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Wechselfällen, nach so viel Völkerwanderungen kann in der römischen Bevölkerung kaum noch ein Tropfen alt= lateinischen und altsabinischen Blutes übrigsein; und doch ist diese Bevölkerung beständig sich selber gleich ge= blieben und hat die Fehler, die Vorzüge von früher. Denn wer in Rom lebt, wird zum Römer; die Absorptions- und Fusionskraft, welche diese Stadt besißt, ist geradezu überraschend; feinen Beobachtern entging fie zu keiner Zeit.

Man athme die Luft von Rom und man fühlt sich ein römischer Bürger werden, nicht durch ein Civilgesetz, nein durch ein Naturgeset. Unvermerkt beginnt man dieselben Ansprüche, dieselben Forderungen, dieselben Pläne zu machen; man sieht die Reiche der Welt plößlich so klein zu seinen Füßen liegen; das Auge bekommt eine gewisse kosmopolitische Weite, und das Herz des Bettlers durchzittert eine Ahnung von Majestät.

Allmacht der Erinnerung! Magie der Vergangen= heit! Und doch, Eines ist gewiß: daß abermals eine Gestalt des Lebens alt, Rom selbst aber zunächst sichtlich kleiner und aus einer majestätischen und ewigen Ruine ein modernes und noch immer unbequemes Wohnhaus geworden ist. Der Römer, gewohnt über Trümmerfelder mit Bedacht und Feierlichkeit zu wandeln, soll in Zukunft säuberlich und geschäftig zur Börse und zur Fabrik durch nationale Straßen eilen. Er, der sich bisher als einen König zu betrachten pflegte, dem die ganze Welt Tribut entrichtete, soll fünftig wie jeder Unterthan im Heere dienen und Steuern zahlen. Auch er ist, wie sein Papst, aus einem Traume erwacht. Und doch muß man sagen, das ist der Weg, auf dem Rom ursprünglich groß geworden war. Nach jahrtausendelangen Anstrengungen, einen

alten, nun doch einmal untergegangenen Glanz zu behaupten, ist Rom gewissermaßen zu seinem Ursprung zurückgekehrt und hat sich entschlossen, wieder von vorn anzufangen, einem Schüler gleich, dem sein Pensum zurückgegeben wird.

Am 21. April, dem Tage der Gründung Noms, werden bei einbrechender Nacht nach alter Sitte die Ruinen der Stadt mit bengalischem Feuer erleuchtet — eine großartige und wirkungsvolle Illumination. Gleich einer ungeheuern Brandstätte rings zusammenstürzend und verkohlend, gähnt der Kessel des Colosseums; die Säulen der Tempel, die Siegesbogen des Forums glühen in rothem Licht, die Felsenwände des Palatin, die Grundmauern des Tabulariums ragen furchtbar prächtig hinein in den Abendhimmel; das alte Rom scheint zum zweiten Male in Flammen zu versinken. Da erscheint plötzlich, hoch oben auf dem Thurme des Capitols, weiß und glänzend, der Stern vom Pantheon, der Stern Italiens. Sei gegrüßt, tröstendes Sinnbild der Hoffnungen eines jungen Staates, eines günstigen Schicksals werth! Möchte die Sonne niemals etwas Größeres schauen als Rom!

III.

Villa Celimontana.

Und spricht in jener ersten Stadt der Welt
Nicht jeder Plaz, nicht jeder Stein zu uns?
Lasso.

Als ich eines Tages auf mein Zimmer kam, war ein vornehmer Herr bei mir gewesen, an den ich, ohne daß ich es wußte, empfohlen worden war, und der mir eine wichtige Mittheilung machen wollte. Er hatte seine Bisitenkarte dagelassen, und ich ersah daraus, daß er ein Deutscher und in Rom ansässig war, denn eine römische Adresse stand darauf. Diese Adresse lautete: Villa Celimontana, Piazza SS. Giovanni e Paolo.

Alles dies ging gewiß nicht über das Gewöhnliche hinaus; aber was uns blindes Ungefähr nur dünkt, gerade das steigt aus den tiefsten Quellen. Jeder dieser Umstände war dazu angethan, das Nachdenken zu erregen, und die kleine Visitenkarte ein Spiegel und ein kurzgefaßter Abriß der ganzen Weltgeschichte.

Villa Celimontana? Eine Villa auf dem Mons Coelius, einem der sieben Hügel? Welch ein merkwürdiger

Kleinpaul.

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Begriff! Welch eine Wirkung der Jahrhunderte! Welch historisches Resultat!

Sonst wenn man aufs Land will, fährt man nach Sanssouci; oder nach der Brühl; oder nach Trianon: und kaum da ist man recht auf dem Lande. Bei einer großen Stadt ist die Campagna gewöhnlich meilenweit entfernt weit wie Campanien, die Campagna par excellence. Plätschernde Bäche, grüne Wiesen, schattige Wälder, wo seid ihr? Ach, seid ihr da? Man hat euch nachgemacht.

So war es im alten Rom selbst; die Großen von damals bauten ihre Landhäuser nicht in der Stadt „Laß fahren“, sagt Horaz zu Mäcenas, als ob's ein Cockneh wäre,,,das glückselige Rom laß fahren, Rauch und Gepränge und Lärm der Weltstadt“ (Od. III, 29, 12) —, sondern auf den Höhen von Tusculum, an den Wasserfällen von Tibur, an Bajäs gepriesenem Strande. Was gab es denn auf dem Hügel Coelius? Paläste, Tempel, Speisemärkte, Nachtwächterkasernen. Left nur die marmornen Listen der fünften römischen Feuerwache am Eingange der Allee. War da etwa Raum für bukolische Phantasien? Konnte das „in votis“ sein? So wenig wie eine londoner City.

So wenig wie das heutige Rom selber, denn streng genommen ist es auch hier nicht anders: Landhäuser findet man im Weichbilde dieser immer noch großen Stadt keine. Jedermann weiß, daß der größte Theil der städtischen Gebäude Roms das alte Marsfeld, das heißt die Ebene bedeckt, welche sich von den Abhängen des Pincius, des Quirinalis und des Capitolinus gegen den Tiber hin erstreckt, während die alten sieben Hügel fast gänzlich verödet find. Nun, die römischen Villen liegen eben nicht

auf dem Marsfeld mitten in der Neustadt, sondern entweder außerhalb der Thore, oder auf den sieben Hügeln, in der Altstadt; denn das alte Rom ist bereits für das neue Rom Campagna, und nur wenn man beide Hälften auch logisch mit einem aurelianischen Mauerkreis umschließt, kann man von Villen in der Stadt selber, d. h. von römischen Villen reden. Eben unsere Villa liefert zu diesem Verhältniß eine sprechende Illustration, indem sie nach einem jener reizenden Hügel heißt, wo der Hauch einer mythischen Einsamkeit um die träumende Seele weht.

Nicht Wohnhäuser umgeben sie, sondern Klöster und Ruinen; kein Corso führt dahin, sondern die Triumphalstraße durch den mächtigen Bogen des Konstantin; keine Marmortreppe steigt man zu ihr hinauf, sondern den Stieg des Scaurus, den einzigen armen Rest von eines kunstliebenden Römers Prachtgebäuden.

Niemand ahnt in der duftigen Wildniß dieser Gärten, daß hier einst das große Leben der römischen Kaiserzeit gerauscht hat. Freilich stehen wir hier auf dem Berge Marc Aurel's und mitten auf dem Horst der römischen. Adler, jener Sturmvögel, die über eine Welt getrieben worden sind aber vom Adlerhorst ist nichts übrig als ein paar ausgerissene Federn, Riesensplitter, an welche sich der müde Pilgrim lehnt, wenn er von seiner Wallfahrt ausruht; und eben deshalb wählte der Fürst Ciriaco Mattei im Jahre 1589 diesen Plaz, um der quetschenden Enge der Straßen zu entgehen.

Hoc erat in votis; hier winkte ihm süße Ruhe; hier spürte er, wie der Friedensfürst, sein Nachfolger, an den kleinen Obelisken geschrieben hat, weder Sturm noch Winter,

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