Nacken darbieten, um etwa hinter dem Rücken ihm nachzuspötteln'; eine solche Mischung der widerwärtigsten Dinge, die man uns Schuld giebt,

wåre

wäre sie der einfachen, herzhaften, redlichen Deuts schen Charakter? Gewiß nicht. Von Publicisten und Geheimschreibern, von Hof- und Schulfüchsen ist er ihnen angezettelt, aufgezwängt, aufgeschwänzt. Guts willig geben sie sich hin, und wurden und werden ges mißbraucht.

Woher, daß aus so manchen Anfangs wohlge meinten Anstalten zu Bildung der Sprache und des Geschmacks in Deutschland wenig ward? Weil die Großen damit nur spielten und das Ernsthafteste ihnen nur eine Hoflust wurde, die man, übergesättigt, als abgeschmackt wegwarf. So z. B. die Fruchtbrin gende Gesellschaft des siebenzehnten Jahrhunderts; fie spielte mit Namen, Bildern und Reimen als eine Hofmaskerade; die 63 Her oge, 54 Fürsten, 89 Grafen, 640 Edelleute, die sie als Mitglieder zählte, was haben sie gefruchtet? Unglücklich, daß die Deuts schen von jeher mit Namen, Titeln, Inschriften und Bildern spielten. Immer wurden sie dadurch vom ernsten Zwecke verlockt, bis dieser verschwand wie ein Regenbogen in Wolken.

In Schriften wie im Leben lasset uns der Eitelkeit entsagen, so hört die Verführung zu niedriger Eitelkeit von selbst auf. Niemand erlaube sich ein unehrliches (mal- honettes) Lob, wäre es auch des Lobenswürdigsten Fürsten und Herrn, Patrons und Macenaten; niemand dagegen auch den kleinsten unredlichen Tadel. Beide eutehren den, von dem sie

Herders Werke ¡. schön. Lit. u. Kunst. XII.

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kommen; jenes oft auch den, auf den es fällt. Er muß sich schẳmen des Lobes. Am fernsten sei von uns bettelnde Ruhmsucht, Schulen- und Cabalenmacherei; und wenn uns diese nicht gelingt, vers kappter Groll, kriechende Verläumdung.

Wer lieset jeßt die alten deutschen Jubel auf Marl borough, u. f. schweige auf die Fürsten, Minister und promovirte Doctoren, die damals glänzten? Man bedauert bei ihnen, auch in den schlechtsten Gedich, ten, die mißbrauchten schönen Worte unsrer Sprache a).

a) Wer aus dem Anfange des verlebten Jahrhunderts, das man mit der größesten Ueberzeugung für das aufgeklärteste der Welt hielt, Sammlungen deutscher Musenfrüchte lesen will, sehe Heraus vermischte Nebenarbeiten, Wien 1715. Vollständis ge Schazkammer der deutschen Dicht- und Reimkunft von Jung. Ulm 1729. Auserlesene moralische Gedichte, gesamms let von Benj. Neukirch, Hofmannswaldau u. a. Gedichte 1734 u. f. f. f.

6.

Brief e,

den Character der deutschen Sprache be

treffend.

Erster Brief.

Kein Volk, mein Freund, das je, zu einiger Culs tur gelangte, konnte bildlicher Vorstellungen ents behren; die Sprachen der Wilden selbst sind voll von Allegorieen, d, i. von übertragnen Begriffen, von Versuchen sich im Körperlichen das Geistige, im Bes sondern das Allgemeine abzubilden und zu bezeichnen. Die ganze Form der menschlichen Organisation und Denkart vermag es nicht anders.

Mit mancherlei Sinnen und Seelenkräften, die dem ersten Anblick nach unvereinbar scheinen, neh men wir um uns ein ungeheuer vielartiges Weltall wahr, und eignen uns dasselbe mit solcher Innigkeit zu, daß wir über die Kraft in uns, die sich aus und in Allem ein Eins schaffet, erstaunen. Jeder Sinn vereint und sondert; aus allen vereint der innere Sinn die Empfindung und läutert, was ihm Jene. zuführen. Die schaffende Einbildungskraft (ein wunderbares Vermögen) entwirft und ruft aus allem Empfundenen neue Gestalten mit unglaublicher

Schnelle und Leichtigkeit hervor, knüpft sie nach eis nem dunkel- empfundenen Gesez des Raumes, der Zeit und der inneren Thätigkeit zusammen, bis der Verstand sein göttliches Siegel des Erkennens, des Erfassens darauf drückt, und nach seinem innigen Wesen, das Ursache und Wirkung zugleich ist, sïe an das Band fortgehender Ursachen und Wirkungen knüpft. Wie nun diese mit mancherlei Namen ges nannte Kräfte in uns von Einer Wurzel ausgehn und zum Gipfel emporstreben: so ist auch das Ger schäft, an dem Sinn und Empfindung, Phantasie und Verstand unaufhörlich schaffen und wirken, nur Ein Geschäft; und welches ist dieses? Ins Chaos der Dinge Ordnung zu bringen, durch Selbstthåtigkeit sich diese Ordnung zu schaffen, aus dem Un, endlichen sich ein Endliches, aus dem unermeßbar: Vielen sich ein genießbares Eins zu erwirken.

Dies uns errungne Gut bezeichnen wir, mit Freude des inneren Sinnes und Geistes; wir nen, nen es unser, mit Freude des Herzens und der Em. pfindung. Geschehe die Bezeichnung mit Umrissen des Sonnenstrals und der Farben im Raum, oder durch Verknüpfung dreier Momente, der Vergan, genheit, Gegenwart und Zukunft in der Zeit, oder mittelst der noch innigern Verknüpfung von Ursache und Wirkung, die ganz geistig zur Geisterwelt ge höret; allenthalben wird durch dies Geschäft Ords

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