Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

selbst und den Menschen, der sie so gebrauchet, in einem hos Hen Grade vollkommen machen.

Wer also in keinem Worte fehlet, dassen Rede ist ersts lich immer für ihn und andere verständlich. Er reder nicht, blok um zu reden, oder andere dadurch, daß er sich des Ges sprächs ganz bemächtigt, am Reden zu hintern. Er redet nicht, um seine Zuhörer zu verwirren, oder die Unwissen, den und Schwachen unter ihnen durch leere Tone, durch Wörter, die sehr viel zu sagen scheinen, und doch wenig oder nichts sagen, zu betäuben und in ein gewisses Erstaus nen zu sehen. Er reder nicht, um gelobt oder bewundert, sondern um verstanden zu werden. Er dentet also erst selbst, ehe er redet; sucher erst Licht und Ordnung und Verbindung in seine Gedanken zu bringen, ehe er sie andern durch Wör ter mittheilet; giebt nie mehr, als er hat; verlanger nie verständiger und weiser zu scheinen als er ist; spricht nie von Sachen, die er nicht versteht; oder wenn er es thut, so ges schieht es bloß, um sich davon unterrichten zu lassen. Er schåmet sich weder siner Unwiffenheit in den meisten, noch seiner eingeschränkten und mangelhaften Erkenntniß in den übrigen Dingen; und sucher also weder jene noch diese durch Hochtönende, schwülstige, ihm selbst nicht recht verständliche und vielleicht bloß von andern erborgte Wörter, oder durch dunkle, den Ungeübten, vermittelst eines gewissen Scheins von Tieffinn, täuschende Sprüche zu verbergen. Er wäh let und gebrauchet vielmehr immer die leichtesten, bekanntes sten, faßlichsten, und zu jeder Sache sich am besten schickens den Wörter und Redensarten. So natürlich und unger künftelt seine Gedanken und Empfindungen sind, eben so nas türlich und ungekünftelt ist auch seine Sprache. Suchet er derselben Schönheit, Stärke, Adel, Würde zu geben, fo thut er solches nur in so weit, als es mit der Verständlichkeit bestehen, oder dieselbe befördern fann. Nie verwechselt er die Zeichen mit den Sachen selbst, die dadurch bezeichnet werden;

[ocr errors]

werden; und jene verlieren in seinen Augen ihren ganzen Werth, sobald sie keine deutlichen Vorstellungen von diesen in ihm und andern erregen können. So wenig er sich selbst, weder in den Geschäften und Angelegenheiten des gemeinen Lebens, noch in Religionssachen durch Wörter und Redenss arten, wobei er nichts denken kann, täuschen, oder sich dies felben als Gedanken und Begriffe unterschieben lässt, eben so wenig suchet er andere dadurch zu räuschen, oder fie daran zu feffeln. Nie wird er also z. B. Geheimnisse, die er selbst für Geheimnisse im strengsten Sinne des Worts oder für- ganz unbegreifliche Dinge hält, zu errklåren und zu bes stimmen sich bemühen, oder diese Bestimmungen andern als Gesetze vorschreiben. Nie wird er, Wörtern, die er nicht versteht, besondere Kräfte und Wirkungen, oder einen bes sondern geheimnißvollen Sinn andichten, oder darin Nahrung für seine Andacht und Frömmigkeit, Stüßen seis ner Hoffnung und seines Vertrauens suchen. Er lässt sich dabei gern zur Fassung eines jeden herab, spricht gern mit jedem die Sprache, die ihm am bekanntesten und geläufigsten ist, führt ihn gern auf dem kürzesten und leichtesten Wege zum Verständnisse dessen, was er saget, und erschweret ihm dasselbe nie weder durch ermüdende Weitschweifigkeit noch durch räthselhafte Kürze, noch durch eine fremde und verals tete Bildersprache, noch durch dunkle Anspielungen auf Mens schen und Dinge und Zeiten, die zu weit von seinem Ges sichtskreise entfernt sind. Wie viel, *m. a. 3., wie viel seßet aber nicht schon diese erste Eigenschaft der Rede bei dem Menschen, der sich derselben stets so bedienet, voraus! Welch einen gesunden, richtigen Verstand! Welch eine Lebung im deutlichen und ordentlichen Denken! Welch eine Aufmerksamkeit auf sich selbst und das, was er redet! Welch eine edle Liebe des Natürlichen und Ungefünftelten! Welch eine weise Sorgfalt, weder sich noch andere zu täuschen! Welch ein unpartheilsches Urtheil von dem Umfange seiner Einsichten und Kenntnisse! Welch eine Entfernung von al

[ocr errors]

Lem

[ocr errors]

Tem Stolze, aller Eitelkeit, aller Prahleret, aller falschen Ruhmbegierde! Welch eine uneigennützige Bereitwilligkeit, andern das, was man hat und weiß, und so, wie man es hat und weiß, mitzutheilen! Und vor wie vielen moralischen Fehlern muß nicht dieses alles den Menschen bewahren! Wie sehr muß es ihm nicht den Weg zu jeder andern Tugend und Bollkommenheit bahnen! Wie viel geschwinder und sicherer muß er nicht auf demselben fortgehen!

Wer in keinem Worte fehlet, dessen Reden sind zweitens immer richtig und genau bestimmt. Er will nicht bloß einigers maßen und ohngefähr verstanden werden, nicht bloß etwas von seinen Gedanken und Empfindungen andern mittheis len, sondern so viel möglich eben die Gedanken, und Ems pfindungen in ihnen erwecken, die er selbst hat; die Dinge, von welchen er redet, nicht bloß bezeichnen, daß man sie zur Moth von andern unterscheiden kann, sondern so, daß man sie wirklich kenne, und für das halte, was sie sind. In dieser Absicht hätet er sich sorgfältig vor allen zweideutis gen, vieldeutigen, unbestimmten Wörtern, vor allen Arten zu reden und sich auszudrücken, die zu viel oder zu wenig fägen, und die Sachen größer oder kleiner, besser oder schlechter vorstellen, als sie wirklich sind; bedienet sich der Wörter, die er gebrauchet, immer in derselben Bedeutung; verwechselt die Namen der Dinge so wenig als die Dinge selbst mit einander; und weiset einem jeden die Stelle und den Rang an, die ihm zukommen. Dieß, m. a. 3., ist eine Sache von der dußersten Wichtigkeit, von dem größten Einflusse in unsre Gesinnungen und Handlungen. Welche Fehler, welche Irrthümer vermeider nicht der Mensch, der in dieser Absicht in keinem Worte fehlet! Und welch eine ganz andere und viel beffere Richtung müsseni` nicht dadurch seine Neigungen, seine Begierden und Bestrebungen bekoms men! Er nennet das Kleine klein, und nur das Große groß: ihm ist nicht alles, was etwa ihn oder andere ftårker rühret,

unends

Er tens

unendlich schön, unendlich gut, unendlich groß. het nur Ein unendliches Wesen, und das ist Gott; nur eine unendliche Dauer, und das ist die Ewigkeit; nur Ein höchs Fles Gut, und das ist die Gunst und das Wohlgefallen Gotr tes. Der innere Werth der Dinge bleibt in seinen Augen imaier derselbe, fie mögen gegenwärtig oder abwesend seyn, ihn selbst oder andre betreffen, und er bezeichnet sie nicht nach zufälligen Umständen, sondern nach ihrem kleibenden Werthe. Ihm ist also nicht jedes Gut, nach welchem er jeht strebet," oder das er jeßt eben erhält, bloß deswegen das begehrenswürdigste, nicht jede Lust und Freude, die er jeßt genießt bloß darum, well er sie jest genießt, die reinste und höchste; nicht jedes Uebel, worunter er eben jest leidet, bloß darum, weil es ihn gegenwärtig drücket, das schwerfte z nicht - jedes Laster, wovon er etwa spricht, das schädlichste und verderblichsts; nicht jede Tugend, wovon eben die Rede ist, die schönste und wichtigste. Er verwechselt das Gute nicht mit dem Bessern und das Bessere nicht mit dem Besten; das Bise nicht mit dem Schlimmern, und das Schlimmere nicht mit dem Schlimmsten; nennet das Gute nur gut, das Böse nur bds, den Fehler nicht Berbrechen, und das Vers brechen nicht Fehler, die Schwachheit nicht Bosheit, und die Bosheit nicht Schwachheit, die, Uebereitung nicht Vors fah, und den Vorsaß nicht Uebercilung. Eben so wenig verwechselt er Glück und Glückseligkeit, Unglück und Unglücks seligkeit mit einander; preiset nie den Reichen und Großen, bloß weil er reich und groß ist, glückselig, und hålt den Ars men und Niedrigen nie bloß deswegen, weil er arm und niedrig ist, für unglückselig. Alles und etwas; nichts und wenig; allezeit und öft; niemals und felten; ganz gewiß und vermuthlich; Absicht und Ausgang u. s. w. das sind als les Wörter, vor deren Verwechselung er sich sorgfältig hütet, die er nicht, wie die meisten Menschen, als ziemlich gleich, viel bedeutend gebrauchet. Und wie viele falsche, ungerechte, lieblose Urtheile mit allen ihren schårlichen Folgen vermeidet

[ocr errors][merged small]

er nicht dadurch! Nie schreibt er einer ganzen Art und Classe von Menschen oder Dingen etwas zu, das nur einigen von ihnen zukommt; nie, giebt er das Ganze, den ganzen Chas rakter, das ganze Verhalten einer Person, z. B. für gut oder böse aus, wenn nur ein Theil desselben so beschaffen ist; nie schliesst er aus dem, daß eine Sache einmal oder mehrere male oder oft so gewesen ist, und so gewirket hat, daß sie allezeit so seyn und wirken werde, oder, weil solches selten geschehen ist, daß es niémals geschehen werde; nie behauptet er das mit zuverlässiger Gewißheit, wovon er nur eine kleis nere oder größere Wahrscheinlichkeit hat; nie hålt er Dinge, die auf einander folgen, bloß deswegen für Ursache und Wirkung, für Verdienst und Belohnung, für Schuld und Strafe. Und da er sich so in allem, was er sagt, der Richy tigkeit und Genauigkeit im Ausdrucke befleißigt, welche vor trefliche Eigenschaften, welche moralische Vollkommenheit seßet nicht dieses bei ihm voraus! Welche sorgfältige Ueberlegung und Abwiegung des Werths der Dinge! Welch eine Festigkeit der Urtheile und Grundsäße! Welch einen sichern Geschmack an dem Schönsten und Besten! Welch eine Herrschaft über sich felbst und über die Eindrücke, welche die äussern Gegenstånde auf uns machen! Wird sich ein solcher Mensch von sinnlichen Dingen blenden, durch die Sprache des Schmeichlers tåu schen, durch das Geschrei der Leidenschaften verwirren und betäuben, durch Sport und Gelächter irre machen lassen? Wird er sich blindlings nach dem herrschenden Tone richten, andern blindlings nachahmen, oder ihre Meinungen und Urtheile ungeprüft nachbeten? Wird er mit dem großen Haufen von eben derselben Sache oder Person heute so, mors gen anders reden und urtheilen? fich von jedem Scheine einer weisen oder frommen Sprache, von jedem Orakelspruch des Ungläubigen, oder des Zweiflers, oder des Abergläubis gen, oder des Schwärmers täuschen lassen? Gewiß, wer stets richtig spricht, der wird und muß auch stets richtig Benten und handeln.

Wer

« ZurückWeiter »