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Schirmrand, der auch sonst in der Anatomie der Medusen eine wichtige Rolle spielt. Einen kurzen Abriss von dem Bau desselben werden wir daher bei jeder einzelnen Medusenfamilie unserer Darstellung vorausschicken. Es war dies um so mehr geboten, als wir auch hier im Laufe unserer Untersuchung in manche Verhältnisse weiter eingedrungen und vielfach zu anderen Ergebnissen als frühere Forscher gelangt sind.

In einem zweiten allgemeinen oder synthetischen Theile werden wir die Resultate unserer Untersuchung zusammenfassen, die Deutungen, welche den einzelnen Befunden gegeben wurden, näher begründen, und werden auf weitere allgemeine Fragen eingehen, die sich auf Grund der gemachten Beobachtungen aufwerfen lassen.

ANALYTISCHER THEIL.

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Indem wir das Nervensystem und die Sinnesorgane der Medusen nach ihrer Beschaffenheit innerhalb der einzelnen Familien besprechen, sind wir genöthigt, ein mehr oder minder künstliches System dieser Thiere unseren Betrachtungen zu Grunde zu legen. Bei der systematischen Anordnung der Medusen hat der Zoologe mit eigenthümlichen Verhältnissen zu rechnen, wie sie in keiner anderen Abtheilung des Thierreichs wiederkehren. Auf der einen Seite hat er Organismen vor sich, die nach ihrem anatomischen Bau eine scharf umschriebene einheitliche Classe im Stamm der Zoophyten bilden und sich durch grössere und geringere Verschiedenheiten in der Beschaffenheit einzelner Organe naturgemäss zu Ordnungen und Familien gruppiren. Auf der anderen Seite haben entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen in Erfahrung gebracht, dass viele dieser Thiere im Generationswechsel mit der sehr abweichend beschaffenen Classe der Hydroidpolypen stehen, in welcher man vor Erkenntniss dieser Thatsache gleichfalls schon Arten, Gattungen und Familien unterschieden hatte. Hierdurch ist der Zoologie die Aufgabe erwachsen, zwei bisher unabhängig neben einander herlaufende Systeme in ein einheitliches zu verschmelzen.

Die Lösung dieser Aufgabe stellt Anforderungen an unser zoologisches Wissen, denen dasselbe zur Zeit nur in unvollkommener Weise genügt. Nur von einer verhältnissmässig geringen Anzahl von Medusen ist die Abstammung von Hydroiden beobachtet, während doch die lückenlose Kenntniss einer grösseren Summe von Entwicklungsgeschichten aus jeder Familie der Medusen für die Einreihung der letzteren in das System der Hydroiden eine unerlässliche Vorbedingung ist. Noch grössere Schwierigkeiten ergeben sich bei der Frage nach der Stellung derjenigen Medusen, welche überhaupt nicht von Hydroiden aufgeammt werden: der Trachymedusen und Acraspeden. Wie sollen wir uns den Trachymedusen gegenüber verhalten, die den auf dem Weg des Generationswechsels entstehenden Medusen in ihrer Organisation so nahe verwandt sind, dass nur die Kenntniss ihrer Entwicklungsgeschichte eine Absonderung ermöglicht? Sollen wir annehmen, dass hier eine früher vorhandene Ammengeneration ausgefallen ist und dass ursprünglich die Trachymedusen wie die übrigen Craspedoten an Hydroidenstöckchen durch Knospung sich entwickelt haben? oder liegt hier ein ganz aussergewöhnlicher Fall convergenter Züchtung vor und sind die Trachymedusen direct aus Umbildung eines Hydra ähnlichen Polypen entstanden? Noch unklarer sind

die Verhältnisse der Acraspeden; sind doch die Beziehungen des Scyphistoma zum Hydroidenstadium der Craspedoten, der Strobilation zur Medusenknospung noch völlig unverständlich.

Alle diese Erwägungen führen zu dem Resultat, dass eine Unterordnung der Medusen unter das System der Hydroiden sich zur Zeit nur in unvollkommener Weise durchführen lässt. Es empfiehlt sich daher aus praktischen Gründen neben jenem noch ein besonderes System der Medusen beizubehalten, welches sich allein auf die innerhalb der Gruppe bestehenden anatomischen Verschiedenheiten stützt. Ein solches werden wir auch der vorliegenden Arbeit zu Grunde legen, zumal da es uns nur darauf ankommt, die gleichartigen Organisationsverhältnisse im Zusammenhange zu behandeln, während die Frage nach den Ursachen der Gleichartigkeit, ob convergente Züchtung? ob übereinstimmende Abstammung? uns ferner liegt.

Mit ESCHSCHOLZ (26), FORBES (29) und GEGENBAUR (33) theilen wir die Medusen in die beiden Hauptgruppen der Craspedoten und Acraspeden ein. Dieselben zeigen im Bau der wichtigsten Organe durchgreifende Verschiedenheiten, durch welche eine durchaus scharfe Abgrenzung ermöglicht wird. Mit Recht hebt daher GEGENBAUR hervor, dass der Begründer dieser Eintheilung, ESCHSCHOLZ, seiner Zeit durch dieselbe eine grosse Schärfe des systematischen Urtheils bethätigt habe. Wir geben den von GEGENBAUR gewählten Benennungen,, Craspedota" und „, Acraspeda" vor allen anderen den Vorzug, da durch sie der Cardinalpunkt, welcher die Verschiedenheit der beiden Abtheilungen bedingt, das Verhalten des Schirmrands, treffend bezeichnet wird. Noch öfters werden wir in unserer Darstellung auf das Abhängigkeitsverhältniss, in dem die übrige Organisation zur Bildung des Schirmrands steht, zurückzukommen haben.

Auch in der Umgrenzung der beiden Hauptgruppen stimmen wir mit GEGENBAUR überein. Zwar haben nach dem Vorgang von FRITZ MÜLLER (70) die beiden AGASSIZ, gestützt auf ihre umfassende systematische Kenntniss der Medusen, eine Neuerung durchzuführen versucht. Der ältere AGASSIZ (4) hat die Aeginiden, der jüngere (2) auch die übrigen Trachymedusen den Acraspeden eingereiht und die neugebildete Gruppe als Discophorae im engeren Sinne bezeichnet. Diese Neuerung ist jedoch eine unberechtigte, denn das Gastrovascularsystem, der Schirmrand, das Velum und das Nervensystem der Trachymedusen sind, wie aus dem Folgenden hervorgehen wird, wie bei den übrigen Craspedoten beschaffen, unterscheiden sich dagegen wesentlich von den betreffenden Organen der Acraspeden.

A. Craspedota.

Im Vergleich zu den Acraspeden werden die craspedoten Medusen gewöhnlich als die niedriger organisirten angesehen. Diese Auffassung geht im Wesentlichen von der Beurtheilung des Gastrovascularsystems, der Gallertscheibe und der Geschlechtsorgane aus. In der That liegen hier auch einfachere Verhältnisse bei den Craspedoten vor; es fehlt die starke Entwicklung der Gallerte und die mit dieser im Zusammenhang stehende Ausbildung der Subgenitalhöhlen; es fehlt die reiche Verästelung des verdauenden Hohlraums, welche die grösseren Rhizostomeen und die Mehrzahl der Semaeostomeen auszeichnet; es fehlen auch die eigenthümlichen Tentakelchen, die sich bei allen Acraspeden auf der Innenfläche des Magens finden und als secretorische Apparate gedeutet werden.

Während somit die vegetativen Organe zweifellos bei den Acraspeden stärker entwickelt sind, ist ebenso zweifellos das Uebergewicht im Differenzirungsgrad der animalen Organe auf Seiten der

Hertwig, Medusen.

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Craspedoten. Diese Ansicht wird sich jedem Beobachter schon aufdrängen, wenn er die grosse Beweglichkeit und Reizbarkeit der letzteren mit der Trägheit und Indolenz der ersteren vergleicht; sie wird weiterhin auch durch die anatomische Untersuchung der animalen Organe bestätigt. Denn ohne Zweifel nehmen die Sinnesorgane und das Nervensystem bei den Craspedoten eine viel höhere Entwicklungsstufe als bei den Acraspeden ein und schliessen sich noch am meisten an die Verhältnisse an, wie sie uns von den höher organisirten Thieren bekannt sind. Dieser Umstand hat es uns zweckmässig erscheinen lassen, die Craspedoten an die Spitze unserer Untersuchung zu stellen.

Bei der Beschreibung denken wir uns die craspedoten Medusen stets in der Weise ausgebreitet, dass die Subumbrellaseite nach abwärts gekehrt ist und dass das Velum unter der Gallertscheibe hervorgezogen in die unmittelbare Verlängerung derselben zu liegen kommt. Alles was bei dieser Stellung dem Mittelpunkt der Scheibe näher ist, nennen wir proximal, alles nach der Peripherie zu gelegene distal, ferner können wir dann am Körper der Medusen, sowohl an der Scheibe als am Velum zwei Flächen unterscheiden, eine obere oder dorsale Fläche, die der Convexität der Glocke entspricht, und eine untere oder ventrale Fläche, die in ihrer Mitte die Mundöffnung trägt. Beide sind von einem Epithel bedeckt, das wir in entsprechender Weise als dorsales und ventrales bezeichnen und in allen Figuren durchgängig das dorsale mit d', das ventrale mit d2 beziffern wollen. Von den beiden Epithellagen zeichnet sich die ventrale dadurch aus, dass sie mit der Bildung der Musculatur betraut ist. Letztere besteht aus einer Lage feinster Fibrillen, die zum Theil dem Velum angehören (m2), zum Theil unter der Gallertscheibe liegen und hier den Namen der Subumbrella (m') führen. Das dorsale Epithel erzeugt nur an umschriebenen Stellen Muskelfasern, so namentlich überall da, wo es die Tentakeln überzieht.

Im Bereich des Velum wird das dorsale und ventrale Epithel nur durch eine dünne Membran, die Stützlamelle des Velum, getrennt. Wenn wir die Muskeln als eine besondere Lage rechnen, können wir somit 4 Schichten unterscheiden, die von oben nach unten in folgender Weise angeordnet sind: 1. das dorsale Epithel, 2. die Stützlamelle, 3. die Muskelfaserschicht, 4. das untere Epithel.

Am Schirm werden die beiden Epithellagen vornehmlich durch die bei den einzelnen Arten verschieden entwickelte Gallerte geschieden. Dieselbe ist in ihren oberflächlichen Schichten zu einer festeren Membran erhärtet, auf welche unmittelbar das Epithel folgt. Diese Membran ist dünn und kaum wahrnehmbar auf der oberen Seite, bildet dagegen auf der ventralen eine derbe Stützlamelle für die hier liegenden Muskelfasern der Subumbrella. Beide Membranen stossen unter einem spitzen Winkel am Schirmrand zusammen und vereinigen sich hier mit der Stützlamelle des Velum. Am Schirmrand gehen somit, wie es besonders schön auf Querschnitten zu sehen ist, 3 Membranen in einander über. Die Linie, in welcher die Vereinigung stattfindet, bezeichnet die Grenze des Schirms und den Anfang des Velum.

In dem Winkel, der durch die Vereinigung der dorsalen und ventralen Membran des Schirms gebildet wird, mithin unmittelbar nach Innen von der Insertion des Velum, liegt der Ringkanal. Derselbe wird mehr oder minder deutlich von 3 Flächen begrenzt; die eine derselben stösst unmittelbar an die Stützlamelle der Subumbrella und ist für gewöhnlich die am meisten ausgedehnte, die zweite, zumeist die kleinere, wird durch die dorsale Membran des Schirms nach aussen abgeschlossen, die dritte Fläche endlich grenzt an die Gallerte. Auch hier findet sich zwischen dieser und dem Epithel des Ringkanals eine besondere Lamelle, die namentlich an grösseren Medusen deutlich zu erkennen ist. Soweit das Epithel sich mit der Schirmgallerte berührt, besteht es aus niedrig cubischen kleinen Zellen (r), sonst aber wird es von grossen vollsaftigen Elementen (r2) gebildet.

An der Zusammensetzung des Schirmrands nehmen ferner noch die Tentakeln Theil, welche in ihrer Zahl nach den einzelnen Medusenarten in weiten Grenzen variiren. Meist sind dieselben unmittelbar über dem Ursprung des Velum angebracht, nur in seltenen Fällen rücken sie an der Schirmwölbung weiter empor, ein Verhältniss, welches als secundäres zu beurtheilen ist. Die Tentakeln entstehen durch Wucherung von Zellen sowohl des Entoderms als auch des Ektoderms, die ersteren bilden den Axentheil, die letzteren das ihn einhüllende ein- oder mehrschichtige Epithel. Beide Bestandtheile sind von einander durch eine oft beträchtlich dicke Stützlamelle abgegrenzt. In der Axe des Tentakels sind die Entodermzellen bei vielen Medusen in pflanzenzellähnliche Gebilde umgewandelt (solide Tentakeln), bei anderen dagegen setzt sich die Höhlung des Ringkanals selbst in das Innere des Tentakels hinein fort und es behalten in diesem Fall die Entodermzellen ihren epithelialen Charakter bei (schlauchförmige Tentakeln). Zwischen der Stützlamelle und dem Ektodermepithel wird niemals eine Schicht längs verlaufender, bald glatter bald quergestreifter Muskelfibrillen vermisst.

Unter den craspedoten Medusen unterscheiden wir 3 Gruppen, die mit den Trachymedusen, Vesiculaten und Ocellaten HAECKEL'S (38) zusammenfallen. Von denselben werden, so weit es sich jetzt schon überblicken lässt, die Vesiculaten und Ocellaten von Hydroiden aufgeammt, dagegen zeichnen sich die Trachymedusen, welche wir hier an erster Stelle betrachten wollen, durch directe Entwicklung aus.

Die Trachymedusen werden von drei Familien gebildet, von den Aeginiden, Trachynemiden und Geryoniden. Da dieselben sich wesentlich in ihrem Bau von einander unterscheiden, werden wir sie getrennt behandeln und nicht eine zusammenhängende Darstellung der ganzen Gruppe geben, wie wir es bei den Vesiculaten und Ocellaten thun werden; wir beginnen mit den Aeginiden, da die Gehörorgane derselben uns den Schlüssel für das Verständniss der Gehörorgane der übrigen liefern.

I. Trachymedusae.
1. Aeginidae.

Die Aeginiden bilden eine scharf umschriebene Familie, deren Arten von GEGENBAUR (33) unter die 4 Genera Cunina, Aegineta, Aegina und Aeginopsis vertheilt werden. Von den zahlreichen Vertretern dieser Gattungen standen uns während des Winters in Messina 3 Arten zu Gebote. Zwei derselben gehörten dem Genus Cunina an, wenn wir die von GEGENBAUR herrührende Definition desselben beibehalten; unter ihnen liess sich die eine als Cunina lativentris (GEGENBAUR) bestimmen; sie ist ferner wahrscheinlich mit HAECKEL'S (36 u. 37) Cunina rhododactyla identisch, da die für letztere angegebenen Besonderheiten der Färbung wohl von keiner systematischen Bedeutung sind. Die zweite glich vollkommen der Aegineta sol maris GEGENBAUR'S; da diese Meduse nach des Letzteren Schilderungen und Abbildungen zu schliessen ebenfalls eine Cunina ist, so behalten wir für die von uns beobachtete Art den Speciesnamen bei und nennen sie Cunina sol maris '). Die dritte Aeginide endlich ist zweifellos die Aeginopsis mediterranea J. MÜLLER'S (72).

In ihrem Bau unterscheiden sich die Aeginiden sehr wesentlich von allen übrigen craspedoten Medusen. Namentlich spricht sich dies in der Anatomie ihres Schirmrands aus.

1) Wie eine genauere anatomische Untersuchung lehrt, sind die Arten der GEGENBAUR'schen Gattung Cunina schr verschieden gebaut; ein Theil besitzt einen wohl entwickelten Ringkanal, zahlreiche Nesselstreifen und Gehörorgane, die aus einem kleinen Hör

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