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VI,

Franzosen.

Wenn die Rittergedichte der Provenzalen und ihrer nåch, sten Begleiter auf der poetischen Laufbahn zur Einführung der ganzen romantischen Gattung in die neuere Literatur das meiste beitrugen; so ist es nicht ganz ohne Grund, wenn Huet und andre Franzosen sich rühmen, daß ihre Nation sie den übrigen, und besonders den Spaniern und Italiå, nern zuerst mitgetheilt habe. Verschiedne Schriftsteller uns ter den leßtern sind auch wirklich gutwillig genug, dieß eins zugestehen. Genau erwogen kann sich indeß Spanien und Italien das, was die Dichter der Provenze im zwölften und dreizehnten Jahrhunderte thaten, mit eben dem Recht, als Frankreich, zueignen. Hier ist es übrigens der Ort nicht, die mehr für die Geschichte der Literatur als des Geschmacks noch denkwürdigen ersten Versuchen zu erwähnen, welche dort zuerst poetisch, und dann prosaisch in dieser Gattung gemacht wurden. Weitläuftig und bånderreich genug waren sie; aber um so viel langweiliger und ermüdender, obgleich dem damas ligen Geschmack, auch wegen der noch geringen Anzahl sols cher Zeitkürzungen, desto willkommener. Dieß gilt selbst von dem bald nach dem Anfange des vorigen Jahrhunderts von d'Urfé geschriebenen Roman, L' Aftrée, der zu seiner Zeit nicht nur, sondern noch lange hernach, in Frankreich sehr geschäßt wurde, und nach Huet: l'ouvrage le plus, ingenieux et le plus poli, qui eût jamais parû en ce genre, et qui a terni la gloire, que la Grece, l'Italie, et l' Espagne s'y étoient acquise. Die Manier dieses Ros mans, unter dem Schleier der Dichtung wahre Geschichte, und selbst die Begebenheiten des Tages zu verhüllen, blieb in Frankreich ziemlich lange üblich. Wie sehr aber dort in der Folge der Geschmack an Romanleserei überhand genoms men, und wie unermüdet er gute und seichte Köpfe in Thås tigkeit gefeßt hat, ist bekannt genug. Das schon ziemlich

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ansehnliche Verzeichniß, welches de Fresnoy von franzds fischen Romanen giebt, ließe sich gewiß wenigsteus vervierfas chen; desto eher aber ist man zu Ende, wenn bloß die Meis sterwerke darunter genannt werden sollen. Hier sey es an einer etwas nåhern Anzeige der in meinem Handbuche der Literatur d. sch. W. genannten Schriftsteller und ihrer Werke genug.

Prevot d'Eriles.

Antoine François Prévot d'Exiles, Ab mofenirer und Sekretår des Prinzen von Conti, geb. zu Hesdin in Artois, 1697, geft. 1763. Einer der größten Polygraphen seiner Art, und doch in einigen seiner Werte, besonders in seinen Romanen, alles Beifalls würdig. · ́Ihm vornehmlich gebührt das 'Verdienst, ́ ́ Schilderung des Ums gangs und des Lebens, Auftritte aus der wirklichen Welt, und Situationen vom nåhern und allgemeinern Interesse, in die Stelle der ehemaligen Idealisirungen der Handlungen und Charaktere eingeführt zu haben. Seine Mémoires d'un Homme de Qualité qui s' eft rétiré du monde, seine Hiftoire de Cleveland, und sein Doyen de Killérine, verrathen einen nicht gemeinen Kenner des Herzens, der Sitten und Leidenschaften, geschickt und geübt in der Kunst, auf Herz und Gefühl lebhaft zu wirken, und selbst für starke und anhaltende Eindrücke sehr empfänglich. Zugleich wusste er Lehre und Unterricht am rechten Orte seiner Erzählung einzustreuen, und noch öfter sie aus der Handlung selbst hers vorgehn zu lassen. Man tadelt indeß seinen allzüschwermüs thigen Ton nicht mit Unrecht, wodurch seine Gemälde ein gewisses Düstres und Einförmiges erhalten, und ihr Ins teresse zuweilen merklich geschwächt wird.

Marivaux.

Ø. 8. VII. S. 165 -Wie in seinen Lustspielen, so ist auch in seinen Romanen, das, Wißige und Sinnreiche sein beständiges Ziel; und dieß zu erreichen, hålt sich seine ergiebige Erfindungskraft in unablässiger Thätigkeit. Schade nur, daß dieß Bestreben zu oft in seiner gekünfteiten und manierirten Schreibart sichtbar wird! Weltkeantniß und Scharfblick besaß Marivaur gewiß im nicht gewöhnlichen Maße; und er wåre in der Darstellung des von ihm sein und scharf beobachteten Lebens wohl gewiß glücklicher gewesen, håtte er diese Feinheit und Schärfe nicht auch in seine Schreibart übertragen wollen, und sich mehr der Natur und Empfindung überlassen. Man liest indeß seine Marianne, seinen Payfan Parvenû, und selbst seinen Pharfamond, immer noch gern, weil sich von Zeit zu Zeit eine Meisterhand darin verrdch, und man dadurch für manche minder unterhaltende Stellen schadles gehalten wird. Die Charakterschilderungen waren wohl die größte Stärke, dieses Schriftstellers, der es übrigens mit der Sittlichkeit so gar ftrenge nicht nahm.

le Sage.

S. S. VII. S. 172. Seine Umkleidungen spas nischer Romane find musterhaft und einzig in ihrer Art; and nie hatte ein Schriftsteller zu dergleichen Arbeit mehr Ges schick und entschiedenecn Beruf. Im Gilblas von Santillana, seinem Meisterstücke, fühlt sich der Leser gar bald mit ihm in einer Gesellschaft, die er nie wieder zu verlassen wünscht, und wird auf die angenehmste, natûrs lichste Art, von einer Scene und Situation zur andern hins übergeführt, ohne irgend Gewalt oder Ermüdung zu fühe Ien. Gern lässt man sich mit ihm in die kleinsten Nebens umstånde ein, weil er sie durch neue und treffende Züge Beifp. Samml. 8.B, 2. Abtb,

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Hicht

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höchst anziehend zu machen weiß. Der Gilblas ist die beste und originalste Arbeit dieses mit so vieler åchten Laune begabten Schriftstellers, ob er sich gleich dabei einige spanis she Romane, besonders die Vida del Escudero Marcos de Obregon zu Nuße gemacht hat. Unmittelbarer aus spanischen Originalen geschöpft, aber doch frei und eigens thümlich bearbeitet sind seine übrigen tomischen Romane: fein Diable Boiteux, nach dem Diablo Cojuèlo des Luis Velez de Guevara; seine Geschichte des Gusman von Alfarache, nach dem bekannten spanischen Roman dieses Namens von Matteo Aleman; sein Estevas nille Gonzalez, nach einem überaus wißigen, aber we gen seiner vielen Anspielungen unüberseßbaren Original, dess sen Verfasser, der beim Grafen Piccolomini die Rolle eines - gesellschaftlichen Possenreißer gespielt haben soll, selbst der Held seiner Erzählung ist; und sein Bachelier de Salamanque. Von le Sage hat man auch eine freie französische Uebersetzung von dem durch Avellaneda fortgesetzten Don Quixote; und die ganz angenehmen Promenades de S. Cloud sollen gleichfalls von ihm seyn.

Crebillon.

Claude Prosper Jolyot de Crebillon, ein Sohn des B. VII, S. 485, angeführten Schauspieldich, ters, geb. zu Paris 1707, gest. 1777. Ohne die lleppig keit und Sittenlosigkeit, welche das Gepråge seiner Romane ausmacht, und die durch daran verschwendeten Wiß noch anziehender und verführerischer wird, hätten seine Romane, die meistens morgenländische Scenen und feenmäßigen Stof haben, schwerlich so viel Glück gemacht. Der jüngere Cres billon verstand sich indeß nicht recht auf wahren und daus ernden Ruhm; nur Jugend und Leichtsinn können an so wollüftigen Bildern Gefallen finden, die, bei aller Kunst

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ihres blendenden Anstrichs, doch am Ende den Unwillen des männlichen Kenners erregen müssen, der kaum wird ges stehen wollen, fie gelesen zu haben, und solch einen Weißs brauch des Wißes nothwendig verwerfen muß. Beffer yes schrieben und minder anstößig sind seine Egaremens du Coeur et de l'Esprit, und seine Lettres de la Marquile de *** als sein Ecumoire, Tanzai, le Sopha, Ah quel Conte! Grigri, Angola, Atalzaïde, le Hazard du coin de feu,

u. a. m.

J. J. Rousseau.

Jeder Kenner des Schönen in Werken des Geschmacks/ erråth es sogleich, daß hier sein Name wegen des meisters haften und in seiner Art einzigen Romans steht, den er in feiner Nouvelle Héloife, ou, Lettres de deux Amans habitans d'une petite ville au pied des Alpes geliefert hat. In der umständlichen Vorrede, oder Nachricht viels mehr, welche Rousseau diesen Briefen, in der Form eit nes Gesprächs zwischen dem Herausgeber und einem Gelehr. ten, beigefügt hat, würdigt er seine Arbeit felbft richtig ges nug; nur daß er umsonst sich bemüht, die Mängel der Ers findung und eines reif überdachten Plans durch die mehr philosophische Tendenz seiner Briefe zu entschuldigen. Bas wider diese Mängel, und wider die verfehlte Charakterzeich. nung, in der ausführlichen und lesenswürdigen Beurtheis lung dieses Romans, von Moses Mendelssohn, im zehnten Theile der Literaturbriefe, erinnert wird, scheint mir gegründeter zu seyn, als der Tadel der Schreibart, und besonders der in diesen Briefen so beredten und feurigen Affettensprache, die dort spisfindig, affektirt und voller Schwulst genannt wird. „Rousseau, sagt dieser sonst so einsichtvolle Kunstrichter, der zum Entzücken schön schreibt, so oft er die Sprache der begeisterten Vernunft zu reden hat, P 2 scheint

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