Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

als wahre Belohnung der Tugend.

Es war indeß des Vers fassers Absicht gewiß nicht, die Würdigung moralischer Vor züge irgend in ein falsches, oder nur zweifelhaftes Licht zu stellen. Vielmehr gieng sie, wie es auf dem weitläuftis gen Titel der ersten Ausgabe, und in der Vorrede noch um, ståndlicher angiebt, dahin, der Jugend beiderlei Geschlechts die Grundsäße der Tugend und Religion tief ins Herz u prägen, die Pflichten der Eltern und Kinder, und der Mits glieder der bürgerlichen Gesellschaft überhaupt, in ein helles res Licht zu sehen; das Laster mit verhafften, und die Tus gend mit reizenden Farben zu schildern; wahre und treu beis behaltene Charaktere zu entwerfen; widrige Vorfälle aus nas türlichen Ursachen herzuleiten, waɛnende und abschreckende Beispiele des Verhaltens aufzustellen. Und diese Absichten hat er gewiß auch bei vielen Lesern erreicht. Gleich nach seiner ersten Erscheinung erhielt dieser Roman aufferordentlic chen Beifall, und wurde selbst von verschЯednen Geistlichen, besonders von Dr. Slocock, auf der Kanzel empfoh Ien. Verglichen mit den beiden folgenden, ist indeß dies fer Roman gewiß wohl der schwächste, wegen mancher zu einförmigen und handlungsleeren Briefe, und eines nicht immer gleich thårig und rege gehaltenen Interesse. R. scheint dieß selbst gefühlt zu haben; er hatte in seinen lehten Jahren vieles geåndert, weggestrichen, und das Ganze völlig umgearbeitet; er starb aber, ehe er diese neue Ausgabe ins Publikum brachte; und bisher ist von seiner Handschrift noch nicht öffentlicher Gebrauch gemacht.

[ocr errors]

Der zweite, und nach dem einstimmigen Urtheile der Kenner, der vorzüglichste Roman dieses Verfassers ist: The History of Mifs Clariffa Harlowe, in a Series of Letters, Mich seßte immer, sagt Diderot mit Recht, das Genie in Erstaunen, das dazu gehörte, sich ein junges Frauenzimmer zu bilden, welches voller Klugheit und Vors sicht ist, welches keinen einzigen Schritt thut, der kein Fehls `tritt ist, ohne daß man ihr darüber Vorwürfe machen könnte;

denn

[ocr errors]

denn sie hat grausame Eltern und Verwändte, und einen abs scheulichen Menschen zum Liebhaber. Welch ein Genie also, dieser kleinen Spröben die munterste und flatterhafteste Freuns din zu geben, welche nichts sagt und thut, als was vernünfs tig ist, ohne daß die Wahrscheinlichkeit dadurch beleidigt würde; dieser wieder einen rechtschaffnen Menschen zum Liebs haber zu geben, der aber schwerfällig und lächerlich ist, dem seine Geliebte nicht die geringste Hoffnung erlaubt, ob er :gleich die Einwilligung und den Beistand ihrer Mutter hat; im Lovelace die seltensten guten Eigenschaften und die has, senswürdigsten Laster zu vereinigen, die Niederträchtigkeit mit der Großmuth, eine ernste und kindische Denkart, Hiße und Kaltblütigkeit, Vernunft und Thorheit; einen Böses wicht aus ihm zu machen, den man hasst, den man liebt, den man bewundert, den man verachtet, der uns in Ers staunen seht, er zeige sich in welcher Gestalt er wolle, und der keinen Augenblick einerlei Gestalt behålt! Und jene Menge von Nebenpersonen, wie schön sind sie nicht charakte tifirt! Wie viele sind ihrer nicht! Belford mit seinen Freunden, und Mistreß Howe, und ihr Hickman, und Frau Norton; und in dem Harlowischen Hause Vater, Mutter, Bruder, Schwestern, Better und Tanten, und alle die Geschöpfe, welche sich an jenem Orte der Vers führung aufhalten. Wie vielfachen Kontrast machen nicht das Interesse und die Gemüthsstimmungen! Wie handeln, wie reden alle! Wie håtte ein junges Mädchen, die allein wider so viele vereinte Feinde zu kämpfen hatte, nicht erlies gen, nicht fallen sollen? Und doch, welch ein Fall!" Man hat oft dieser Geschichte eine zu lange Ausspinnung des Stofs, und dadurch entstandne Langweiligkeit der erstern Theile vorgeworfen, und daher noch unlängst eine deutsche abkürzende Umarbeitung für nöthig gehalten. Und freilich ist das Interesse der ersten Bånde mit dem der folgenden, und besonders des leßten, nicht in Vergleich zu bringen. Aber nahrungslos für Geist und Herz sind doch auch jene ers

[ocr errors][merged small]

sten Theile gewiß nicht; und wer die Clarissa zum zweis tenmale liest, überschlage ja die erste Hälfte nicht; denn nun wird er sie erst schåßen lernen, und in ihr so vieles angelegt und mit der feinsten Kunst vorbereitet sehen, was durch diese Anlage und Vorbereitung in der Folge, und da, wo alle Triebfedern der großen Maschine in volle Bewegung und Ars beit gerathen, desto wirksamer wird. Auch wider den Char rakter des Lovelace hat man manche Einwürfe geinacht; aber nicht bloß als poetischer Charakter, auch selbst von der moralischen Seite genommen, bleibt seine Zeichnung und Haltung immer höchst bewundernswürdig.,,Richardson allein, sagt Dr. Johnson, hatte es in seiner Gewalt, und zugleich Hochachtung und Abscheu zu lehren; durch tugend, hafte Gesinnung alles das Wohlwollen zu überwältigen, welches Wih, Weltton und Muth gewöhnlich erregen, und am Ende den Helden sich in einen Bösewicht verlieren zu lassen."

Im Jahre 1753 erschien seine History of Sir Charles Grandison, in sechs Bånden. In England wurde dieser Roman bei weiten nicht mit so allgemeinem Beifall, wie seine Uebersetzung in Deutschland, aufgenommen. Theils war die Uebertreibung der Vollkommenheiten des Haupts charakters zu auffallend; man war durch R. selbst, und noch mehr durch Fielding, an Natur zu sehr gewöhnt, um sich für bloßes Ideal lebhaft zu interessiren; theils glaubte man sich nun durch Handlung und Interesse nicht genug für die langwierige Ausdehnung der Geschichte und den abermaligen großen Wortaufwand, vornehmlich in den ersten Bånden, entschädigt zu finden. Und so viel ein, zelne Schönheiten auch dieser Roman hat, die immer noch den Meister verrathen, so möchte doch diese Kritik wohl nicht ganz ungegründet seyn, und vollends mit dem Ges fühl derer einstimmen, die nach der Lesung der Clarissa den Grandison zur Hand nehmen. Was indeß auch diesen Roman immer schäßbar machen wird, ist die so herrs

herrlich bearbeitete episodische Geschichte der Clementine von Poretta, für die man sich so innig, so tief interes firt. Die Schilderung ihres Wahnsinns ist, nach dem Urtheil eines der feinsten Kenner *), die herrlichste in ihs rer Art, und an kleinen Zügen der Natur und wahrer Leidenschaft vielleicht selbst der Darstellung des Wahnwiges im K. Lear vorzuziehen. -Auch Dr. Young ertenr = Richardson für ein wahrhaftig großes Originalgeri so groß und überschwenglich in seiner Art, als es Shakspeare und Milton in der ihrigen ware

1

Fielding**).

Henry Fielding, geb. zu Sharphan - Park in Somersetshire, bet Glastonbury, 1707; gef zu Lissabon, 1754. Seine ersten schriftstellerischen Arbeten waren dra. matisch; und schon in seinem zwanzigsten Jahre schrieb er zu Leyden, wo er die Rechte studirte, den Don Quixote in England. Diesem folgten mehrere Lustspiele und for mische Opern, die aber auf der Bühne kein sonderliches Glúď machten. In ihnen zeigte sich ́indeß schon seine große Ans lage zum Komischen, die sein vorzüglichstes Talent war, und die er in der Folge durch scharfsichtige Beobachtung und Menschenkenntniß so glücklich ausbildete. Jene dramas tischen Versuche waren sehr eilfertig geschrieben; und er ges fand es selbst, daß er da aufgehört habe, für die Bühne zu freiben, als er erst håtte anfangen sollen. gelang ihm die erzählende Darstellungsart.

[ocr errors]

Desto mehr
Sein erster
Bers

6. Dr. Warton's Effay on Pope, Vol. I, p. 283. ") Am ausführlichften handelt über ihn Murphy's Effay on the Life and Genius of Henry Fielding, in der Ause gabe seiner Werke, Lond. 1762. 4 Voll. 4. 8 Voll. 8,

[merged small][ocr errors]
[ocr errors]

Versuch darin war die Geschichte des Jonathan Wild; nicht sowohl Biographie, als willkührliche Dichtung, worin er eine Menge toller und betrügerischer Streiche in Ein Ge målde brachte, und nicht ohne Wiß und mannichfaltige Laune. Verglichen jedoch mit seinen nachherigen Romanen, steht dieser an Werth ziemlich weit zurück. Murphy unters beidet drei merklich abstechende Epochen in der fernern Ents Nkelung von Fielding's Talenten. Die erste, worin feis Genie auf einmal mit einem überlegnen Glanze hervors ftrake, gleich der Sonne in ihrer Morgenpracht, ohne die ihr nach eigne Hiße und brennende Gluth; die zweite, als es ch mit vereinter Stärke, und in größter Bollkommens heit außte, wie die Sonne in ihrer mittågigen Majeftåt, mit voller Wärme und Kraft; und die dritte, als eben dies ¿ses Genie, måßiger und kühler, immer noch erheiterte und belebte, aber dabei schon verrieth, daß es sich zum Unters gange neigte; gleich der nämlichen Sonne, wenn sie in ihrer Gluth nachlässt, aber noch immer die westliche Halblugel vergoldet. Diese trei Zeitpunkte find in Fielding's drei vornehmsten Werken sichtbar, dem Joseph Andrews, dem Tom Jones, und der Amalia.

Im Joseph Andrews war es seine Absicht, die Manier des Cervantes nachzuahmen; und darin war er glücklich genug. Der Charakter des Pfarrern Adams ist meisterhaft, und war ursprünglich von einem seiner Freunde, einem Geistlichen, Namens Young, in den Hauptzügen, besonders in der Zerstreuung des Geistes, kopirt. In der · ganzen Erzählung giebt es eine Menge wahrhaft komischer Situationen; die Vorfälle und Charaktere werden auf eine wirkungsvolle und überraschende Art entfaltet; und dieser Roman bleibt immer einer der unterhaltendsten in der komis schen Gattung. Vermuthlich gab ihm die sehr günstige Aufs -nahme der Pamela Andrews von Richardson den ersten Anlaß dazu, wie wir den Sebaldus Nothanker der Wilhelmine zu danken haben. Joseph wird als

« ZurückWeiter »