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Ueber eine sechszählige fossile Rhizostomee und eine vierzählige fossile Semaeostomee.

Vierter Beitrag zur Kenntniss der fossilen Medusen.

Von

Ernst Haeckel.

(Hierzu Taf. X. und XI.)

Den zwölf verschiedenen Arten von fossilen Medusen, welche ich in drei früheren Aufsätzen beschrieben und abgebildet habe '), kann ich heute die Darstellung von zwei neuen Species anreihen, welche beide der Gruppe der höheren Medusen oder Discomedusen (Acraspeden oder Phanerocarpen) angehören. Beide Ordnungen dieser Gruppe, die einmündigen Semaeostomeen und die vielmündigen Rhizostomeen, sind in den beiden neuen Arten vertreten. Die neue fossile Semaeostomee ist im Gegenabdruck vortrefflich conservirt, noch mehr die neue fossile Rhizostomee. Die letztere bietet so eigenthümliche Zahlen- und Form-Verhältnisse dar, dass sie unter allen bisher aufgefundenen MedusenPetrefacten als das interessanteste bezeichnet werden muss. Die willkommene Gelegenheit, beide Discomedusen zu untersuchen und

1) Zum besseren Verständniss der beiden hier beschriebenen und abgebildeten fossilen Medusen bitte ich meine drei früheren Arbeiten zu vergleichen: I. Ueber fossile Medusen. Zeitschr. für wissenschaftl. Zoologie, 1865, Bd. XV, S. 504, Taf. XXXIX.

II. Ueber zwei neue fossile Medusen aus der Familie der Rhizostomiden. BRONN's N. Jahrb. für Mineralogie, 1866, S. 257292; Taf. V und VI.

III. Ueber die fossilen Medusen der Jura-Zeit. Zeitschr. f. wissenschaftl. Zoologie, 1870, Bd. XIX, S. 538-562. Taf. XL-XLII.

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zu beschreiben, verdanke ich (wie bei der Mehrzahl der früher beschriebenen Formen) der zuvorkommenden Güte meines verehrten Freundes, Herrn Professor ZITTEL in München, dem ich hierdurch meinen verbindlichsten Dank dafür abstatte. Auch die beiden neuen Abdrücke sind (gleich allen anderen) in den lithographischen Schiefern der baierischen Grafschaft Pappenheim gefunden worden, deren geologische Formation zum Corallenkalk des oberen Jura gehört.

Der grössere von den beiden nachstehend beschriebenen Abdrücken ist eine stattliche Rhizostomee. Während aber alle anderen lebenden und fossilen Angehörigen dieser Ordnung, die wir kennen, vierzählig oder achtzählig sind, ist unsere neue Art sechszählig, und verhält sich zu den ersteren ähnlich, wie in der Geryoniden-Familie die sechszähligen Carmariniden zu den vierzähligen Liriopiden. Das neue Genus nenne ich Hexarhizites, die dadurch vertretene Familie Herarhizitida.

In meiner früher publicirten Untersuchung über Crambessa Tagi, die merkwürdige im Tajo bei Lissabon lebende Rhizostomee'), habe ich eine schärfere Charakteristik der RhizostomeenOrdnung und der darin unterschiedenen sechs Familien zu geben versucht, als bisher aufgestellt worden war (1. c. S. 532). Bei allen diesen bisher bekannten Rhizostomeen ist der Körper aus vier Antimeren zusammengesetzt und besitzt vier Paar Mund. arme und vier Geschlechtsorgane (letztere sind bei den Cassiopejiden in acht Genitaltaschen zerfallen, bei den Crambessiden umgekehrt zu einer einzigen kreuzförmigen Genitaltasche mit vier Schenkeln verschmolzen). Unser Hexarhizites ist das erste Beispiel einer Rhizostomee mit sechs Antimeren, und muss daher nach den bisher in der Systematik dieser Gruppe giltigen Principien als Repräsentant einer besonderen, siebenten Familie angesehen werden. Wahrscheinlich war diese Familie auch noch durch andere (correlative) Eigenthümlichkeiten ausgezeichnet, die an unserem Petrefacte nicht mehr erkennbar sind. Die charakteristische Form ihrer Subgenital - Klappen erinnert an Crambessa. Die Form der sechs Paar Mundarme scheint am meisten derjenigen der echten Rhizostomiden (oder Stomolophiden) ähnlich gewesen zu sein.

1) Ueber die Crambessiden, eine neue Medusen-Familie aus der Rhizostomeen-Gruppe. Zeitschr. f. wissensch. Zool. 1870, Bd. XIX, S. 509-537. Taf. XXXVIII, XXXIX.

Dass unser Hexarhizites jedenfalls zu der RhizostomeenOrdnung gehörte, geht unzweifelhaft aus der scharf ausgeprägten und ganz charakteristischen Gestalt hervor, welche uns die Oralfläche der Mundscheibe und der in ihr verlaufenden Armnähte, sowie deren Vereinigung in der centralen Mundnaht darbietet. Aus der Form dieser Mundnaht und der von ihr ausgehenden Schenkel geht hervor, dass die zugewachsene Mundöffnung ein Querspalt war. Dadurch zerfällt der sechsstrahlige MedusenSchirm in zwei symmetrisch-gleiche Hälften, deren Trennungslinie die Verlängerung der transversalen Mundspalte (resp. der Mundnaht) bilden würde. Beiderseits derselben ist die Symmetrie beider Hälften deutlich durch die sechs gabeltheiligen Mundarme angedeutet, die sich in zwei Gruppen von je drei Armen gegenüber stehen. Dadurch geht die reguläre Hexactinoten - Grundform der Meduse in die symmetrische Hexaphragmen-Grundform über, wie bei vielen sechszähligen Corallen (Flabellum u. s. w.). Aus der sechstheiligen regulären Pyramide entsteht die sechstheilige amphithecte Pyramide'). Nun stammen jedenfalls diese sechszähligen Formen von den älteren vierzähligen ab. Wahrscheinlich ist die phylogenetische Umbildung der ursprünglich kreisrunden Mundöffnung in eine transversale zweilippige Spalte die mechanische Ursache, welche die Entstehung der symmetrisch-sechsstrahligen (oder hexaphragmen) Grundform aus der ursprünglichen regulär-vierstrahligen (oder tetractinoten) Grundform bewirkte.

Diesen allgemeinen Vorbemerkungen lasse ich jetzt zunächst die allgemeine Charakteristik des neuen Genus sammt Species, und darauf die specielle Beschreibung des Petrefactes folgen. Ich schicke zum besseren Verständniss nebenstehenden Holzschnitt des vollständigen Medusen-Schirmes voraus, wie er sich aus der Restauration des Petrefactes ergiebt.

1) Generelle Morphologie, Bd. I, S. 469, 485, 556.

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a, a, Mundnaht (a, Rest der Mund öffnung?). b Seitenast der Mundnaht. c. Bifurcationsstelle der perradialen Naht an der Basis der sechs Mundarme. di-d1 die Schenkel dieser Bifurcationen, durch welche die Mundscheibe in sechs Paar dreieckige Felder zerfällt. Die kleineren perradialen Felder sind schraffirt. Die grösseren (damit alternirenden) interradialen Felder sind weiss. Im peripherischen Theile der letzteren sind die dreieckigen Genitalhöhlen sichtbar, über deren inneren Eingang sich eine Subgenital-Klappe vorwölbt (g), während in der Mitte ihrer peripherischen Basis eine radiale Furche sichtbar ist (f). i Ringcanal. k Perradial-Canäle. Interradial-Canäle. An den Enden dieser Radial-Canäle sind die Randkörper (m) angedeutet. Der Rand ist in 144 Randlappen gespalten.

1. Hexarhizites insignis, H.

(Medusites insignis, H.)

Taf. X.

Charakter des Genus Hexarhizites (zugleich Charakter der Familie der Hexarhizitiden): Medusen-Schirm aus sechs Antimeren zusammengesetzt, die beiderseits der centralen Mundnaht sich symmetrisch gruppiren. Die transversale zweilippige Mundöffnung (beinahe?) völlig zugewachsen, in der Mitte einer regulärzwölfeckigen concaven Mundscheibe, die durch die verwachsene Basis von sechs starken gabelspaltigen Mundarmen gebildet wird. Die zwölf Arm-Aeste kurz, unverzweigt (?). Sechs interradiale Genitalhöhlen, über deren Eingang eine centripetale SubgenitalKlappe vorspringt. Zwölf Radial-Kanäle; an deren Enden zwölf Randkörper (?). Keine Randfäden. Schirmrand in zahlreiche Randlappen gespalten.

Charakter des Hexarhizites insignis: Medusen-Schirm kreisrund, (von 27 Cm. Durchmesser), an der Oralseite mit einer regulär zwölfeckigen Mundscheibe, deren Durchmesser ein Drittel des ersteren beträgt (9 Cm.). Mundscheibe aus dem Basaltheile von sechs verwachsenen breiten und kurzen Mundarmen zusammengesetzt, die sich in je zwei Gabeläste theilen. Die VerwachsungsNähte der Mundarme vereinigen sich im Centrum der Mundscheibe zu einer zwölfstrahligen Figur, zusammengesetzt aus sechs kleineren perradialen und sechs grösseren interradialen Feldern, deren Grenzen (die Verwachsungs-Nähte) als scharfe Leisten hervortreten. Die Mundnaht bildet einen Querspalt, in dem zwei interradiale Felder zusammenstossen. Beiderseits derselben sind die übrigen zehn Felder dergestalt vertheilt, dass die regulär-sechsstrahlige Grundform der Meduse in die amphithect - symmetrische übergeht. In der Peripherie jedes Interradial-Feldes eine gleichschenklig-dreieckige Genital-Höhle von 6 Cm. Grundlinie, über deren Eingang radial nach innen eine gewölbte Subgenital-Klappe vorspringt, 4 Cm. vom Centrum entfernt. Die 3 Cm. breite glatte Zone, welche diese Genital-Zone umgicbt, ist durch einen kreisrunden Ringcanal (von 21 Cm. Durchmesser) von der ebenfalls 3 Cm. breiten Randzone getrennt. An der Oral-Fläche der Randzone scharf ausgeprägte Ringmuskeln. Am Schirmrande 144 seichte Randlappen. 12 Randkörper oder Sinnesorgane (?). 12 Radial-Canäle.

Indem wir zur näheren Beschreibung unseres Petrefactes übergehen, wollen wir zunächst hervorheben, dass dasselbe einen

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