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fich hat, als sein Kameel, und etwa den Flug umirs render Vögel, kann leichter jenes Natur verstehen und das Geschrei dieser zu verstehen glauben, als wir in unsern Behausungen. Der Sohn des Wale des, der Jäger, versteht die Stimme des Hirsches, und der Lappländer feines Rennthieres. — Doch alles das folgt, oder ist Ausnahme. Eigentlich ist diese Sprache der Natur eine Völkersprache für jede Gattung unter sich, und so hat auch der Mensch die Seinige.

Nun sind freilich diese Töne sehr einfach; und wenn sie artikulirt, und als Interjektionen aufs Papier hinbuchstabirt werden; so haben die entgegens gesehtesten Empfindungen fast Einen Ausdruck. Das matte Ach! ist sowohl Laut der zerschmelzenden Liebe, als der sinkenden Verzweiflung; das feurige. D! ist sowohl Ausbruch der plöhlichen Freude, als der auffahrenden Wuth, der steigenden Bewunderung, als des zuwallenden Bejammerns. Allein sind denn diese Laute da, um als Interjektionen aufs Papier. gemalt zu werden? Die Thräne, die in diesem trüben, ers loschnen, nach Trost schmachtenden Auge schwimmt wie rührend ist sie im ganzen Gemälde des Antlißes der Wehmuth! Nehmet sie allein, und sie ist ein kalter Wassertropfe; bringet sie unter das Mikros skop, und ich will nicht wissen, was sie da seyn mag. Dieser ermattende Hauch, der halbe Seufzer, • der auf der vom Schmerz verzognen Lippe so rührend

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sondert ihn ab von allen seinen lebendigen Gehülfen, und er ist ein leerer Luftstoß. Kanns mit den Tönen der Empfindung anders seyn? In ihrem Lebendigen Zusammenhange, im ganzen Bilde der wirkenden Natur, begleitet von so vielen andern Erscheinungen, sind sie rührend und gnugsam; aber von allen getrennet, herausgerissen, ihres Lebens beraus bet, freilich nichts als Ziffern. Die Stimme der Natur wird damit ein gemalter, willkührlicher Buchstabe. Wenig sind dieser Sprachtô ne freilich; allein die empfindsame Natur, sofern sie blos mechanisch leidet, hat auch weniger Hauptarten der Empfindung, als unsre Psychologieen der Seele als Leidenschaften anzählen oder andichten. Nur jedes Gefühl ist in solchem Zustande, je weniger in Fåden sertheilt, ein um so mächtiger anziehendes Band: die Töne reden nicht viel, aber stark. Ob der Klageton über Wunden der Seele oder des Körpers wims mere? ob dieses Geschrei von Furcht oder Schmerz erpreßt werde? ob dies weiche Ach sich mit einem Kuß oder einer Thräne an den Busen der Geliebten drücke? alle solche Unterschiede zu bestimmen, war diese Sprache nicht da. Sie sollte zum Gemälde hinrufen; dies Gemälde wird schon vor sich selbst reden. Sie sollte tönen, nicht aber schildern. Ueberhaupt gränzen, nach jener Fabel des Sokrates, Schmerz • und Wollust aneinander. Die Natur hat in der Empfindung ihre Enden zusammengeknüpft; und was

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kann also die Sprache der Empfindung anders, als solche Berührungspunkte zeigen?

darf ich anwenden.

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In allen ursprünglichen Sprachen tos nen noch Reste dieser Naturtdne; nur freis lich sind sie nicht die Hauptfäden der menschlichen. Sprache. Sie sind nicht die eigentlichen Wurzeln, aber die Säfte, die die Wurzeln der Sprache beleben.

Eine feine, spåt erfundne metaphysische Sprache, die von der ursprünglichen Muttersprache des menschs lichen Geschlechts eine Abart vielleicht im vierten. Gliede ist, und nach langen Jahrtausenden der Abars tung selbst wieder Jahrhunderte ihres Lebens hindurch verfeinert, civilisirt und humanisirt worden: eine solche Sprache, das Kind der Vernunft und Gesells schaft, kann wenig oder nichts mehr von der Kinds heit ihrer ersten Mutter wissen; allein die alten, die wilden Sprachen, je nåher zum Ursprunge, enthals ten davon desto mehr. Ich kann hier noch nicht von. der geringsten menschlichen Bildung der Sprache reden sondern nur rohe Materialien betrachten.) Noch existirt für mich kein Wort: sondern nur Töne zum Wort einer Empfindung; aber sehet! in den ges nannten Sprachen, in ihren Interjektionen, in den: Wurzeln ihrer Nominum und Verborum, wie viele aufbehaltene Reste dieser Zone! Die ältesten: mors, genländischen Sprachen sind voll von Ausrüfen, für die wir spåtergebildeten Völker oft nichts als Lücken,

ober stumpfen, tauben Mißverstand haben. In the ren Elegieen tönen, wie bei den Wilden auf ihren Gråbern, jene Heul- und Klagetöne, eine fortgez hende Interjektion der Natursprache; in ihren Lobpsalmen das Freudengeschrei, die wiederkommenden Hallelujahs, die Shaw aus dem Munde der Klageweiber erkläret, und die bei uns so oft feierlicher Unsinn sind. Im Gang', im Schwunge ihrer Ge=' dichte, und der Gefänge andrer alten Völker tönet der Ton, der noch die Krieges- und Religionstânze, die Trauer- und Freudengesånge aller Wilden belebet : fie mögen am Fuße der Cordilleras, oder im Schnee der Irokesen, in Brasilien oder auf den Inseln der Karaiben wohnen. Die Wurzeln ihrer einfachsten, wirksamsten, frühesten Verben ende lich sind jene ersten Ausrüfe der Natur, die erst spåter gemodelt wurden; und die Sprachen aller als ten und wilden Völker sind daher in diesem innern, lebendigen Tone für Fremde immer unaussprechlich! Ich kann die meisten dieser Phänomene im Zuz sammenhange erst später erklären: hier stehe nur Eins. Einer der Vertheidiger des göttlichen Urs sprunges des Sprache findet darin göttliche Ords nung zu bewundern: “daß sich die Laute al=" „ler uns bekannten Sprachen auf etliche zwanzig Buchstaben bringen lassen., Al

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Süßmilchs Beweis, daß der Ursprung der menschlichen Syras, che göttlich sey. Berlin; 1766. S. 21.

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lein das Faktum ist unrichtig, und der Schluß noch unrichtiger. Keine einzige lebendigtönende Sprache läßt sich vollständig in Buchstaben bringen, und noch weniger in zwanzig Buchstaben: dies zeigen alle Sprachen sämmtlich und sonders. Der Artikulationen unsrer Sprachwerkzeuge sind so viele; ein jeder Laut wird auf so mannichfaltige Weise ausgesprochen, daß 3. B. Herr Lambert im zweiten Theil seines Ors. ganon mit Recht hat zeigen können: "wie weit » weniger wir Buchstaben, als Laute haben, und "wie unbestimmt also diese von jenen ausgedrückt „werden können.,, Und das ist doch nur aus der deutschen Sprache gezeiget, die die Vieltönigkeit und den Unterschied ihrer Dialekte noch nicht einmal in eine Schriftsprache aufgenommen hat; wie denn da, wo die ganze Sprache nichts als solch ein lebendiger Dialekt ist? Woher rühren alle Eigenheiten und Sonderbarkeiten der Orthographie, als wegen der Unbehülflichkeit zu schreiben, wie man spricht? Wels. che lebendige Sprache läßt sich, ihren Tönen nach. aus Bücherbuchstaben lernen? Und welche todte Spraz che daher aufwecken? Je lebendiger nun eine Sprache ist, je weniger man daran gedacht hat, sie in Buchstaben zu fassen, je ursprünglicher sie zum vollen, unausgesonderten Laute der Natur hinaufsteigt z desto minder ist sie auch schreibbar, desto minder mit zwanzig Buchstaben schreibbar; ja oft für Fremdlinge ganz unaussprechlich. Der P. Rasles, der sich

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