Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

die die Bilder der abwesenden Dinge leicht in uns tilgen und ausldschen. Ein neues Bild der Seele schwächer das alte, Ein Bild einer gegenwärtigen Sache streichet das Bild einer abwesenden aus. Und wenn man daher am Morgen die lebhafteste Vorstellung sich gemacht, so erfährt man am Abend, daß sie ganz entkräfter sey. Der Tag hat uns durch so viele Dinge geführet, daß der erste Riß, den wir uns gemacht, endlich fast verschwinden müssen. Das andere ist die Sache selbst, die wir uns vorstellen und eindrücken sollen. Sie ist traurig, der Natur zuwider, den Begierden unerträglich, Wer von uns ist nicht tråge, wenn er sich eine Sache bekannt machen soll, vor der er sich entseget? Wer von uns seßet sich gerne Gedanken in die Seele, die ihn beunruhigen, nagen und quålen werden? Ja könnten wir euch so anreden: Stel, let euch recht lebhaft die Erbschaft vor, die ihr in wenig Jahren erhalten werdet. Stellet euch recht nachdrücklich die Zufriedenheit vor, die ihr bei dieser oder jener Luftbarkeit, die man eben jeßt anordnet, geniessen werdet. Machet euch ein recht klares Bild von der Menge der Aufwårter, die ihr in euren Zimmern finden werdet, wenn ihr jene Ehrenstufe bestiegen. Wie bald würde alles in euch rege werden? Wie wenig Worte würden wir brauchen dürfen, auch die Kälte ften von euch ganz feurig zu machen? Wir könnten, mit einem Worte, alles von euch hoffen, und dürften weder beredt noch weise seyn. Unsere Ermahnung lautet ganz anders. Stellet euch euren Leib in einem Stande vor, in dem er nicht lange mehr dauern kann. Bildet euch ein Lager vor, auf dem ihr ohne Labsal und mit Angst und Unruhe liegen werdet. Uebet euch, den Kittel zum voraus recht zu betrach ten, in den man euren erblassten Leib wickeln wird. Sehet in die Grube hinein, in die man eure Gebeine senten wird. Nehmet alle Kraft eures Geistes zusammen, den Tod, die Ewigkeit, das Gericht des Herrn recht zu bedenken. Wer kann diese Reden vertragen? Wer kann dieser Ermahnung so leichte Gehör geben? Aber was ist schwer für einen Chris ften

sten, der flug werden will? Was muß denen, die ihr Vas terland suchen, unangenehm seyn, wenn es ein Mittel ist, sie auf den rechten Weg dahin zu bringen? Bemühet euch, diese Schwierigkeiten zu bestegen. Sorget, daß ihr die Umstånde und die Folgen eures Todes auf eine gewisse Art euch gegens wärtig machen möget.

Die vornehmste Hülfe in dieser Sache muß von dem, Herrn kommen, der unser Herz lenken kann, wie er will. Moses würde Gott nicht geßlehet haben, ihn zu dieser Bes trachtung tüchtig zu machen, wenn er seine Kräfte zulång. lich gefunden. Dennoch können wir selbst vieles darzu befø tragen, daß die Gnade nicht vergeblich an uns arbeite. Die Dinge, die zu unserm Tode gehören, und die nach unserm Abschiede geschehen werden, sind nicht aus der Zahl der, Sachen, die nicht anders, als mit dem Verstande können gefasset, und nicht anders als durch Nachsinuen und, Dens, ten, darin erhalten werden. Sie sind nicht von denen, Sachen, die man nur durch gewisse Gleichnisse und Bilder. tennen kann, weil wir sie erst alsdann erfahren sollen, wenn wir diejenigen nicht mehr sind, die wir jeßt heissen. Wir wissen wohl, daß es nicht so leicht sey, lebhafte Buder und Abrisse von solchen Dingen bei sich zu erwecken und zu unters, Halten. Dieß sind Umstånde und Begebenheiten, die grossens, theils gesehen, gehöret und empfunden werden können. find Dinge, die wir uns tåglich in lebendigen Exempein vorstels, len und in unsers Gleichen beobachten können, ehe sie uns, felbst widerfahren. Es sind Sachen, bie um und nebent, uns vorgehen, und die daher keinem unbekannt bleiben töns nen, der sie nicht selber vergessen und in sich auslöschen will. "Man darf nichts weiter thun, wenn man solche Dinge stets

im Gedächtnisse erhalten und recht lebhaft seiner Seelen einz brücken will, als sich oft da einfinden, wo man in dent Exempein anderer seine künftige Geschichte lesen kann. Reiss set die Gewalt der übrigen Dinge, mit denen wir umgebent find, vieles von diesen Vorstellungen hinweg, so sind wir ger

[blocks in formation]

schickt, durch eine wiederholte Betrachtung diesen Mangel zu ersehen. Folget dieser Erinnerung. Ihr werdet spåren, daß das Andenken eures Endes viel lebhafter, als es jeķt ist, in euch seyn werde. Stellet euch oft bei den Betten derjenigen ein, die ihrem Ende nahe sind. Gebet auf ihre Umstände, auf ihre Reden, Geberden, Bewegungen und Bezeic gen Acht. Betrachtet die Unruhe, die bald bei dem Sterbens den, bald bei den Angehörigen des Sterbenden sich äussert. Und betrachtet nicht nur diese Dinge: Ziehet sie auf euch Das selbst, und denket: Eben dieser Tag steht mir vor. werde ich, wer weiß wie bald seyn, was dieser Elente ist Eben diese Dinge werden auch bei mir vorgehen, wenn die Zeit meines Abschiedes da ist. Und vielleicht wird es um mein Lager noch trauriger und betrübter aussehen, als um dieses. Vielleicht habe ich mehr Angst und weniger Vers stand als dieser; vielleicht wird meine Krankheit beschwerli cher und die Handreichung in meinem Leiden geringer seyn. Stellet euch oft unter diejenigen, die nach dem Abschiede des Kranken den entseelten Leib zu seinem Begråbnisse berei ten. Und indem ihr diesen kidglichen Rest eines Menschen, der sich oft mit den größten und weitläuftigsten Anschlågen ohne Noth ermüdet hat, indem ihr dieses Stück Erde, wo vor den Hinterbliebenen allgemach grauet, indem ihr die Be mühung der Lebendigen, nur bald das Haus von diesem Abs schen der Natur zu reinigen, erblicket, so gedenket daß euch eben dieses dereinst widerfahren werde. Leger euch selbst, oder vielmehr euren Leib, den ihr so behutsam wartet und zieret, gleichsam an die Stelle des erblichenen Leibes, ben ihr vor euch sehet: Bildet euch ein, daß ihr es selbst schon seyd, die man beschicket und in ihre Grube bringen will: Denket, daß der enge Kerker, den man herbringet, den Leichnam desto anständiger fortzubringen, für euch gemacht sey: Beredet euch wenigstens bei diesem Anblick, daß die Bretter schon fertig liegen, woraus man euren Sarg bereis ten werde. Begebet euch öfters an die Herter, wo die Ges

[ocr errors]

beine derjenigen in einem engen Raum versammelt liegen, die in diesem Leben an Alter, Stand, Geschicklichkeit und Würden so sehr unterschieden gewesen. Betrachtet daselbst, wie gleich diejenigen nach dem Abschiede find, die in diesem Leben so eifrig gesuchet haben, ungleich unter einander zu werden. Denket, das, was ihr sehet, werde von euch in der Welt übrig bleiben, die ihr so sehr geliebet habet. Menger euch oft unter die Versammlungen derer, die nach dem Abs sterben der Berühmten, der Großen, der Hohen von den Eigenschaften und dem Verhalten der Abgeschiedenen reden. Brauchet das, was ihr in diesen Gesellschaften höret, die Nichtigkeit unsrer Arbeiten und Sorgen, und das Elend derer zu lernen, die, weil sie leben, keinen andern Zweck, als die Hochachtung anderer Menschen, sich vorstellen. Wie oft werdet ihr die am stärksten verachten und tadeln hören, die sich eingebildet, ohne Tadel zu seyn? Wie oft werdet ihr hören, daß die, so den größten Vorrath von Ehre und Hochs achtung zu besißen gemeinet, Spott und Unehre bei den meisten sich gesammlet haben? Wie oft werdet ihr håren, raß man die für ehrgeißige Thoren schilt, die man im Leben wie Goten angebetet; daß man die zu einer ewigen Vergess senheit verdammet, die in der Welt unsterblich bleiben wols len; daß man über den Abschied derjenigen sich freuet, die auf Ströme von Thrånen nach ihrem Leben gehoffet haben; daß man die Anstalten und Ordnungen derjenigen umstoffet, die geglaubet ewige Geseßzzeber zu bleiben? Dieß ist der Lohn der Menschen, die mit ihren Gedanken in der Welt bleiben, und sich selbst oder andern Menschen ihre Arbeiten und Sors gen widmen. Dieß ist es, was wir in der Welt gewinnen, wenn wir Leib und Geist aufgesetzt haben, den Namen der Helden, der Weisen, der Klugen, der Gelehrten zu erwers ben. Ist euer Herz voll von diesen Bildern und Gedanken, so bemühet euch, dieselben darin zu befestigen. Es sind viele, die sich gleich in die Welt und unter den Haufen der Rohen und Sichern begeben, wenn sie Regungen spüren,

[ocr errors]
[ocr errors]

die

bie der Natur entseßlich sind, um wieder munter und fröhs lich zu werden. Es wird bald mit eurer Betrachtung ges schehen seyn, wenn ihr diese zum Vorbild nehmen wollet. Entferner euch auf eine Zeitlang, wenn ihr euch recht habt kennen lernen, von dem Geräusche dieser Erde, und den. ker in der Stille und Einsamkeit den Dingen nach, die ihr so lebhaft empfunden habet. Bleibet eine Weile im Ver borgenen, und flehet mit Mose den Herrn, daß er euch lehe ren möge, das Ende zu bedenken. Diese Andacht, diese stille Ueberlegung wird euch stark machen, das Andenken eus res Todes bei euch zu bewahren, wenn gleich die Arbeiten eures Berufs, wenn gleich die verschiedenen Vorfälle dieses Lebens, wenn gleich der Umgang mit andern Menschen das selbe schwächen und entkräften wollen.

erusalem.

[ocr errors]

G. B. VIII. 1. & 440. Keiner betrat die von Mosheim gedffnete Laufbahn bald nach ihm mit so ausgezeichnetem Glücke, als Jerusalem, dem man doch zu viel thun würde, wenn man ihs bloß in dem Lichte eines Nacheiferers jenes seines Vorgẳngers und Zeitgenossen betrachten wollte. Jerufalem hatte genug eignes Tas lent, um auch ohne diese Hülfe mit eigner Kraft vortrefflich zu werden; und die meite Bildung seines Rednergeschmacks verdankte er dem Studium ausländischer Muster, besonders der vorzüglichken englischen Predigten. Auch übertraf er gewiß den mehr gelehrten Mosheim an philosophischem Geift, an Gründlichkeit und Gedans tenfüle; und dadurch erhielt sein Kanzelvortrag mebr inneren Ges halt; mehr Geißtesnahrung für gebildete und denkende Hörer und Leser, wobei es ihm doch auch gewiß nicht an den dußern Redes fchönheiten fehlte. Von diesen aber nahm der fein fühlende, dußerk scharfsinnige Mann_nur diejenigen in seinen Vortrag auf, von des nen er nicht bloß Schimmer und Schmuck, sondern Wärme und tiefen Eindruck hoffen durfte. Hier ist eine Stelle aus seiner Pres digt, nach geendigtem Landtage zu Braunschweig im J. 1770 ges balten, bei welcher die Worte Salomons, Sprüchm. XIV, 54. Die Gerechtigkeit erhöhet ein Volk; aber die Sünde ist der Leute Werderben,“ zum Grunde lagen:

« ZurückWeiter »