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thre Herzen sirihmte; denn wer ist fähig, sich nachzuems pfinden?

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Sonst meidet die Freundschaft die Pallåste der Großen ; ihre Stelle vertritt eine niedrige Dienstfertigkeit, eine heuchs lerische verstellte Liebe, die, sobald die Gnade des Fürsten wankt, oft ohne irgend eine andre Veranlassung zum offens bären Haß wird. Der Anhang mancher Minister ist ein Haufen um Lohn gedungener Knechte, und unter Gebietern und Sklaven giebt es keine Verbindung der Seelen. Bernstorf hatte sich Freunde erworben, die seines Herzens würdiger waren; fie schäßten, unabhängig von der Würde, den Mann, der nicht verehrt, der geliebt seyn wollte, und ter ihre Freundschaft mit einer Zärtlichkeit vergalt, die in der verfeinerten Welt nicht gekannt wird.

Aber

Ihr wenigen Edlen, eilet mit mir über ein allzutraus riges Andenken weg, oder überlasst euch vielmehr ohne Zwang eurem Schmerze.

Bernstorf war ganz zum Vergnügen des Umgangs ger schaffen; er zog, mehr aus Pflicht, als aus Neigung, ein einsames Leben, allen seinen Reizungen vor, aber sein Tag reichte kaum zu der Arbeit hin, welche unaufhörlich auf ihn Judrang; die ersten Stunden desselben, waren der Religion, und zwar nicht ihrer Uebung allein, sondern auch ihrer Uns tersuchung, gewidmet; er las die grössten Theologen aller Zeiten; er verglich ihre Lehren mit den heiligen Quellen; untersuchte und prüfte ihre Glaubwürdigkeit, und waffnete fich gegen ernsthafte Zweifel. Es ist wahr, er las die Spdt, tereien nicht, die, wenn man ihren Nachbetern glaubt, uns fer Jahrhundert so aufgeklärt haben, und die man, wiewohl nicht im Ernst, die Stimme des andern Theils nennt. Sie mögen den Thorheiten des Alters und den Wünschen der Jugend schmeicheln, aber sie kommen der kalten Vernunft des "Rechtschaffenen verächtlich vor. Wer nicht Einfälle, sondern Gründe sucht, wer überzeugt, belehrt, nicht belustigt

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feyn will, bebt vor dem Frevel zurück, die Regierung Gottes nach Schmähschriften zu beurtheilen.

So, durch hohe Betrachtungen aufgeheitert, gieng Bernstorf mit Freuden an die Geschäfte seines Berufs, las alle Bittschriften selbst, und hielt ein eigenes Tagebuch dars über; selten entfiel ihm ein wichtiger Umstand, zumal wenn er zum Vortheil der Bittenden gereichte;' selbst in gerichtlichen Angelegenheiten nicht, die, gekleidet in ihre veraltete Tracht, dem Mann von Geschmack zuwider sind. Auch der Ges ringste seufzte nicht nach Bescheid; Hülfsbedürftige aus allen Stånden wurden oft durch eigenhåndige Schreiben erfreut; alle wurden getröstet, wenn sie auch nicht alle erhört werden Connten.

In den auswärtigen Geschäften überließ er wenig der Arbeit seiner Untergebenen. Er entwarf die wichtigsten Auft fage, las alle Berichte der Abgesandten selbst, und verlangte Teine Auszüge, die zwar die Mühe des Lesens erleichtern, aber auch den Sinn der Berichte entstellen. Er schrieb aus der Fülle seines Geistes und Herzens; Gedanken und Aus druck ströhmten ihm zu, Er verstand es, in einem gefällis gen Ton durchdringend an den Verstand zu reden, überwies gend einzunehmen, alle Gegenstände so zu ordnen, daß sie fich untereinander gemeinschaftlich hoben, und daß kein triftis ger Umstand in Schatten zurück wich. Er wusste die Auft merksamkeit bei verwickelten Sachen durch ein immer steigens des Intereffe zu feffeln, immer den einzigen Ausdruck zu fin den, der keine fremde Deutung zuließ, die in seinen Geschäf ten nicht gleichgültig war. Sein Styl war edel, ohne reds nerischen Schmuck, leicht und fliessend, ohne Trockenheit; er überredete und rührte, weil er mit aller Würde seiner eigs nen Tugend die Gesinnung wohlthätiger Könige vortrug; denn immer bleiben Gerechtigkeit und Wahrheit die einzigen Quellen aller Ueberzeugung, und kein Sophist hat mit allem Schimmer des Wißes je im eigentlichen Verstand eine schlechte Sache vortrefflich vertheidigt. Es ist Schabe, daß seine

Arbeit unter die Geheimnisse der Politik geßdret, daß sie der Bewunderung der Kenner entzogen bleiben muß. - Seine Instruktionen an Gesandte feines Königs sind Meisterstücke der Staatskunst und des Vortrages. Der Minister befand fich gleich mitten in dem Hof, an dem er zu leben bestimmt >war; das Verhältniß dieses Hofes mit Dånnemark, sein Ges wicht auf andre Staaten, der Charakter der Nation, das System der Regierung, war unterrichtend und deutlich ents faltet, Minister, Günstlinge, Häupter mächtiger Partheien waren geschildert, ihr Vermögen im Handeln, war berechnet. In den Ausdrücken, mit welchen Bernstorf die Wünsche des Königs empfahl, waren die Mittel ste zu erreichen, enthals ten, alle Einwürfe waren entkräftet, Gründe mit Uebers gewicht bewaffnet, jeder Schritt war so behutsam vorgezeich net, daß auch ein Neuling in der Staatskunst, mit einer folchen Karte versehen, sich kühn in das Labyrinth der Polis tik wagen durfte, und aus dieser Schule kamen vortreffliche Månner, zum Dienste des Vaterlandes gebildet,, zurück.

Bernstorf verstand die meisten Sprachen von Europa, aber vorzüglich war er der französischen mächtig. Sie ist die Sprache der großen Welt, und verbindet durch den Briefs wechsel und den Umgang fast alle gesittete Völker, insbesons dre gehört sie der Staatskunst zu, die, wie alle Wissenschaft ten, ihre Kunstsprache und ihre Eigenheit hat; nur hat der neue Geschmack sie allzusehr mit Puß überladen, und das durch ihren Nachdruck entkräftet; man ringt nach Wik, wo man talte Bernunft fordert, man mißbraucht hohe Metaphern zu gemeinen Gedanken, und scheut sich nicht die Geschäfte ganzer Völker in Epigrammen und Antithesen zu verhans deln. Dies war nicht der Styl des berühmten Jahrhun derts, in welchem Gernstorf seine Muster aufgesucht hatte. Man las seine Auffäße noch mit Vergnügen nach der Arbeit eines Lionne, eines Torcy, eines Estrades. Lionne war sein Mußter, shuftreitig der gröffte Schriftsteller in Geschäften;

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aber

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Historische Schriftsteller.

aber Bernstorf überträf ihn durch Würde des Inhalts. Sr rührte durch die Mäßigung, durch die Gerechtigkeit seines Königs, anstatt: daß jener die Eitelkeit des Seinigen, zuweis Ten gar seine Rache veredeln musste.

Im Deutschen war Bernstorf minder geübt, ob er gleich mit Empfindung unsere besten Schriftsteller las. Als er ans fieng in der Welt zu erscheinen, war der deutsche Geschmack noch in seiner Kindheit; die Schreibart beschäftigter® Leute war mehr o`er weniger eine Art des Altenstyls, der entives der im frostigen Einklang ertönte, oder sich in verschränkten Perioden verwirrte, wo der Sinn im Gedrånge müssiger Worte verschwand. Er hatte in Regensburg gelebt, und konnte den Ton dieser Schule nicht verleugnen; aber, weil ein Genie immer jede Sprache beugt, so drückte er auch im Deutschen große und edle Gedanken vielleicht nicht zierlich, aber mit einem eigenen Ausdruck, und mit einer fremben, aber kräftigen Wendung aus. Mitten unter seiner Arbeit las er vortreffliche Bücher; sie wurden behutsam, wie seine Freunde, gewählt, und es war ein Vorurtheil für den Werth eines Buchs, wenn man es in seiner Sammlung antraf.

Ein so beschäftigter Mann findet seine Wolluft in dem Genuß jeder freien ruhigen Stunde; sie ist ihm zu kostbar, als daß er sie in dem finnlosen Getümmel der Welt vers schwenden sollte. Bernstorf überließ sich alsdann den stils Ten Freuden des häuslichen Glücks, das sich täglich erneuert, das dem Weisen allein noch Vergnügen gewährt, wenn ihn jeder Triumph der Macht und des Ansehen's, jeder Aufzug Der Höfe talt lässt. Er war der freundschaftlichste, gefälligste Ehemann. Seine Gemahlin blieb immer die Vertraute seit nes Herzens; er kehrte freudig aus jeder Gesellschaft in ihre 'Arme zurück; jedes Wort, das an sie 'gerichtet war, jeder Blick, der dem ihrigen begegnete, trug das Gepråge seiner Bårtlichkeit.

Die lehte Stunde des Abends war die angenehmste feines Tages. Diese brachte er unter seiner Familie, mit

seinen Hausgenossen und einigen Gelehrten in Unterredungen ju. Klopstock, der Sånger Gottes und Freund und Liebs ling der Menschen, der rechtschaffene getstvolle Cramer, der reine Lehre und unstråflichen Wandel mit Wiß und Muntera keit und ausgebreiteten Kenntnissen vereinigt, gehörten mit zu diesem glücklichen Zirkel. Wir hiengen alsdann an Berns storfs Mund, und labten uns mit sokratischer Weisheit. Hier entfaltete sich sein Herz und sein Geist; der Schleier der Würde fiel nieder, und die erhabene Seele glänzte in ihrer eigenthümlichen Schönheit; wir verliessen ihn nie, ohne wårs mer für die Tugend zu empfinden, ohne unterrichtet oder ges beffert zu seyn.

Wenn die schöne Zeit des Jahres herannahete, so ents floh auch Bernstorf aus dem Geräusche der Stadt in die sanftern Scenen der Natur. König Friedrich hatte ihm ein Landgut geschenkt, das, als der Ruheplaß eines großen Mannes, unserer Zeit und der Nachwelt ehrwürdig bleibt.

Auf einem Hügel, der auf einer weit ausgebreiteten Fläche sich langsam erhebt, ist ein geschmackvolles, mehr bes quemes als prächtiges, Wohnhaus erbauet. Jenseits der Fläche begränzt die Stadt den Horizont, nah genug, um in ihrer ganzen Schönheit zu glänzen, und entfernt genug, um die ländliche Ruhe nicht zu stören. Die Stadt dehnt ihr Gewühl durch den Hafen in das angrånzende Meer aus; hier verändere die Schifffahrt jeden Augenblick die reiche mannig, faltige Scene, und das stille ferne Getümmel entzückt. Ant dem Hafen vorbei verliert sich der Blick auf der See, oder ruht zuweilen unter einer sich sammelnden Flotte, oder auf den Rüften von Schonen aus.

Jung gepflanzte Alleen führen von dem Wohnhaus in die regellosen Gånge eines reizenden Waldes, der einen Gars ten verbirgt und schüßt, auf welchen die Sonne nicht wenk ger gütig als auf ein füdliches Land blickt. Er ist das Mus sler der Gårten von Dännemark, und bringt die besten Früchte der wärmern Provinzen von Europa in ihrer Volls

tommen

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