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ters Leiche an, welcher ihm auch das Vergnügen machte, und starb. Denn er fiel in ein hißiges Fieber, welches ihm den Verstand noch verwirrter machte, als er bei gesunden Tagen gewesen war. Er redete von nichts, als Intereffen, von bdsen Schuldnern, und seinen Handelsbüchern. Sein Beichtvater war bemüht, ihn von dem Irdischen abzuziehen, und ihm Todesgedanken beizubringen; er wies ihn auf das theure Lösegeld aller Welt. Nein, rief der Krante, dafür kann ich es nicht brauchen, es thut nach jetzigem Cours nicht mehr, als ein und drei Quart! Dieses waren seine leßten Worte, und er verschied.

Stine Frogerta, ein frommes Weib. Sie hatte sehr oft andächtige Entzückungen, welche die Kinder dieser Welt ihrer verdorbenen Milz, und dem ungesunden Geblüte zuschreiben wollten. Wenn sie betete, so betete fie mit Håns den und Füßen, und man konnte die Wirkung ihres gläubis gen Herzens an allen Gliedern sehen; wie sie denn über die Unbußfertigkeit der verstockten Welt sich dergestalt betrübte, daß sie rothe Augen, und einen krummen Hals bekommen hatte. Die dunkelsten Worte, und solche Formeln, welche etwas verwirrtes in sich faßten, waren ihre Kern, und Trostseufzer; sie hielt dasjenige für die Sprache des Geis stes, was die sich selbst gelassene Vernunft nicht verstund. Die Liebe des Nächsten rechnete sie zwar nur unter das Ces remonialgesetz, gleichwohl that sie den Armen im Orseliners Flofter viel gutes; weil es allemal von der Kanzel abgeküns digt, und dem chriftlichen Wohlthäter von öffentlicher Ges meinde gedankt ward. Ihr Mann musste sehr viel bei ihr ausstehen; denn wenn sie betete, so zankte sie, und es ist mehr als einmal geschehen, daß sie ihm sogar mitten in der Andacht ein Bund Schlüssel an den Kopf geschmissen hat. Shr Ehrgeiz war unersåttlich; wenn sie auch bei dem Gots tesdienste auf die Kniee nieder fiel, so musste es doch nach der Rangordnung geschehen. Sie hatte die Gabe zu wahrs fagen,

fagen, und Gesichter zu sehen. Das Geschrei einer Krähe war ihr so verständlich, daß sie allemal wusste, wer davon Sterben würde. Heulte ein Hund unter ihrem Fenster, so ward sie dadurch weit mehr gerührt, als wenn unser Kapels lan eine Bußvermahnung hielt. Wenn sich ein Stern schneuzte, so fuhr es ihr in die Seele; und als ihr von faus Jen Eiern träumte, erschrat sie dergestalt darüber, daß sie das Testament machte, und sich zu ihrer Heimfahrt bereis In dieser Einbildung bestärkte sie ihr Mann auf alle erfinnliche Weise, und war dabei so glücklich, daß sie einige Bochen darauf starb.

tete.

Möser.

Md fer.

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Des großen, innern und äußern Werthes seiner Patriotischen Phantasien ist schon in der vorigen Abtheilung dieses Bandes ges dacht worden, und ihre Reichhaltigkeit an meisterhaften Charaks terzeichnungen macht sie vornehmlich anziehend und lehrreich. So herrscht in folgenden beiden kleinen Stücken dieser Art ein glücklis cher Kontrast.

Der alte Rath.

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Da liege, fo lange bis ich dich wieder aufsehe; sagte Sidney zu seiner Brille, und warf sie unmuthig vor sich auf den Tisch, da sie seinen verdunkelten Augen nicht mehr die Dienste leisten wollte, die er vielleicht mit Unrecht von ihr forderte. In dem Augenblick trat sein Bedienter herein, und meldete ihm eine Dame, deren Name nicht viel zur Sache thut, wenn sie auch Gertrud geheißen håtte. *) Ich wollte, daß das Ungewitter alle Quålerinnen zum Henker führte! Sagt ihr, ich sei nicht zu Hause! war die Antwort, womit er den Bedienten fortschickte. Gelassen nahm er darauf seine Brille wieder, und machte das Urtheil fertig, warum die Dame bitten wollte, und woran er vorher gearbeitet hatte. Kaum hatte er sich in seinen Lehnstuhl zurück gelehnt, um eine Arbeit zu überdenken, die ihm sein Fürst aufgetragen hatte, so kam ein Hoflatai, und foderte ihn nach Hofe. Der Fürft denkt doch, ein ehrlicher Kerl habe nichts zu thun, als hin und her zu laufen! murmelte er vor sich, und ́eilte mit einem solchen Eifer, seinem Herrn aufzuwarten, daß er seine Brille darüber in Stücken warf. Der Fürst sprach ihn über die Sache, welche dieser bereits überdacht, und wozu er den Plan schon völlig angelegt hatte; er konnte aber weiter nichts aus ihm bringen, als: Ihro Durchlaucht müssen Ges duld

*) Der Kammergerichtsassessor von Ludolf bemerkt es irgends wo, daß alle Damen, die am Kammergerichte Projeffe ges habt, diesen Namen geführt hätten.

(

duld haben. Bei seiner Zurückkunft begegnete ihm ein alter unglücklicher Mann, den er vorher in bessern Umstånden ge, kannt hatte, und der sich ihm furchtsam nåherte. Mit eis nem wohlthätigen Eifer gab er ihm in der Geschwindigkeit alles Geld, was er bei sich hatte, und das nicht unbeträckt, lich war, begleitete es aber mit dem rauhen Segen: Nun geht in Gottes Namen! Zu Hause fand er jeßt seine Brille auf der Erde, schalt auf die ewigen Zeitverderber, und vols lendete die Arbeit seines Fürsten, ob gleich die Brille vor dem Einen Auge geborsten war. Es ward indessen Abend, und feine liebenswürdige Nichte glaubte den Augenblick zu finden, ihn wegen ihrer Heirath, worein er schon längst gewillige hatte, zu sprechen. Wie sie in sein Zimmer trat, erzählte er ihr die Geschichte von seiner Brille, und das mit einem solchen Eifer, daß das arme Mädchen das Herz nicht hatte, ihres Anliegens zú gedenten. Als sie endlich traurig wegs gehen wollte, rief er ihr nach: A propos, Cousine! Eure Hochzeit wird bald seyn; hier habt Ihr, was ich Euch vors erst mitzugeben gedenke; aber nun lasst mich mit allen An stalten ungeschoren. Macht alles so gut wie Ihr tönnt und wollt, ich will es bezahlen, aber nur nicht mehr davon höt ren. Versteht Ihr mich? Die arme Here gieng furchtsam weg, sah, daß ihr der gute Dukel zehntausend Thaler zum Brautschage geschenkt hatte, und durfte es doch nicht wagen, ihm dafür zu danken. Beim Abendessen fasste sie seine Hand, und beneßte sie mit einer dankbaren Thråne. Zum Unglüc für sie war er eben in ein wichtiges Project vertieft; er fuhr also auf, und wie er ihre Rührung sah, sagte er ihr weiter nichts, als: Mach ich es denn immer unrecht? In der Eil fertigkeit, womit sie sich zurück zog, warf sie ein Glas Wein um, das vor ihr auf dem Tische stand. Hier forschte er mit der größten Sorgfalt nach, ob sie sich erschrocken, oder Schas den gethan hätte, beruhigte sie mit den freundschaftlichsten Worten, und erzählte ihr, um sie zu trösten, wie es ihm heute eben so mit der Brille gegangen wäre. Der alte gute Rath!

Der

Der junge Rath.

Die feine Welt hat eine gewisse allgemeine Sprache, worin sie sich bei jeder Gelegenheit etwas angenehmes und gefällis ges sagt. Der Einfältige spricht sie so gut wie der Wißige; und man umarmt einen Feind wie einen Freund mit einer gewissen zärtlichen Manier, über deren Werth man sich völs lig versteht. Es giebt aber in dieser feinen Welt noch Leute, welche diese Sprache und diese Manier besonders studirt has ben, jeden Ausdruck ihrer Augen, jeden Ton ihrer Stimme, jeden Druck ihrer Hand, und, was noch mehr ist, selbst eis nen guten Theil ihres Verstandes und ihrer Tugenden in dies Geschäfte übertragen, und eine besondre Wissenschaft daraus machen. Man kann dergleichen Leute nicht hassen, so lange ihr Betragen nicht aus Falschheit herrührt; man muß sie auch dulden, wenn es nicht ins Abgeschmackte fållt; bei dem Allen aber ist es doch das Zeichen eines kleinen Ges nies, so vieles auf den bloßen Ausdruck zu geben, und, an Statt sich Wahrheiten und Tugenden zu erwerben, nur ims mer den Grazien der Figur nachzustreben.

Selimor gehört völlig in diese Klasse. Außer jener alls gemeinen Sprache, und den gelåufigen Freundschaftsbezeus gungen gegen alle seine Mitbürger in der feinen Welt, hatte er die Kunst gefällig zu seyn aufs höchste gebracht. Dorinde mochte vorlegen oder reden, so bezeugte ihr sein aufmerksa, mes Auge, daß er alle ihre Gedanken und Bewegungen dank bar fühlte. Aus allen seinen Wendungen lächelte ihr eine fanfte Schmeichelei entgegen; und wenn der Fürst in den Hoffaal trat, so sprach die feinste Ehrfurcht aus jedem sanfs ten Tritte, womit er den Boden des Zimmers berührte. Seine Stellung war der schönste Ausdruck einer liebenswürs digen Bescheidenheit; und alle Tugenden dienten seiner Bes gierde, der angenehmste Mann zu seyn. Ohne Liebe und Freundschaft zu fühlen, wusste er die Sprdde zu gewinnen,

und

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