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Die Gerechtigkeit erhöhet ein Volk, aber die Sünde ist desselben Berberben. Wir braut chen zur Empfehlung dieser Wahrheit nicht erst anzuführen, daß es Worte eines Regenten find, der in der Geschichte als einer der weißesten Fürsten bekannt ist; auch dies nicht, daß fie aus einem Buche genommen sind, dessen Aussprüche wir für göttlich annehmen. Es ist eine Wahrheit, die sich uns mittelbar selbst empfiehlet, die auf das unmittelbare mensche Liche Gefühl einen Anspruch macht, die die Geschichte aller Lånder bestätigt, und die, wenn die Staatskunst es auch ger wagt hat, sie zu vernachlässigen, durch den schrecklichsten Verfall der blühendsten Staaten, andern zur Warnung sich gerochen hat. Wir müssen nur dies Wort, Gerechtigkeit, nicht in der eingeschränkten Bedeutung nehmen, da man nur Die Pflichten darunter begreift, die ein jeder das Recht hat von dem andern zu fodern. Diese Gerechtigkeit kann höcht stens die dußerste Verwirrung eines Staats auf eine Zeitlang verhüten, aber sie ist allein viel zu dürftig, als daß sie die Wohlfahrt eines Landes befördern, es blühender machen, und einen allgemeinen Wohlstand über die verschiedenen Stände und Glieder desselben verbreiten fönute. Wie dürft tig, Durchlauchtigste, würde bei aller Wachsamkeit eurer Richterstühle, `und bei aller Strenge eurer Geseße unser Wohlstand seyn, wenn Gerechtigkeit nicht von euren mens schenfreundlichen und großmüthigen Gesinnungen den wohls thårigen Einfluß erhielte, wodurch wir uns, daß wir eure Unterthanen sind, so glücklich schäßen; und wir wagen es dreift zu sagen, wenn wir nichts als eure Gefeße fürchteten, und kein mächtigerer edler Trieb in unsern Herzen für euch schlüge, was würden eure weisesten Verordnungen, eure Vorzüge, eure Größe seyn? Diese Gerechtigkeit, daß wir einem jeden das Seine lassen, und ihm nur eben das geben, was er das Recht hat von uns zu fodern, ist die allernies drigste Stufe der Menschheit. Gleich unter dieser, was wäre der Regent, was wåren die Unterthanen? Der Staat

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wäre eine Mörbergrube, wo der Stärkere auf den Raub des Schwächern ausgienge, wo dem Schwächern zu seiner Be schüßung nichts als Betrug und Arglist übrig blieben, und wo Arglist, Betrug, Verrätheret und das ganze übrige Heer der verwüstenden Laster, ungeachtet aller Gesetze, sicher sich würde verbreiten tönnen. Die Gerechtigkeit, die ein Volt erhdhen soll, darf von den übrigen Pflichten, die wir unter dem allzeweinen Namen der Rechtschaffenheit, Tugend, oder Gottesfurcht begreifen, nicht getrennet seyn. Dies weiser der Gegensatz der Sünde.. Sünde begreift alle Abweichung gen von dem Geseße unter sich, welches der Urheber unserer pernünftigen Natur in dieselbe gepflanzt, und in seinem Worte noch mehr ausgelegt und bestårigt hat; und sie sind alle verdammlich, weil sie alle die allgemeine Ordnung, das erste und große Gesez der Natur, zerstören, wodurch der Schöpfer zum Beweise seiner unendlichen Weisheit und Gúte, die Glückseligkeit und Zufriedenheit: seiner vernünftigen Gu schöpfe erhalten wollen. Und so begreift auch die Gerechtigs keit zuvörderst alle die wohlthårigen Pflichten in sich, die unsre vernünftige Natur nach dem Verhältniß, worin wir mit unsern Mitgeschöpfen stehen, von uns fodert, und wozu der Schöpfer uns die Fähigkeiten gegeben hat. Gott hat und die Fähigkeit gegeben, daß wir mehr als gerecht gegen einans der seyn können; wir können alle zur Vermehrung der allges meinen Wohlfahrt, zur gemeinschaftlichen Erleichterung uns sers Lebens, und zur Verbreitung einer allgemeinen Zufries denheit behülflich werden, und der niedrigste hat hiezu denseli bigen Beruf, und bei aller seiner Dürftigkeit, zu seinem Traste dieselbige Fähigkeit, die der allererste hat. Auf diese allgemeine Wohlthätigkeit· ist: die Dekonomie unsrer ganzen Natur und der ganzen menschlichen Gesellschaft eingerichtet, Die Thiere brauchen zu ihrer Erhaltung von ihren Mitges schöpfen keine Hülfe; ein jedes findet in seinen Gliedern und in seinem Instinkte für sich allein alles, was es zu seiner Volle kommenheit braucht. Aber dies ist auch der Beweis und der

Grund

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Grund von ihrer niedrigen Bestimmung, daß sie Thiere sind, und eine Höhle, ein Kraut, ein Wurm, ist alles, was ste von dem ganzen Reichthum der Natur genießen. Aber der Mensch kömmt dürftig und hülflos auf die Welt, und in allen-Umstånden seines Lebens bleibt ihm die Hälfe seiner Mitgeschöpfe eben so unentbehrlich, als sie ihm in der Wiege mar. Und dies ist der Beweis und der Grund von seiner höhern Bestimmung, daß er, als der Herr der Erbe, zur Vermehrung seiner Vollkommenheit an dem ganzen Reichs thum der Natur Theil haben soll; und hierzu sollen alle, ein jeder nach seinen Fähigkeiten, mit gemeinschaftlichem Wohls wollen behülflich werden. Deswegen pflanzte Gott den Trieb zur Geselligkeit so nahe in unsrer Natur an den ersten Erhals tungstrieb, und machte aus beiden nur Einen gemeinschaft. lichen Grundtrieb; und deswegen vertheilte er die Güter, die Fähigkeiten und Kräfte unter uns mit der unendlichen Weis, heit, damit ein jeder durch das Gefühl seiner eignen Dürf tigkeit, und durch die Liebe zu sich selbst angetrieben, so viel | williger würde, die Fähigkeiten, die er zu seinem Antheil bekommen hat, zu dieser gemeinschaftlichen. Wohlfahrt mit anzuwenden, Denn dieser ist nach der Absicht des Schöpfers der Natur alles gewidmet; es ist alles für uns, aber auch zugleich für das Ganze bestimmet; und je treuer wir an dies fer allgemeinen Wohlfahrt mit arbeiten, je vollkommener ift zu unsrer Vergeltung die unsrige zugleich. Die ganze Societat, worin wir leben, ist nur Ein Leib, aus unzählt, gen Gliedern und Muskeln von verschiedenen Kräften zusams mengesetzt, die alle nach bem Maß ihrer Kräfte und Bere bindung, zu ihrer gemeinschaftlichen Erhaltung gleich unents behrlich sind; das Haupt den Gliedern, die Glieder dem Haupte. Der ganze Leib ist dazu eingerichtet, dem Herzen als dem edelsten Muskel alle Lebenssåfte zuzuführen; aber eben dieser Zufluß soll dem Herzen auch ben Reiz geben, daß es durch seine vorzügliche. Kräft diesen Lebenssaft in alle Ge, fäße wieder vertheile, und den ganzen Leib in seiner gesunden

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Wirksamkeit dadurch erhalte. Dies also, daß wir mit eis pfindsamer Aufmerksamkeit in die Situationen und Angeles genheiten unsers Nächsten hineingehen, und seine Empfin dungen nach den unsrigen beurtheilen, und daß wir mit liebs reicher Gefälligkeit, nach der Verbindung, worein die Vors sehung uns gefekt hat, unser Ansehen, unser Vermögen und unsre Fähigkeiten dazu anwenden, daß das Elend dieses Le bens gemindert, und hergegen der Wohlstand, die Zufriedens heit allgemeiner werde: Dies ist die wahre Gerechtigkeit, die wir nach der Absicht des weisen Urhebers unsrer Natur einander schuldig sind; der erste Beruf unsrer Natur, der edelste, wozu sie erhoben werden kann; das große Gesetz, das alle andere gesellschaftlichen Pflichten unter sich begreift; Der erste Beweis, daß wir Menschen sind, und daß wir den Namen von Menschen, und die Achtung als Menschen vers dienen. Und dies ist der einzige wahre Patristismus, die erste Stüße des Staats. Denn wo dieser Geist eines allge meinen Wohlwollens fehlt; wo der Regent die Kräfte seiner Unterthanen ohne Rücksicht auf ihre Wohlfahrt, nur zur Vermehrung seiner unumschränkten Größe und zur Nahrung feiner Leidenschaften anwendet; wo der fühllose Unterthan die leichtesten Lasten, die der allgemeine Wohlstand des Staats und die Würde des Regenten und seines Hauses erfodern, mücrisch trågt; wo er zur Beförderung der heilsamsten Ans stalten unwillig und tråge ist, und mit meineidiger Gleichs gültigkeit dem gehemmten Fortgange derselben zusieht; wo ein Stand dem andern seine Vorzüge und Rechte zu schmås lern, der eine Bürger dem andern seine Absichten zu zerstös ren, und sein Glück durch dessen Krånkung zu machen sucht; wo alles nur seinen einseitigen råuberischen Absichten gewissens los nachgeht, Betrug und arglistige Hintergehungen, und Vervortheilungen ihre Schande verloren haben, und allens falls ihren sichern Schuß zu finden wissen: da ist der Vers fall eines Landes unvermeidlich, und die allgemeine Wohle fahrt kann nirgends zu ihrer fruchtbaren Stärke kommen.

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Die besten Anstalten bleiben bei den eigennäßigen Privats absichten ohne Wirksamkeit; die noch übrigen einzelnen wohls gemeinten Gesinnungen verlieren den Muth, der Handel seinen Glauben, die erwerbenden Künste thre Nahrung; der muthiose Ackermann verläßt seinen ergiebigen Acker, und glaubt eher seinen Unterhalt in den unbebauetsten Gegenden zu finden; der Zufluß der Nahrungsmittel hat mir den Abs flüssen kein Verhältniß mehr; die Anzahl der måßigen und dürftigen Hånde nimmt immer ju, und die Armuch macht, weil kein allgemeiner wohlthätiger Geift da ist, der für ihre Beschäftigung und Nahrung sorgt, die innerliche Enttråfs #tung immer größer. Aber wo der Regent, von menschens freundlichen Gesinnungen belebt, seine Unterthanen als seine Nächsten, und ihre Wohlfahrt als die seinige ansieht; wo er seine Vorzüge, seine Größe nur um ihrentwillen zu haben glaubt; wo alle öffentliche Landeseinkünfte ein heiliger Schaß in find, welcher der allgemeinen Wohlfahrt gewidmet bleibt; wo der Unterthan dagegen seine Freude in die Zufriedenheit feines Fürsten setzt, und nach dessen Würde und dem Glanze seines Hauses seine eigenen Vorzüge schäßt; wo er zur Bes förderung aller gemeinnüßigen Anstalten seine Kräfte treu mit anwendet,`und die Lasten, die dazu erfordert werden, willig trågt; wo dieser Geist des Wohlwollens alle Stånde unter einander verbindet, und alle Glieder gegen einander von diesen freundschaftlichen Gesinnungen beseelet sind; wo Güte und Treue sich begegnen, Gerechtigkeit und liebreiche Gefälligkeit sich küffen, und wo ein jeder mit diesen Gesinnuns gen in die Empfindungen seines Nächsten hineingeht, deffen Wünsche und Angelegenheiten aufsucht, zu seiner Erhaltung und Aufnahme liebreich die Hände bietet, den Kummer, den er an ihm gewahr wird, ihm zu erleichtern, sein Glück und seine Freuden ihn, so viel es ohne Krånkung des dritten ges schehen kann, noch mehr empfinden zu machen suchts da ist die Wohlfahrt des Landes gesichert. Durch das glückliche Gefühl von seiner eignen Wohlfahrt gereizt, wird da alles

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