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kommenheit hervor. Bernstorf hat ihn gepflanzt und gewar? tet; er hat in demselben die augenehmsten Stunden seines Le bens zugebracht; sein Geist blühte auf, und sein Herz erweis terte sich, wenn er die freiere Luft dieses Lusiplaßes athmen fonnte. Er hatte es gelernt, die Stufenfolge der Wohlthas ten Gottes in der Natur aufzusuchen, einen heitern Tag mit Entzücken zu grüssen, der Entwickelung der Pflanzen nachs zuspüren, die Ankunft der Blüche zu belauschen, und über die schwellende Frucht zu frohlocken, alle die mannigfaltigen Freuden zu empfinden, die ein unverdorbnes Gefühl mit teis men andern vertauscht.

Damit auch kein Segen dieser auserwählten Erde fehe len möge, versammelte Bernstorf glückliche Menschen um sich her. Er gab seinen Gutsunterthanen ihr Geburtsrecht, Freiheit und Eigenthum wieder; er munterte sie durch groß, müthige Beihülfe auf, ihre Güter zu theilen, und auf der Mitte ihres Landes zu wohnen.

"

Schnell deckten sich Heiden mit fröhlichen Saaten; neue Pflanzungen stiegen hervor; anstatt dürftiger Hütten in elens den Dörfern wurde die Gegend mit angenehmen Wohnun gen geschmückt, in welchen glückliche Våter ihre Kinder den Namen ihres Wohlthäters lehrten. Sie wollen ihm, dem Freund der Menschen, mitten in der verschönerten Gegend ein Denkmal errichten, das dem künftigen Wanderer gewiß edlere Empfindungen, als Trophäen, einflösst, einen prachts losen, aber ehrwürdigen Stein, auf welchen die Thråne ihs rer Dankbarkeit floß.

In dieser Wohnung des Friedens fühlte Bernstorf: sich glücklich; sein Gedächtniß rief ihm tugendhafte Thaten und überzeugende Beispiele der göttlichen Vorsehung zurück; keine Handlung seines Lebens war durch eine, krånkende Reue vers bittert; sein Fleiß war mit Gebeien gesegnet; er war von den Redlichen im Staat, von den Würdigsten aller Natios nen verehrt, von seiner Familie, von seinen Freunden, von feinen Untergebenen geliebt, und auf seiner gefahrvollen lans

gen

gen Laufbahn hatten ihn wenig Unglücksfålle betroffen. Er näherte sich mit muntern Kräften dem Alter, und durfte sich schmeicheln, noch manche Früchte seiner Arbeit zu geniessen, noch lange dem Staate nüßlich zu seyn.

Am Abend des Lebens wird selten ein Mann, der in großen Verhältnissen eingeflochten war, die vergangene Zeit wieder durchzuleben wünschen, ohne Epoken, ohne Vorfälle auszunehmen, deren Angedenken ihn quålt; aber Bernstorf hat es so oft mit freudigem Danke gegen die Vorsicht wieders holt: er nåhme jeden verflossenen Tag aus den Händen der Allmacht ohne Bedingung zurück, gienge er nicht einer herrs lichen Zukunft entgegen.

Herber

Herder.

Das hier gegebne Beispiel feiner biographischen Manier ist aus dem ersten, und leider einzig gebliebenen Stück seines sehr schäß baren Auffages über Thomas Abbts Schriften, den er nur den Torso von einem an seinem Grabe errichteten Denkmale nennt. Die eigentlichen Lebensumstände des würdigen Abbt lernt man mehr aus dem ihm von Hrn. Ticolai geschriebenen Ehrengedachts nisse kennen, das gleichfalls zu unsern besten Biographien gehört; die Herderische Schilderung betrifft mehr das Eigne feiner Schrifs ten, und folgende Einleitung redet von der Kunst, die Seele des andern abzubilden.

Eine Menschenseele ist ein Individuum im Reiche der Gei fter: fie empfindet nach einzelner Bildung, und denket nach der Stärke ihrer geistigen Organen. Durch die Erziehung haben diese eine gewisse eigne, entweder gute oder widrige Richtung bekommen, nach der Lage von Umständen, die da bildeten, oder mißbildeten. So wird also unsre Denkart geformt, zu einem ganzen Körper, in welchem die Naturs tråfte gleichsam die specifische Masse sind, welche die Erzie hung der Menschen gestaltet. Nach gewissen Jahren der Formung kann ein spåteres Lernen selten, wie ich glaube, eine neue Schöpfung verursachen, selten Gestalt und Masse ums åndern, aber desto kenntlicher kann es durch vielfache Erscheis nungen auf der Oberfläche wirken, Anstrich, Gewand und Miene und Anstrich geben, und nehmen, und auszeichnen. Meine lange Allegorie ist gelungen, wenn sie es erreicht, den Geist eines Menschen, wie ein einzelnes Phänomen, wie eine Seltenheit darzustellen, die würdig ist, unser Auge zu beschäftigen; noch besser aber wåre es, wenn ich durch fie, wie durch eine Zauberformel, auch unser Auge aufthun könnte, Geister, wie körperliche Erscheinungen zu sehen, zu betrachten.

Immer ist unsre Psychologie noch nicht weit über die Kindheit hinaus, wenn sie bloß nach dem Bekanntesten, das

alle

alle menschliche Seelen gemein haben, ihren Weg durch Schlüsse und Errathungen fortsest; ohne auf die Besonders Heiren einzelner Subjekte mit der Genauigkeit zu merken, mit welcher der Naturforscher die Körper der Thiere zerglie, bert, um sich in die innere Werkstätte der Natur einzuschleis chen. Ungeheuer, Seltenheiten, Mißigeburten, sind ihm willkommen, unterrichtend und nüglich; und so sollten es dem Weltweisen alle ausserordentliche Geister seyn, die wie Kometen aufgehen, und verschwinden. Wenn unsere systes matische Philosophen in der Geisterlehre Linneus find, bie eigensinnig schlichten und klaffificiren: so ist ein unsystematt. scher Kopf an ihre Seite zu stellen, ber, wie Büffon, eigens finnig in ihre Klassen einfalle, und Individua zergliedere,

Hier muß ich aber sagen: welcher Mensch weiß, was im Menschen ist, ohne der Geist des Menschen in ihm? und auch dieser kennet sich nur, so wie wir unser Gesicht kens nen, anschauend, aber nicht deutlich. Mit einem lebendt. gen, aber verworrenen Bewusstseyn unsrer selbst, gehen wir einher wie in einem Traume, von welchem uns nur bei Ges legenheit ein und ander Stück einfällt, abgerissen, mangel, haft, ohne Verbindung. Selbst geben wir oft nicht auf uns sere Gedanken Acht; allein den Augenblick erkennen wir uns, wie in der platonischen Erinnerung aus dem Reich der Geis fter, wenn ein anderer Gedanken vorzeiget, die unsrer Seele entwandt scheinen. Selbst tönnen wir nicht vollständig dars. auf antworten, wie die Gestalt unsers Antlißes sei; wohl aber werden wir aus uns fahren, wenn uns ein Bild unser selbst, ein zweites Ich aufstiesse. So fand sich Sokrates getroffen, da der Gesichtsdeuter in seiner Seele las; er schüt telte aber den Kopf, da er sah, was Plato in ihm finden wollte. Ich übergehe den ganzen dunkeln Grund unrer Seele, in dessen unabsehbarer Tiefe unbekannte Kräfte, wie ungeborne Keime, schlafen: in welchem, wie in einem Erds reich, das mit Schnee und Eis bedeckt ist, ber Keim modert zu einem Frühlinge paradiesischer Gedanken, in welchem, Beisp. Samml. 8.B. 2, Abth. M

wie

wielin dunkler Asche der Funke zu großen Leidenschaften, und Trieben glimmt. Wie erhebt sich hier auf einmal die Idee, inf der ich mir das Bild der Gottheit gedenke: er, der die Morgensterne und die Geister mit Namen rufet; den Ge danken von ferne tennet, ehe er geboren wird, nur Er, der Schöpfer, tennet eine von ihm erschaffene Seele!

Wenn unsere Philosophen also diese Kenntniß einzelner. Geister noch nicht so häufig versuchen, so hat ein andrer dazu mehr Gelegenheit und Pflicht: der Geschichtschreiber; und der hat mehr gethan, als jener Mahler der Seele Parrha, fius, und Aristides, der eine menschliche Seele in ihrer gans zen Denkart zu sehen, zu zeichnen, vorzustellen weiß. Wan wird mir aber doch zutrauen, daß ich hier etwas anders vers stehe, als was unsere wißige Nachbaren, Charaktere und Portraite nennen. Bilderchen, die faft nie die Wahrheit,

sondern die Künstelei gezeichnet, die aus der Phantasie, nicht nach der Natur entworfen, und von einem kindischen Geist ausgemahlet sind, der oft nur zum Zweck hat, sich durch abs wechselnde Schattenbilder an der Wand zu vergnügen, und durch rasende Kontraste das Auge des Zuschauers zu bestürs men. Jch årgre mich, wenn ich einen neuern deutschen Schriftsteller so kühn nennen höre, einen pragmatischen Ges schichtschreiber unsers Jahrhunderts, bloß weil er seinem trocknen und kreuzlahmen Skelett ein paar solcher französis schen Bilderchen ganz am unrechten Ort angeheftet. ——

Vorzüglich muß ein Biograph die Gestalt seines Hels den thm gleichsam vom Antlig zu reissen wissen, wenn er dies ses Namens werth seyn will. Und da, wie voraus gezeigt ist, wir uns selbst nicht einmal von innen kennen: und mir also, wenn wir auch alle wie Montagne wåren, schwerlich vollkommne Biographen unser selbst werden könnten: so hat der Geschichtschreiber seinen Autor desto mehr von aussen zu studiren, um die Seele deffeiben in Worten und Handluns gen aufzuspåhen. So zeichnet er das Bild der Sonne nicht

aus

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