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Er

sechs Jahre verharrt hatte, und es nun Zeit schien, ihn auf Universitäten zu bringen, ver schaffte er demselben durch gleiche Protektion zwey Stipendien auf einer berühmten Univerfität. Weil nun zwey Stipendien einträglichher waren, als eins, so konnte der junge Nothanker auch seine Studien mit viel glücklicherm Erfolge fortsehen, als sonst ein armer einfacher Stipendiat hätte thun können. studirte daher nicht allein in den Kollegien, sondern auch in den Kaffeehäusern, bey den Jungemädgen, in den Dorfschenken, und also in der großen Welt der Universitäten. machte auch Verse und Satiren, wodurch er denn bald ein Mitglied der deutschen Gesellschaft des Ortes ward. Von der Philosophie machte er Profession, und segte sich schon in seinen Studentenjahren vor, in derselben einst große Veränderungen vorzunehmen; in dec ästhetischen Kritik aber war er so stark, daß er den Longin, Shakespear und Hos me immer beym dritten Worte citirte. Diese Nachrichten erfreuten Wilhelminen ungemein, welche ihn als ihren würdigen Erben ansah, obgleich Sebaldus ein wenig darüber den Kopf schüttelte, und die Hoffnung, die er sich

seit zehen Jahren gemacht hatte, ihn einmal zum Adjunkt seiner Pfarre zu bekommen, beynahe aufzugeben anfing.

Etwa sechs Jahre nach der Geburt des Sohnes, als eben die Zuneigung zwischen Sebaldus und Wilhelminer. zur wärmsten Zärtlichkeit gestiegen war, wurden sie mit ei: ner Tochter erfreut. Mariane war von ihrer ersten Jugend an der Gegenstand der väter: lichen und mütterlichen Zärtlichkeit. Beson ders wendete Wilhelmine ihre ganze Sorgfalt auf die Erziehung dieser Tochter. Sie unterwies fie in allen weiblichen Arbeiten und in der französischen Sprache, ihr Vater war ihr Lehrer in der Geschichte und Erdbeschreibung, und beide vergaßen nichts um den Geist und das Herz dieses geliebten Kindes zu bilden. Mariane hatte in ihrem sechszehnten Jahre die besten deutschen und französischen Schrift steller gelesen. Nach Endigung ihrer häuss lichen Arbeiten war ihr Abendgeschäft wech. selsweise ihrer Mutter vorzulesen, oder auf dem Klaviere zu spielen, worin ihr Vater ihr erster Lehrmeister gewesen war, und ihr eigner Fleiß sie zu mehrerer Vollkommenheit gebracht hatte. Eine sanfte Seele, ein mit.

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leidiges Herz, krönte ihre übrige gute Eigens schaften, und gab ihnen in den Augen ihrer Eltern noch einen viel größern Werth.

Als diese älteste Tochter schon erwachsen war, wurde die Familie noch mit einer kleinen Lochter vermehrt, ben deren guter Erziehung. Wilhelmine mit der jungen Mariane wett= eiferte.

Zweyter Abschnitt.

Die häusliche Zufriedenheit hatte auf solche, Art viele Jahre ununterbrochen fortgedauret. Sebaldus verrichtete seine Amtsgeschäfte in der Kirche mit frohem Gemüthe, eben so wie Wilhelmine in der Küche und in der Milchkame mer. Beide unterstüßten willig ihre nothlei denden und bekümmerten Nachbarn, und dann kehrten sie vergnügt zu ihrer eigenen Gesellschaft, und zur Gesellschaft ihrer ins niggeliebten Kinder zurück. Ein frohes Herz war die Würze jeder ländlichen Mahlzeit, und verschönerte ihre ruhigen Spaziergänge. Das Einförmige in ihrer Lebensart und in ihrem Vergnügen gewann mehrere Veränderung, so, wie ihre Kinder im Alter zunahmen. Eine.

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richtige Anmerkung, oder ein wißiger Einfall den Mariane hören ließ, ein neues musikali. sches Stück das sie zum erstenmal spielte, war der elterlichen Zärtlichkeit ein Fest, wor an ihr Vergnügen Tage lang Nahrung hatte. Der Tag, da Charlottchen zuerst das süße Wort Mutter lallte, der, da ste zuerst auf ihren kleinen Füßen drittehalb Schritte von dem Schooße der Mutter zum Vater forttau melte, der, da sie ihm das erste von ihr ge nähte Säumchen vorzeigen konnte, oder der, da sie, durch ihre zärtliche Schwester gelehrt, beide Eltern durch Hersagung der Gellertschen Fabel vom Zeisig überraschte, waren in dieser kleinen Familie Galatage, deren Anmuth, wiz der die Art der höfischen, auch noch nachdem sie vorbei waren, genossen wurde.

So vollkommen das Glück dieser Familie war, so drohte es doch ein kleiner Zufall zu unterbrechen. Es erschien in den letzten Jahren des vergangenen Krieges eine Schrift: Vom Lode für das Vaterland, beti: telt. Diese kleine Schrift würde in das ru hige Fürstenthum so leicht nicht eingedrungen fenn, welches von neuen Schriften, sonderlich von solchen die sich mit dem Lande der welts

lichen Weisheit, und mit dem Spielwerke der schönen Litteratur beschäftigten, gar nicht be unruhigt wurde. Man hatte darin gewöhnlicher Weise außer dem fürstl. privile: girten Gesangbuche, welches jährlich in grobem und feinem Drucke aufgelegt ward, und einigen auswärtigen Kalendern, als dem hinkenden Staatsboten, und dem Nürnbergischen Land, und Hauskar lender u. f. w.; nichts, als des Herrn von Bogazky tägliches Hausbuch, den kleinen Görgel in Lebensgröße, Schabalie wandelnde Seele, Före sters expediten Prediger in sechs Quartbänden, die Grundrisse von Predigten der Hamburgischen Herz ren Pastoren, nebst der Insel Felsen burg, dem im Irrgarten der Liebe taumelnden Kavalier, und einigen Ro manen des Dreßdner Thürmers, z. B. das Leben Peter Roberts, das wunderbare Schicksal Antoni, das Leben des Malers Michael, und dergleichen Sachen mehr.

Wilhelmine aber, welche auf alle neue Büs cher neugierig war die in die schönen Wisz

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