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Phantasie und Gefühl, die ftellenweise fast völlig unbesch&fs tigt bleiben. Einigen Erfaß dafür giebt die fast durchaus gebrauchte dialogische Form, deren diese Schriftstellerin auch offenbar mächtiger ist, als der erzählenden.

VIII.

Deutsche.

Zu den fast noch völlig unbeabeiteten Feldern unserer Literatur gehört auch bis jetzt noch die Geschichte der deuts schen Romane. Einzelne Beiträge dazu giebt es hie und da; es fehlt aber noch selbst an einem nur etwas vollståndis gen Verzeichniß der in Deutschland erschienenen Arbeiten dies ser Sattung, beren es doch eine so zahlreiche Menge giebt. Man darf auch nicht etwa glauben, daß diese Menge erst in der leßten Hälfte des gegenwärtigen Jahrhunderts fo zahlreich, und fast unübersehbar geworden sey. Schon im vorigen Jahrhunderte war der Geschmack an erdichteten Ers jählungen in Deutschland nicht minder herrschend, als im Auslande; und es gab der Schriftsteller nicht wenige, die ihn mit Originalen und Uebersetzungen, von mancherlei Form und Wendung, zu befriedigen suchten. Freilich vers dienten sie fast alle die Vergessenheit, in die sie selbst und ihre Werte längst versunken sind; es verlohnte sich doch aber wohl der Mühe, eine Musterung ihrer Namen und Bücher vors zunehmen; und schon aus ihrer allgemeinen Uebersicht und Zusammenstellung würden manche nicht unerhebliche Bemers lungen und Resultate herzuleiten seyn. Das vom du Fresnoy in seiner Romanenbibliothek gegebene Verzeichs niß deutscher Romane ist freilich sehr dürftig und unzulånge lich, aber doch der Aufmerksamkeit dessen, der hier sammeln wollte, nicht unwerth; so, wie sich unter den Katalogen größerer Büchersammlungen verschiedne auf diesen Zweck mit

gerichtete benußen ließen, vornehmlich die von Gottsched und Schwabe. Dieser leßtere hatte eine eigne Samms Jung deutscher Romane, besonders ålterer, angelegt, um deren Zerstreuung es Schade ist. Sie håtte so wie Gott scheds Sammlung ålterer Deutscher Schauspiele, wohl verdient, in irgend einer öffentlichen Bibliothek aufbewahrt zu werden.

Rittergedichte waren auch bei uns Deutschen die Vors läufer prosaischer Erzählungen. Jene waren zum Theil von großem Umfange, und entstanden mehrentheils in dem sogenannten schwäbischen Zeitpunkte unsrer Poesie *), zum Theil auch noch in der nachfolgenden Periode. Die ersten Erzählungen in Prose waren theils aus der lateinischen und französischen, auch italiånischen Sprache entlehnte Mährchen und Legenden, theils noch ähnliche, und zum Theil die nämlichen Rittergeschichten, die man vorher in Versen ges schrieben hatte. So enthält das Buch der Liebe größt tentheils Ritterromane dieser Art; und der verdeutschte Amadis ist gewissermaßen auch noch dahin zu zählen, dessen Folio, Ausgabe schon im J. 1683 heraustam. Von diesem Geschmacke gieng, man hernach, gleich andern Nas tionen, zu den Schäferromanen über, deren es außer der übersetzten Diana des Montemayor, und der Arkas dia des Sidney, noch viele andre um die Mitte des vorigen Jahrhunderts gab. Von dieser Gattung scheint man zur satirischen, und dann zu der historischen und polis tischen, übergegangen zu feyn. Die Strafgesichte Phis landers von Sittewald oder v. Moscherosch's, der abentheuerliche Simplicissimus, der deutsche Herku les mit seiner Valiska, und der Herkulistus und Herkuladisla, beide von Buchholz, der Arminius

und

*) S. Adelung's chronologisches Verzeichniß der Dichter und Gedichte aus dem schwäbischen Zeitpunkte, in s. Magazin für die deutsche Sprache, B. H, St. 3.

und Thusnelda von Lohenstein, die asiatische Barise von Ziegler, und die Oktavia und Aras mena des Herzogs Anton Ulrich zu Braunschweig, ges hören zu den bekanntesten, sind aber nur wenige aus vielen. Umsonst aber sucht man Spuren von entschiedenem Talent zur Erfindung und geschickten Behandlung, von wahrem Sinn fürs Schöne und Vollendete, in diesen meistens båndes reichen Werken, und vermisst in ihnen alles, was irgend Geschmack heissen kann, mit desto größerm Befremden, da ihre Verfasser zum Theil erfahrne Weltleute, und mit den Fortschritten und Geisteswerken der Ausländer nicht unbes fannt waren. Aber noch immer hielt eben die Vorliebe zum Ausländischen die deutsche Sprache von dem höhern Grade der Reinigkeit, und von der vollkommnern, vom gereinigs ten Geschmack geleiteten Ausbildung zurück, die ihr erst, durch manche vereinte Anlässe und Bemühungen, um die Mitte des gegenwärtigen Jahrhunderts zu Theil wurde. Und da scheint die große Reform der Romanendichtung und ihrer Schreibart, welche Richardson in England bewirkte, den größten und wohlthätigsten Einfluß auf die Nacheiferung der Deutschen gehabt zu haben. Gellert's Leben der schwedischen Gräfin von G*, ist, bei allen seinen innern Mängeln, doch wohl das erste bessere Muster dieser Art; aber es währte doch noch einige Jahrzehnde, wåh, rend welcher man die besten englischen und französischen Ros. mane flrißig überseßte, ehe wir Originalwerke in dieser Gate tung von wahrem Belang erhielten. Hier, wo nur aus den vielen Schriftstellern, welche seitdem diese Laufbahn bes treten haben, und sie jest in gedrängten Haufen füllen, die vorzüglichsten' anzuführen sind, verdient der Name des Mannes zuerst zu stehen, dessen Verdienst auch in dieser Sphäre immer ausgezeichnet bleiben wird, und dessen Beis spiel gewiß zur bessern Richtung des deutschen Romanenges schmacks, und zur würdigen Bearbeitung der Gattung selbst, am ersten und meisten beitrug, nämlich:

Wieland.

Sein tomischer Ritterroman: Der Sieg der Natur über die Schwärmerei, oder die Abentheuer des Don Sylvio von Rosalva, dem er in der Folge noch manche Verbesserungen gab, war vor dreißig Jahren, da er zuerst erschien, einzig in seiner Art. Der Zuschnitt war freilich etwas ausländisch, und die Hauptidee nach dem Vorbilde, dem Don Quixote, gefasst; aber die Modelung und Ausführung des ganzen Entwurfs hat doch fehr viel Originalitåt, und verråth durchgehends eine, reiche dichterische Phantaste. Wie der Kopf jenes spanischen Abentheurers durch Ritterromane verstimmt war, so ist das Gehirn des Don Sylvio durch die Lesung von Feenmåhrchen erhist, und er sieht überall nichts als Feerei. Ueber das Ganze hat die fruchtbare komische Laune des Verfassers eine Heiterkeit zu verbreiten gewusst, die sich gar bald dem Leser mittheilt, und ihn durch alles Chimårische und Abentheuer, liche mit anhaltendem und willigem Wohlbehagen hindurch. führt, welches durch den philosophischen Anstrich der ganzen Darstellung nicht wenig genährt und durch manche, heilsame Belehrung zugleich nahrhaft für den Geist wird. Von einer andern Art, und unstreitig das Meisterwerk dieses uns fers tlaffischen Schriftstellers, ist die Geschichte des Agathon, nach Lessing's Urtheil *) der erste und eins zige Roman für den denkenden Kopf, von klassischem Ge schmack, auf welchen das Motto des Titels in vollem Maaße zutrifft: quid virtus et quid fapientia poffit, utile propofuit nobis exemplar. Er enthält einen reichen Vorrath feiner Beobachtungen des Geistes und des Herzens, und ist durchgehends mit åchtem philosophischem Geiste ges schrieben. Ueber diesen Zweck ist jedoch die interessante Fühs rung der zum Grunde gelegten Handlung nicht vernachlässigt;

*) Hamb. Dramaturgie, St. LXIX.

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vielmehr wird diese immerfort in einer lebhaften Thätigkeit erhalten, wozu die schöne Zeichnung und Entwickelung der Charaktere nicht wenig beiträgt. Bei der neuen Umarbeis tung dieses Werks haben die entschiedenen großen Vorzüge desselben nicht wenig gewonnen. Einige freie Schilderuns gen, die dem feinern sittlichen Gefühle gebildeter Leser leicht anstößig werden können, fand indeß der Verfasser nicht für gut hinwegzutilgen, vielleicht aus Vorliebe für ihre ästhetischen Schönheiten *). Die Dialogen des Diogenes von Sinope, und die Beiträge zur geheimen Geschichte des menschlichen Verstandes und Herzens, aus den Archiven der Natur gezogen, find gleichfalls hieher zu rechs nen. Beide machen der Erfindungskraft, und noch mehr dem philosophischen Scharfsinne ihres Urhebers nicht wenig Ehre. - Noch vollendeter ist der goldne Spiegel, oder, die Könige von Scheschian, worin so viel Lebenss weisheit, und besonders so viel nüßliche Belehrung für Res genten, enthalten ist. Der glücklich erreichten Absicht des Berfaffers nach, ein wahrer und treuer Spiegel, worin fich die natürlichen Folgen der Weisheit und Thorheit in ets nem so starken Lichte, mit so deutlichen Zügen, und mit so warmen Farben darstellen, daß derjenige in einem seltenen Grade weise und gut, oder thdricht und verdorben seyn müsste, der burch den Gebrauch desselben nicht weiser und beffer sollte werden können. In die Geschichte der Abderiten wusste gleichfalls dieser philosophische Dichter vielfache Belehrung zu legen, und unter dem Schleier der darin geschilderten Thorheiten und zweckwidrigen Handluns gen eines entfernten Volks der åltern Zeiten manches in der Nähe und in der heutigen Welt von ihm beobachtete Sittens bild aufzustellen. - So ist auch seine geheime Ge. schichte des Philosophen Peregrinus Proteus,

mit

* Eine gründliche und lehrreiche Kritik über den Agathon findet man in der Allg. D. Biblioth. B. VI, S. 190. Beisp. Samml. 8. B. 2. Abth.

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