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Zustande der Gesellschaft, auf dieser Stufe der Cultur, der Wissenschaften, des (Lurus, ausgeübt werden soll und kannj oder vorzüglich Schwierigkeiten und Fallstricken ausgefeßt ist. Dadurch wurde das Feld seiner Unterweisungen sehr erweis rert, und die Brauchbarkeit seiner Sittenlehre sehr vermehrt. Seine Ermahnungen führten auf Pflichten, die gerade so, unter diesen Umständen, den Menschen obliegen: und seine Rathschläge machen auf Hindernisse oder Beförderungsmitte der Tugend aufmerksam, die jeder täglich in seinen Gesch&ft ten und in seinem Umgange antrift: so daß er mit Genißs heit sagen kann, hier ist der Zeitpunkt, hier ist der Ort jeien Lehren zu folgen.

·Seine Lebenszeit ist in einè Periode gefallen, wo viele Wahrheiten der dogmatischen Theologie, die ehedem wenigs ftens unter denen, welche bestimmt waren, sie zu lekren, fest standen, diesen selbst zweifelhaft zu werden anfiengen. Erst zu unserer Zeit hat der geistliche Stand selbst die Fackel der Philosophie ergriffen, die Gegenstände seines Studiums damit zu beleuchten. Und da diese Fackel nicht alle auf gleiche Weise erhellet; da es hier um Lehren zu thun ist, die jeder mit seinem ewigen Heil verbünden glaubt, und vor deren Prüfung also viele zurückbeben: so haben die neuen Untersuchungen, denen man die Glaubenslehren unterworz fen, nicht gleiche Resultate in den Gemüthern hervorgebracht. Daher ist mehr Strett, Mißhelligkeit und Verschiedenheit der Meinungen jeht in der protestantischen Kirche, als seit geraumer Zeit vorher gewesen ist. Auch bei Zollikofern gieng das Untersuchen erst an, nachdem er seinen Beruf schon ant getreten hatte. Seine Jugend hatte er unter Beispielen einer beinahe schwärmerischen Frömmigkeit zugebracht, bef welcher man alles Nachdenken bei Seite legt. In der Zeit seiner Studien und seiner ersten Vorübungen hatte er sich bloß bemüht, zu faffen und sich einzuprågen, was ihn ge, lehrt wurde. Erst im männlichen Alter, da der Einfluß Beisp. Samml. 8.B. 2. Abth.

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des Ansehens bei ihm schwächer wurde, sein eigner Verstand mehr zur Reife gelangte: da die Pflicht eines Lehrers hn zu eigenem Durchdenken der Wahrheiten auffoderte, machte er sich je långer je mehr von den Fesseln des Systems los, und drang in das Heiligthum der Religion mit freis erem Geifte *).

* Ungern habe ich mich auf diese wenigen deutschen Beispiele eingeschränkt; wir haben ihrer manche andre, die den anges führten an Werth wo nicht gleichen, doch nicht weit nachs ftehen. Auch der Nekrolog von Hrn. Schlichtegroll enthält einige musterhafte Lebensbeschreibungen, z. B. die von Basedow und Bahrdt.

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Mahre Begebenheiten mit willkührlicher Dichtung zu

durchweben, und die wirklichen Umstände derselben mit möglichen aufzuschmücken, sie aus übernatürlichen und wundervollen Einflüssen herzuleiten, und menschlichen Un. ternehmungen dadurch ein übermenschliches Ansehen zu ges ben, scheint schon der frühesten Mittheilungsart der Ges schichte eigen gewesen zu seyn. Die in den Vorstellungen sor wohl, als im Ausdrucke und Vortrage derselben sp überwies gend herrschende Sinnlichkeit gab dazu unvermeidlichen Ans laß. Nicht immer war es Vorsaß, noch Absicht, die Bes gebenheiten zu entstellen, die Wahrheit zu verfälschen, öder den Ruhm der Personen und ihrer Handlungen zu erhöhen, welche diesen Zusatz des Erdichteten verursachte. Es tam dazu, daß alle ursprüngliche Geschichtserzählung mündliche Mittheilung und Ueberlieferung war. Was noch jest bet dieser so sehr der Fall ist, musste es damals noch weit mehr und öfter seyn. Jeder Wiedererzähler eines Vorfalls Bildete `denselben unwillkührlich, während seiner Erzählung, nach seiner Vorstellungsart um, nach den ihm geläufigen Verknüp fungen der Begriffe, nach den Wahrscheinlichkeiten, die sich seiner Phantasie darboten, wenn er Anåsse, Ursachen, Umstände und Folgen einer Begebenheit nicht genau wussie, wenn er sie nicht selbst erlebt oder beobachtet, wenn er dent ersten Bericht von ihr nicht aufmerksam und ausführlich ges hug gefaffe hatte. Schon daraus ist es zu erklären, daß die na

frühe.

frühesten historischen Nachrichten poetisch waren, und werden mussten, und daß die Sage, die erste Quelle aller Geschichte, so viel Unbewährtes und Erdichtetes enthielt. Wenn sich nun vollends die Grundfåden dieses Gewebes immer verwis ckelter in einander wirrten, und man bei ihrer Trennung und Aussonderung kein Interesse, sondern eher noch bei ihrer größern Verwirrung und Verschlingung seine Rechnung fand; wenn der Erzähler dadurch mehr Aufmerksamkeit und Ges wunderung erregte, und der Hörer sich dadurch mehr angezos gen und betroffen fand: so begreift man leicht, wie der Nas turhang zur Verfinnlichung und darin gegründeter Dichtung gar bald in Fertigkeit und Vorliebe zu Darstellungen dieser Art übergieng, wie Geschichte ursprünglich gemeine Sage, aus Wahrem und Falschen gemischt war, und wie die Sorge für Absonderung und ungemischte Aufbehaltung des erstern nicht die Erzähler der ersten Zeiten, wohl aber die Geschichts forscher und historischen Kunstrichter der spåtern Jahrhunderte beschäftigen konnte.

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Die Frage von eigentlichen Ursprunge der Ros mane ist, wie bekannt, oft aufgeworfen, und dieser Urs sprung oft untersucht worden. Daß die Beantwortungen se verschieden ausfielen, daß man bald die frühesten Morgens lånder, und besonders die Syrer, bald die Griechen, bald die spätern Sophisten derselben, bald die Araber nach ihrer Einwanderung in Spanien und andre Länder Europens, bald die Kreuzfahrer, bald die Mönche, bald die Provenzals dichter, u. s. f. als die ersten Urheber dieser Gattung von Erzählungen ausgab, war eine natürliche Folge von der Vers schiedenheit des mit dem Worte Roman verbundenen Bes griffs. Dente man sich dabei bloß eine aus Wahrheit und Dichtung zusammengesetzte Erzählung, so geht sein Ursprung, der obigen Bemerkung zufolge, in die frühesten Zeiten hins auf, so darf man behaupten, daß die ersten mündlichen Ers zählungen von irgend einigem Umfange Romane, oder wes nigstens romanhaft waren, Nimmt man aber noch die

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Scheidung von erzählenden Gedichten und vom metrischen Vortrage, vom Gebrauch des Wunderbaren, und vom Schriftstellerischen, hinzu; so fallen freilich diese Bestims mungen erst in ein späteres Zeitalter. Denkt man ferner daran, daß die Rittererzählungen, metrisch und prosaisch vorgetragen, die ersten Werte waren, die, wegen der soges nannten romanischen Sprache, worin man sie schrieb, den Namen Romane oder Roinanzi erhielten, und daß die allmähliche Erweiterung und Abåndrung ihres Stofs sowohl. als ihrer Behandlungsart die mancherlei Gattungen der Ros mane, die wir jetzt haben, hervorgebracht hat; so hat man Recht, wenn man sie aus dem Mittelalter herleitet. Am Ende aber wird man finden, daß sich die Eine Herleis tung mit der andern, die spätere mit der frühern, gar wohl verbinden lässt, und daß alle die zahlreichen Werke dies ser Art sämmtlich Erzeugnisse jenes dichtrischen Naturhanges der Menschen sind, der sich nur zu verschiednen Zeiten und bei verschiednen Völkern auf eine verschiedne, jeder Zeit und Nation angemessene, Art befriedigte. Eben dieß gilt auch von dem theoretischen Gesichtspunkt, aus welchem man den Roman betrachten sollte. Mit der Poesie war er von jeher innig verwandt; oft indeß ferner, oft nåher; anfänglich war er lauter Poefie; und damals fanden die feinern Gränzlinien noch nicht Statt, welche die neuern Kunstrichter zwischen dem Roman und dem Heldengedichte gezogen haben. Ganz ans ders erscheint er uns in der jeßt gewöhnlichern Form, wo er Lebens- und Sittengemålde geworden ist, von jener åltern Form so verschieden, wie es das Lustspiel der Neuern von der Komödie der frühern Griechen ist.

Wer jest eine, sehr zu wünschende, Bibliothek oder volls ståndige Literatur der Romane schreiben wollte, der würde vielleicht sehr verlegen über den eigentlichen Punkt seyn, von welchem er ausgehen, und über das Mehr oder Weniger, was er, vornehmlich aus den åttern Zeiten, in sein Verzeich niß aufnehmen, oder daraus weglassen müsse. Gordon

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