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Reim ergeßten, (des Namens rimas selbst als Tis tels seiner Werke schämt sich kein Dichter) wer weiß nicht, daß eben an ihm die Süßigkeit der sogenannten Minnesänger wie in Blumenkelchen sich erzeige? Gedanken und Empfindungen wiederholen sich in ih nen oft und für uns zu oft; die Sprache der Ans muth, vorzüglich die Reime machen ihre Blüthen neu und schön, Als die poetische Kunst zur Meistersäns gerei herabsank, erhielt sie sich noch an schönen Weisen und Sylbenmaaßen; an solchen richtete sie sich in Opit, Flemming, Canik, Besser, obgleich mit schwachen Kräften wieder auf, und als sie in Hage. dorn, Gleim u. a. reiner aufblühte, was half ihnen dazu, als die schöne Kunst (gaya cientia) der Trus badoren? Lese man Hagedorns Anmerkungen zu seinen Gedichten, um wahrzunehmen, mit welchem Fleiß er vom Schönsten, was er kannte, Blumen gesanımlet, wie zart er sie geordnet! Seine Jugends gedichte verwarf er völlig und unerbittlich. Gleims früheste sind fast seine besten Lieder; die drei Romans zen, die er zuerst in unsrer Sprache sang, sind noch únübertroffen die artigsten, die naivsten. So Ewalds u. a. unbillig vergessene kleine Gedichte; so Gerstens bergs Tändeleien, in denen, wie ein anmuthiger Bach, der Reim Blumenstücke des Adonis durchs spület. Ja, soll er noch vergessen seyn, der aus seiner Winterburg wie eine Nachtigal hint.r dichten Zweigen sang, in seiner Sprache die zierlichsten Kränze

flocht und sich in Reimen und ohne Reim in jedem angenehmen Sylbenmaaße an jedes niedliche Sylbenmaaß versuchte? Das Andenken seines Freundes an ihn, das hier folgt, wird Jedem seiner Freunde, obwohl auf eine traurige Weise angenehm seyn. Ers scheint die gewünschte Sammlung seiner Gedichte, so wird Jeder, die ihm liebsten als Myrten um sein Grab pflanzen. a)

a) Auf diesen Auffah folgte das Andenken an einen Besuch bei dem ehemaligen würdigen Superintendenten Johann Niklas Gòg, zu Winterburg in der hintern Grafschaft Sponheim, von Herrn von Rnebel.

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14.

Volks gesang.

Heißt also die Romanze, obwohl ihr nachher der Gebrauch eine engere Bedeutung gegeben, eigent, lich nichts als Muttersprache der südlichen Länder Europens und in ihnen Volksrede, Volksgesang: so lasset uns von Sprachen und Sylbenmaaßen weg auf ihr Wesentliches, den Inhalt sehen und dessen Res gel erkunden. Nordwärts der Alpen tönen die Völk ker nicht zur Guitarre; das Durandarte, Durandarte; o Belerma, o Belerma, Rio verde, rio verde sind nicht ihre gewöhnlichen Anklänge; wohl aber Jamben zum Horn, zur Trommete, zur vollen stars ten Harfe.

Der Percy aus Northumberland und dergleichen im männlichen Tritt und Takt sind ihre Anklänge, in welchem Sylbenmaas denn auch, wie die alten Melodien zeigen, zwei Zeilen zusammenges hören. Unter dem nordischen Klima ists natürlich, daß, wie das Bardit scharf an die Schilde stieß und die Skalden in zwei Zeilen drei ähnliche Anklänge (Ala literationen) statt des Reims liebten, alles hier mehr auf An- als Ausklang gerichtet werde, mehr auf ans dringende Macht, als auf süßzerschmelzende Liebe. Diesen Tönen folgt ihr Inhalt. Wie noch im Todtenreiche der zusammengedrängte Volkshaufe

Alcaus Abentheuer und Unglücksfälle zu Land' und Meer, der Sappho Klagen, über ihre unglückliche Liebe, vor allem aber Schlachten, Schlachten, vertriebne Tyrannen u. dgl. am begierigsten hört, und jeden Ton derselben gleichsam einsauget, da auch der Höllenhund selbst die struppigen Ohren senkt, und die Riesen der Vorwelt horchen: a) so sind auch unter dies sem Mond und Sonnenlicht Abentheuer, Unglücksfälle, Thaten, tapfre Thaten der Våter, die Klagen uns glücklicher Liebe, vorzüglich aber die Gerichte der Adrastea, wenn sie den Böfen ereilet, den Uebermuth stürzt, Untreue råcht, den Recken über die Schranken treibt, sie und ihresgleichen Ereignisse im Lauf der Welt, sind Lieblingsinhalt der Volkslieder. Blickt vollends Nemesis ins Dunkle, und führt von dortaus die Verbrechen hervor, indem sie solche aus Grás bern und Hölle ans Licht fördert, dabei aber ihre Enthüllungen an solche und solche, stille Zeichen und Winke knüpfet, desto mehr erhöhet sich das Grausenhafte, die Lieblingsfarbe der Volksdichtung, bis wenn die Dienerinnen der Adrastea, die Poine, Dike oder gar die greßliche Erynnis erscheinen, jes ner Schrecken, der stumm macht, erscheint und gleichs fam tantalisiret.

Nun bedarf es kaum eines Worts über die Frage: ob Juhalt und Gesang gemeiner Volkslies

a) Horat. Carm. L. II. 13.

der gleichgültig seyn dürfen ? denn wie könnten sie dies seyn, da das Lied ein so gewaltiges Mittel aufs Herz zu wirken, ja gewissermaaßen die unverholene Spra che des Herzens selbst ist? Möge es einsam oder ges fellig gesungen werden; dort soll es die Seele beruhis gen, hier anfeuren; (immer aber beschäftigt es sie;) kanns gleichgültig seyn, durch welchen Inhalt, in welcher Tonart? und welche dieser beiden die geheime Neigung unsres Herzens liebe? Bekanntlich waren die Griechen auf die Beschaffenheit sowohl, als den Inhalt der Musik, womit das Volk unterhalten, wodurch die Jugend gebildet ward, aufmerksam; so geziemets.

Die Melodieen unfrer alten Volkslieder, da sie meis ftens dem Horn gehören, sind einfach; einfach der Jus halt, oft abentheuerlich, oft grausam. Indeß haben wir andre, die zu edeln Gesinnungen aufrufen, andre die edle Thaten selbst darstellen; audre, die die zartesten Seiten des Herzens regen; Klagen unglücklicher Müts ter z. B., Seufzer einer verlassenen Braut, oder ends lich die Stimme Treuliebender auch jenseit des Grabes. Welche Seite dieses Juhalts wollen wir wählen? Ros hen Aberglauben, wilden Stolz, sinnliche Brunft, nichtige Thorheit? oder wollen wir die Enden des alten Glaubens im Herzen der Menschen erfassen, um es zu besänftigen, zu mildern, für Tugend und Liebe zu erwärmen? Wozu verlich uns die Müse Trømmet und Cither, Harfe und Pfalter?

Oder wollen wir gar den Gott herab, das Höllens

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