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Ein neues Ding, und nennet es Vernunft,
Die gern und frei in losen Zünften ist.
Ihm list die Gratie den Gürtel auf,

Ihm schenkt der plumpe Gott den Becher ein.
Durch tausend Larven, tausend Amuleten,
Durch tausend Schlummersäfte, åffet er,
Bezaubert und berauscht, und wieget ein
Das luftbethörte, trunkene Gemüth.

Was dim Verstand misfiel, misfällt nicht mehr;
Woran der Stolz sich stieß, stößt er sich nicht.
Er und die Wollust, Feinde von Natur,
In stet im Krieg, wer in uns herrschen soll,
Vereini gen sich in unselgem Frieden,

Des Wißes Flickwerk, führen Hand in Hand
Die Ucppigkeit, zu feiner Lust erhöht.

Verflu chte Kunst verwischt die schuldge Schaam
Der 2Bangen, und streicht jede Schandthat an.
Man lächelt im Verderben, rühmet sich

Der Schuld, und Schande steht und wirbt um Lob.

So viel der Mensch zum Wohl der Seele schrieb,
Der finnlichen Moral ist doch weit mehr:
Die Hälfte der gelehrten Welt ist voll

Von Redner Blumen auf des Lasters Greul.
Wird denn ein Blat entsündiget durch Wit,
Und Missethaten heilig, durch Gesang?

Jedoch, verdamm' um die verworfnen Lieder

Die Muse nicht, die ihren Adel kennt,
Nicht an der Erde bleibt, nein, hålt die Welt
Für was sie ist, im Umfang der Natur
Für ein geringes Punkt, von wannen sie
Sich um den ganzen weiten Raum erhebt,

Sich schwinget mit des Geistes höchstem Schwung'

Durch

Durch alle Wesen zu der Wesen Quell,
Und weiß, in aller Unermeßlichkeit

Ist nichts, als was die Sitten beffert, groß.
Wie? fingen nur Sirenen, Engel nicht?
Die Dichtkunst ziert ein großmuthvoller Stolz,
Wenn sie zu ihr, die wohl nicht weiser ist,
Zur Prosa, ihrer jüngern Schwester, spricht.

Herders Werke. schön. Lit. 11. Kunst, XII.

15.

Epope e.

Als Deutschlands erster Sånger, Klopstock, starb, und ein so zahlreicher Leichenzug ihm zum Grabe folgte, war es gemeine Frage:,,wie? von denen, die ihm oder vielmehr sich selbst diese schöne Ehre erzeigen, wie viel oder wenige, mögen seyn, die ihn kennen, die ihn gelesen, die von seinen Verdiensten auch nur einigen Begriff haben?" Und nicht neidig war die Frage, sondern natürlich; seinen innigsten Freunden war sie die nächste.

,,Als im Jahr 1748 die drei ersten Gesänge seines Meßias zuerst erschienen, sagte Kritias, wie war uns, meine Freunde? Nicht anders, als (um in des Dichters eigner Sprache zu reden) wie, wenn

Ueber beeisete Höhn ein festlicher Morgen emporsteigt. Nicht nur eine neue Sprache, sondern gleichsam eine neue Seele, ein neues Herz, eine reinere Dichts kunst. Als wir, Jünglinge noch, seine ersten lyris . schen Gedichte lasen, war es nicht, als ob die Alten uns nåher gerückt, als ob, um in unsrer Sprache zu dichten, Horaz und die Musen vom Himmel nieders gestiegen wären? Ohngeachtet des wilden Krähges schreies über diese Sprache und Dichtkunst währete der Eifer für dieselbe ein Viertheil - Jahrhundert und långer fort, bis, als der eilfte Gesang des Meßias,

als die spåtern lyrischen Gedichte, als Salomo, Das vid, Hermann erschienen, in vielen dieser Eifer unge. heuer erkaltet war. Wie wenige mögen Hermanus Lod, wie wenige des Meßias zwanzigsten Gesang, noch weniger seine gelehrte Republik, seine grammas tischen Gespräche gelesen haben? Declamirte man

nicht endlich gegen alle biblische Poesie? und sagte laut genug, die Zeit der Patriarchaden, der Epopee überhaupt sei zu Ende ?

„Das wolle der Himmel nicht, sagte Olympikus. Damit wir aber nicht über oder gar für Den zu reden scheinen, der unsre Fürsprache gar nicht bedarf, so wollen wir lieber die Materie rein erfassen, und als ob wir am Fest Apolls Theorenien feierten, alle Götter zu uns einladen." Sie wurden über die Eins richtung dieses Festes Eins, daß es ein friedlicher Kampf seyn sollte, in welchem Niemand namentlich auf den Vortrag des andern Rücksicht nehmen und Olympikus den Anfang machen sollte.

Theoreni en.

1. Vom Heiligen der epischen Dichtkunst.

Wenn die Romanze so gern und am liebsten Abentheuer singt, und der Held der Epopee dergleis chen auch am liebsten bestehet, verfolgen beide nicht Einen Zweck auf verschiednen Wegen? Die Romanze in kurzen Versen und Strophen; die Epopee in jes

ner långeren Versart, die eben deswegen auch die heroische, und von einem Lieblingsgedicht der mittleren Zeiten, dem Heldengedicht Alexander nämlich, die alexandrinische genannt ward. Für den Ge fang theilte Sene (die Ballade) den Vers; dem les fenden Auge rückt diese (die Epopee) zwo Zeilen ans einander; so ward mittelst einer Cåsur der Vers heroisch. Und da das Auge långer lesen, als die lebendige Stimme singen kann, so dehnte man wie das Sylbenmaas, so auch das Abentheuer aus, man unterbrachs mit Episoden; im långeren Gange ward der Schritt gehaltner, vester; die Stellung anståns diger, würdiger; so bidete sich aus der Romanze die epische Dichtung."

Dem allem wohl; das Auständigste, Würdigste aber, was dieser Dichtung ziemte, blieb dennoch das Göttliche (981), das Leben der Götter mit Mens schen, die Einwirkung des Himmels auf die Erde; dies ist die Seele des epischen Gedichtes. Nehmt das Göttliche aus Homer, so schwach und als bern es uns zuweilen dünke; Ilias und Odyssee wers den nichts als Abentheuer sagen, die eine bloße Ans kündigung und Anrufung der Gedächtnißmuse bei weitem noch nicht zum Epos erheben. Nehmet der Ilias den Sohn der Thetis; ihre ganze Zurüstung ist dahin. Durch den Beistand der Götter dages gen, durch der Unsterblichen Rath und That segelt und spricht selbst die Argo; Agamemnon träumt,

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