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Ueber die Nachweisbarkeit eines biserialen Archipterygium bei Selachiern und Dipnoërn.

Von

A. Bunge, stud. med.

(Hierzu Tafel VIII und IX.)

Um mit den Nachweisen der zur Fundamentalliteratur der neueren vergleichenden Anatomie gehörenden Schriften CARL GEGENBAUR'S über das Extremitätenskelet der Wirbelthiere, wenigstens theilweise auf eigene Wahrnehmung gestützt, näher bekannt zu werden, habe ich die Brust- und Bauchflosse der Selachier untersucht. Die Anregung zu dieser Untersuchung verdanke ich Dr. E. ROSENBERG, unter dessen Leitung dieselbe ausgeführt wurde an dem im anatomischen Museum zu Dorpat vorhandenen Material, das mir von Prof. REISSNER in freundlichster Weise zur Disposition gestellt wurde.

In seiner Theorie, gegen deren Richtigkeit bisher keine ernsteren Argumente, wohl aber manche für dieselbe angeführt sind, weist GEGENBAUR nach, dass dem Extremitätenskelet der Wirbelthiere eine Urform, das Archipterygium, zu Grunde liege. Dieses Archipterygium erwies sich nach der Entdeckung des Ceratodus, in dessen Flossen dasselbe in vollkommenster Ausbildung angetroffen wird, als ein gefiedertes,,,biseriales", wie GEGENBAUR, gestützt auf den Nachweis desselben an Haien, d. h. auf das Auffinden medial der Basalreihe des Metapterygium sitzender Radien, neben den, den grössten Theil der Flosse bildenden lateralen, in seiner Abhandlung „Ueber das Archipterygium"), gezeigt hat. Es betrafen aber diese Befunde an Haien nur fünf Species, und es war daher von Interesse, auf ein biseriales Archipterygium zu beziehende Formbestandtheile des Flossenskelets, die erwartet werden mussten, bei einer grösseren Anzahl von Selachiern nach

1) Diese Zeitschrift Band VII S. 131.

zuweisen. Einige Resultate an Haien, denen GEGENBAUR keine medialen Radien zuschrieb, und namentlich an Rochen, denen GEGENBAUR dieselben überhaupt abspricht, veranlassten mich daher, diese Untersuchungen fortzusetzen, die ich nunmehr nach vollständiger Benutzung des Materials als beendet ansehen darf. In der Möglichkeit, den Nachweis medialer Radien an einer grösseren Menge von Selachiern zu liefern, was darzulegen die Aufgabe der folgenden Betrachtung sein soll, möge diese die Berechtigung ihrer Veröffentlichung finden. Diejenigen Ergebnisse, die auf die von GEGENBAUR aufgestellte Theorie der Bildung des Pround Mesopterygium Bezug haben, sollen gelegentlich im Verlauf dieser Mittheilung angeführt werden, nachdem ich vorausgeschickt, dass sich nirgends Zustände fanden, die dieser Bildungstheorie stricte widersprachen. Es wären hier hauptsächlich diejenigen Formen hervorzuheben, die als Uebergangsformen den durch GEGENBAUR) bekannt gewordenen angeschlossen werden könnten und namentlich bei durch Concrescenz von Radien entstandenem Basale des Propterygium Verhältnisse zeigten, welche eine Verschmelzung einer geringeren Anzahl von Radien, und noch deutlicher, aufwiesen. Was zunächst die Haie anbetrifft, so zeigten einige von GEGENBAUR nicht besprochene eine wenn auch nur geringe Zahl medialer Radien, andere eine grössere Anzahl, als sie von GEGENBAUR beobachtet war, und scheinen somit der Erwähnung werth. Eine Betrachtung der einzelnen Flossen wird die Verhältnisse derselben näher beleuchten.

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An einem Scyllium, dessen Species nicht bestimmt werden konnte 2), folgte auf das mit dem Schultergürtel articulirende Basale des Metapterygium ein zweites Knorpelstück, dem ausser der Fortsetzung der Basalreihe lateral zwei Radien ansitzen, medial ein kleines, unregelmässig gestaltetes Knorpelstück, in welchem unzweifelhaft der Rest eines medialen Radius erkannt werden muss. An anderen Scyllien (Sc. catulus, maculatum) fand sich dieses Stück nicht; nur war an dem im vorigen Falle das mediale Knorpelstück tragenden Gliede der Basalreihe stets ein medial gerichteter

1) Diese Zeitschrift Bd. V. „,Ueber das Skelet der Gliedmaassen d. Wirbelthiere im Allgemeinen und der Hintergliedmaassen d. Selachier insbesondere." 2) Leider konnte nicht für alle hier besprochenen Selachier die Species bestimmt werden, da einerseits einige Objecte nicht ganz intact waren, andererseits GÜNTHER's Catalogue of the fishes in the British Museum Vol. VIII mir nicht zu Gebote stand, und die Diagnosen von MÜLLER'S und HENLE'S,,systematische Beschreibung der Plagiostomen" benutzt werden mussteu.

Vorsprung bemerkbar, der an einen mit der Basalreihe verwachsenen medialen Radius erinnern konnte. Die Flosse eines jungen Sc. catulus erklärt diesen Vorsprung mit Sicherheit für einen mit dem Basale verwachsenen, im erst erwähnten Falle noch freien, medialen Radius, indem sie den Zustand zeigt, wo das Stück noch nicht vollkommen mit der Basalreihe verschmolzen ist. Die hintere Extremität von Scyllium catulus (fem.) war insofern interessant, als dort dem Basale des Propterygium nur zwei Knorpelstücke ansassen, dasselbe also durch partielle Verschmelzung von nur zwei Radien entstanden war, während an der von GEGENBAUR abgebildeten Extremität eines männlichen Thieres') schon vier in dasselbe eingegangen waren. Eben dasselbe Verhalten zeigte auch Sc. maculatum.

Aehnlich der Scyllienflosse verhielt sich auch die Brustflosse von Sphyrna (Fig. 1). Auch hier hat das auf das Basale folgende Knorpelstück mť einen medial gerichteten Fortsatz, der sich vom übrigen Stücke dadurch unterscheidet, dass er aus hyalinem Knorpel besteht, während im jenem eine beträchtliche Verkalkung Platz genommen hat, wie das in der Zeichnung angedeutet sein soll. Der Fortsatz kann daher, im Vergleich mit dem Verhalten der Scylliumflosse, wohl für einen mit der Basalreihe verschmolzenen Radius angesehen werden. Ausserdem aber trägt das Stück mt' noch einen medialen Knorpel und die Fortsetzung der Basalreihe mt" gleichfalls einen. Es lassen sich also hier mit ziemlicher Sicherheit drei mediale Radien unterscheiden. Bemerkenswerth ist hier der Umstand, dass die medialen Radien zerstreut der Basalreihe ansitzen, während sonst, wo mehrere bei einander liegen, sie stets nahe an einander gedrängt sind.

Anders müssen wir das Verhalten an den Brustflossen von Mustelus und Pristiophorus erklären, das im Ganzen dem besprochenen ähnlich ist, aber auf die Auffassung, die GEGENBAUR2) für die Basalreihe des Metapterygium an der Brustflosse von Chimaera gegeben, zurückgeführt werden muss; auch hier ist man genöthigt, eine Krümmung der Basalreihe anzunehmen. Die hintere Extremität von Mustelus zeigte am Basale des Propterygium deutlich die Entstehung aus drei Radien, die von GEGENBAUR abgebildete

1) Diese Zeitschrift Bd. V. Fig. 6, Taf. XV.

2) Cf. Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere, Heft II, Leipzig 1865, Taf. IX, Fig. 15; diese Zeitschrift Bd. V.,,Ueber das Skelet der Gliedmaassen u. s. w." S. 432 Anmerkung; und ibidem Bd. VII. „Ueber das Archipterygium" S. 134.

Bauchflosse') schon aus vier. Bei Pristiophorus sassen dem das Basale des Propterygium bildenden Radius noch deutlicher zwei Radien an, als dieses bei Torpedo nach GEGENBAUR 2) der Fall ist.

Ein Versuch, über die Krümmung der Basalreihe an der Flosse von Chimaera durch die Untersuchung von Calorhynchus einigen Aufschluss zu erhalten, scheiterte an der grossen Aehnlichkeit beider Flossen, die sich nur durch eine an der Flosse von Calorhynchus vor sich gegangene Reduction unterschieden, welche sich namentlich an den bei Chimaera mit bestimmten Formen versehenen Endknorpeln der Radien des Metapterygium kenntlich machte. Gleichfalls der Scyllienflosse sehr ähnlich war die Flosse von Galeus spec.?, Fig. II, die einen medialen Radius trägt (a), der sich hier nur näher an die Basalreihe anlegt. An einem erwachsenen Exemplar derselben Species war der Radius auch noch deutlich unterscheidbar.

Ein bei der Präparation der Brustflosse eines erwachsenen Carcharias bemerkter medialer Radius liess die Vermuthung aufkommen, dass, ebenso wie GEGENBAUR) für Acanthias gezeigt, die Embryonen von Carcharias gleichfalls eine grössere Anzahl medialer Radien aufweisen würden. Die Untersuchung bestätigte diese Vermuthung, indem sie für einen Embryo die Zahl von drei medialen Radien (Fig. III), für einen jungen Carcharias sogar vier mediale Radien ergab, wie das aus den Abbildungen hervorgeht. Auch an der von GEGENBAUR abgebildeten) Carchariasflosse wird man ohne Zweifel beim Vergleich mit den hier besprochenen Flossen drei mediale Radien wieder erkennen, da die Lagerung durchaus dieselbe ist. An Embryonen von Acanthias hatte GEGENBAUR bereits eine Anzahl von vier medialen Radien nachgewiesen; indessen veranlasste mich das Auffinden einer Flosse mit sechs Radien, dieselbe nicht unerwähnt zu lassen. In Fig. IV ist dieselbe wiedergegeben. Die Basalreihe müssen wir in die Stücke mt und mt", die auf das mit dem Schultergürtel articulirende Basale folgen, verlegen, an denen sechs mediale Radien sich erkennen lassen, wenn wir das längliche etwas gekrümmte Stück, das parallel mt"

1) Diese Zeitschrift Bd. V, Taf. XV, Fig. 7.

2) Ibid. Fig. 13.

3) Diese Zeitschrift Bd. VII. ,,Ueber das Archipterygium". S. 135, 136 Taf. X, Fig. 6.

4) Untersuchungen zur vergleichenden Anat. d. Wirbelth. Heft II, Taf. IX, Fig. 5.

liegt, als aus zwei Radien verwachsen ansehen, wie das durch die punktirte Linie angedeutet sein soll. Eine andere Bestimmung der Basalreihe ist nicht wohl zulässig, da sonst mehrere dieser Knorpelstückchen nicht unterzubringen wären. Von Dornhaien wurde noch Spinax niger untersucht. An einer Flosse fanden sich zwei mediale Radien. Bei einem acht Centimeter langen Embryo konnte unter der Loupe noch ein drittes Knorpelstückchen erkannt werden, das sich an die beiden anderen anlegt (Fig. V) und hier in der Zeichnung stärker dargestellt ist, um es deutlicher hervortreten zu lassen. Eine leichte Einkerbung am mittleren Stücke lässt vermuthen, dass es aus zweien verschmolzenen entstanden sei, wonach sich hier noch vier mediale Radien constatiren liessen.

Schliesslich ergab die Untersuchung eines Embryo von Scymnus Lichia, dass auch an der Flosse dieses Haies sich mediale Radien nachweisen lassen, die sich an der von GEGENBAUR abgebildeten Flosse') eines erwachsenen Exemplares nicht mehr erkennen lassen. Dem grossen Basalstück folgt ein zweites, welches drei mit ihm articulirende laterale Radien und ein in mehrere kürzere Hervorragungen auslaufendes kleines Stück trägt; von diesen kleinen Spitzen sind drei medial gerichtet. Es ist hier offenbar wieder eine solche Verwachsung medialer Radien mit der Basalreihe vor sich gegangen, wie sie an anderen Flossen (Scyllium, Sphyrna) bereits constatirt ist. Die am meisten vorragende Zacke halte ich für das Ende der Basalreihe, die anderen drei für Reste medialer Radien.

Es zeigt diese Betrachtung, dass das Vorkommen medialer Radien bei Haien nicht auf nur wenige Species beschränkt, vielmehr ein recht häufiges ist. Eine weitere Untersuchung an bedeutenderem Material, besonders an Species, die den mit medialen Radien versehenen nahestehen, lässt mit Sicherheit günstige Erfolge erwarten, und namentlich dürfte die Untersuchung an Embryonen, an denen die allmählige Reduction und das Verschwinden der Radien nachweisbar ist, zu sehr interessanten und lohnenden Resultaten führen.

Wie schon am Anfang kurz angedeutet, lassen sich auch an Rochen deutliche Spuren eines biserialen Archipterygium nachweisen. Sie sind im Vergleich zur Grösse der übrigen Flosse freilich nur unbedeutend und schwerer zu bemerken, als an Haien, was

1) Unters. zur vergl. Anat. d. Wirbelthiere Heft II, Taf. IX, Fig. 9.

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