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Schnecken [Limax agrestis und Helix hortensis], die sich unter Glasglocken zusammen mit Oxalis Bowiei und Oxalis carnosa befanden, nährten sich drei Wochen von dem zur Feuchthaltung des Raumes benutzten Fließpapier, ohne die Pflanzen im geringsten anzufressen. Mit Hilfe des Mikroskops konnten allerdings bei beiden Species Verletzungen an verschiedenen Teilen der Blattepidermen leicht festgestellt werden, dabei war jedoch zu erkennen, daß es sich nur um ein einmaliges Anschneiden der Oberhautzellen handelte. Der hervortretende, stark saure Zellsaft hatte den Schnecken jeden ausgedehnteren Zerstörungsversuch unmöglich gemacht. Ebenso unbedeutende, makroskopisch kaum wahrnehmbare Verletzungen an Blattstielen von seiten der Schnecken gingen, wie an Querschnitten zu sehen war, bis zu dem großzelligen Rindenparenchym, aus denen die Säure vollständig ausgetreten war.

Kommen die Mundteile ankriechender Schnecken mit einem Tropfen oxalsauren Zellsaftes, dessen Hervortreten aus Epidermen und subepidermalen Geweben man mittelst eines Nadelstiches bewirkt hat, in Berührung, so werden die Tiere, selbst wenn schwache Säurekonzentrationen in Frage kommen, sofort zur Umkehr gebracht. Helix hortensis ließ sich bei Anstellen dieses Versuches an Blattstielen saurer Oxalis arten, unter schneller Ausscheidung von Schleim, in vielen Fällen direkt zu Boden fallen. Zuletzt sei darauf hingewiesen, daß alle zu den Versuchen verwandte Objekte, sobald in ihnen die Säure durch Chlorcalcium niedergeschlagen ist, nach sorgfältigem Auswaschen in Wasser sofort von den Versuchstieren vertilgt werden.

Sehr geschädigt werden sah ich oxalsäurehaltige Pflanzen (Oxalis arten) nur durch Blattläuse. Nach den Untersuchungen von BUSGEN1) kann es jedoch nicht überraschen, wenn der giftige Säureinhalt gegen diese Tiere keinen Schutz bedeutet. Dieselben wissen einfach das Anstechen säurehaltiger Zellen zu vermeiden. Querschnitte der von den Aphiden befallenen Organe lassen deutlich analog den Resultaten von BÜSGEN den Verlauf des Stichkanals zwischen den Membranen säurereicher Zellen nach säurelosen Gewebspartien, nämlich nach dem Stärkeparenchym und dem Siebteil erkennen. Entsprechende Versuche zeigen, daß die Oxalsäure und das Kaliumbioxalat mindestens ein ebenso starkes Gift für Blattläuse darstellen, als sie es beide nach den eingehenden Versuchen STAHL'S

1) M. BUSGEN, Der Honigtau. Jena 1891.

für die Schnecken sind. Schon schwach konzentrierte Lösungen beider Stoffe sind geeignet, das lästige Ungeziefer zu vertreiben.

Mein Interesse erregten auch die mir während der Arbeit vorgekommenen, und die Bedeutung der Oxalsäure als Schutzsekret charakterisierenden Fälle des Vikariierens derselben mit anderen Schutzmitteln. Die hier in Betracht kommenden Verhältnisse sind zum erstenmale von STAHL ausführlich in seiner Arbeit behandelt worden, so daß zur näheren Orientierung auf die dort erörterten, interessanten Gesichtspunkte verwiesen werden muß.

Auf Seite 62 der citierten Abhandlung wird von STAHL die Regel aufgestellt, daß Pflanzenteile, welche den Schnecken der glatten Oberfläche und und weichen Konsistenz wegen leicht zugänglich, also mechanisch nicht geschützt sind, chemischen Schutz aufweisen, und daß umgekehrt mechanisch geschützte Pflanzen chemisch schutzlos gefunden werden. Belege für die Richtigkeit dieser wohl nicht nur in Bezug auf Schnecken giltigen Behauptung kann ich nur nach einer Seite bringen, da unter den untersuchten Species solche mit hervortretendem mechanischen Schutze fehlen. Dieses Zurücktreten der mechanischen Schutzmittel war, die Richtigkeit der von STAHL aufgestellten Regel vorausgesetzt, bei den Oxalsäure speichernden Species zu erwarten. Als wenig wirksame mechanische Schutzmittel sind an dem vorgeführten Material höchstens die rauhen Oberflächen der Rumex arten und vielleicht die spitzen, mit Cuticularknötchen versehenen Haare der Oxalideen zu betrachten. In der That kann man an dem zur Untersuchung herangezogenen Material vorwiegend den Satz: Chemisch geschützte Planzen oder Pflanzenteile entbehren des mechanischen Schutzes, vollständig bestätigt finden.

Die durch starken Säuregeschmack ihrer Säfte sich auszeichnenden Arten besitzen gewöhnlich nicht die geringste Andeutung eines mechanischen Schutzes. Intensiv saure Organe derselben sind von weicher Konsistenz, ihre Gewebe außerordentlich dünnwandig, zart und durch Tiere leicht verletzbar. Als Beispiele seien unter anderen nur Rumex scutatus, Rumex roseus, Oxalis carnosa, Oxalis variabilis, Begonia manicata angeführt.

Weiterhin ist zu beobachten, daß ein sehr geringer Grad von Acidität oder das gänzliche Fehlen der Säure das Auftreten eines anderen Schutzmittels in den betreffenden pflanzlichen Organen im

Gefolge hat. An dem zur Untersuchung verfügbaren Material tritt fast durchweg der als Schutzstoff äußerst wirksame Gerbstoff) mit der Säure im Vikariationsverhältnis auf. Fast immer entspricht einem Fehlen der Säure in irgend einem pflanzlichen Organ eine peripherische Anhäufung von Gerbstoff. Wechselbeziehungen der Säure mit anderweitigen Schutzmitteln sind selten. Säure und Gerbstoff vikariieren miteinander entweder bei verschiedenen Arten innerhalb der Gattung oder in den Vegetationsorganen eines und desselben Individuums. Was die Vikariation der Schutzmittel innerhalb derselben Gattung anbetrifft, so möge zur Charakterisierung der Verhältnisse ein von STAHL gefundenes Beispiel nochmals angeführt sein.

Sedum acre führt ein brennend scharfes Alkaloid und außerdem sehr geringe, zur Schutzwirkung nicht geeignete Mengen Gerbstoff. Sedum boloniense (sexangulare) dagegen ist durch starken Gerbstoffgehalt ausgezeichnet, so daß demnach als Schutzmittel bei diesen beiden, sich sehr nahe stehenden Species das Alkaloid und der Gerbstoff vikariieren.

Ähnliche Beispiele begegnen uns innerhalb des vorliegenden Untersuchungsgebietes bei den Rumexarten. Wie schon hervorgehoben wurde, sind R. alpinus, R. sanguineus, R. salicifolius und R. conglomeratus säurefreie Species und R. patientia und R. crispus enthalten nur Spuren von Säure, durch welche die Immunität der Pflanze keineswegs bewirkt werden kann. Alle diese Arten sind dafür aber typische Gerbstoffpflanzen, welche den Gerbstoff in allen Teilen in beträchtlicher Konzentration, hauptsächlich auch in der Wurzel enthalten. Die Verteilung dieses Sekretes auf dem Querschnitt der Organe ist wie bei der Säure vorwiegend die periphere.

Dieselbe Erscheinung lässt sich innerhalb der Gattung Oxalis für O. rubella und O. hirta feststellen. Bei diesen konnten im Stengel minimale Säurequantitäten nachgewiesen werden, welche als Schutzmittel für die Pflanze gänzlich nutzlos sind. Dagegen ist als Schutzsekret bei beiden Arten der Gerbstoff in großen Quantitäten innerhalb derjenigen peripheren Gewebe abgelagert, welche bei oxalsauren Formen von der Säure eingenommen werden.

Eine größere Mannigfaltigkeit im Vikariieren von Gerbstoff und Säure läßt sich an einer und derselben Pflanze verfolgen. Bei keiner sauren Species war die Oxalsäure als Schutzmittel

1) E. STAHL, 1. c. pag. 32 ff.

in allen Organen vorhanden, sondern Säureleere gewisser Teile ist an jeder Art nachgewiesen worden. In den meisten Fällen wird dann durch das Auftreten von Gerbstoff in den säurefreien Teilen die Pflanze allerorts gegen tierische Angriffe geschützt.

Ganz allgemein ist in dieser Hinsicht bei Oxalsäure führenden Formen die Vikariation des Gerbstoffs mit der Säure im Bezug auf die unterirdischen Organe.

Die säurefreien Wurzeln aller drei Gattungen sind gerbstoffreich und als speichernde Gewebe fungieren die Epidermis, Rinde und Schutzscheide. Ebenso enthalten die säurefreien Rhizome der Begonien stark adstringierende Säfte, und in den Oxalis zwiebeln, mit Ausnahme derer von Oxalis crassicaulis, welche, wie oben erwähnt wurde, in den peripheren Geweben Säure speichern, findet sich der Gerbstoff reichlich in den Schutz- und Nährschuppen abgelagert. Nebenbei bemerkt kommen bei verschiedenen Oxalis arten als chemische Schutzstoffe neben dem Gerbstoff auch noch klebrige, ölige Substanzen, welche an der Peripherie der Zwiebelschuppen ausgeschieden werden, in Betracht. Ferner ist ein rötliches Harz in den subepidermalen Gewebeschichten der Schuppen nicht zu vergessen, welches schon von HILDEBRAND 1), wie erwähnt wurde, als Schutzmittel der Zwiebelschuppen gegen Tierfraß angesehen wird.

In den oberirdischen Organen saurer Species vikariiert gleichfalls der Gerbstoff mehrfach mit der Säure. Von Interesse in dieser Hinsicht sind hauptsächlich die Vikariationsverhältnisse an den des Schutzes gegen Tierangriffe in erster Linie bedürftigen, jüngsten, vegetativen Pflanzenteilen. An diesen wurde, wie man sich erinnern wird, innerhalb der drei Gattungen gewöhnlich ein gänzliches Fehlen der Säure oder das Vorhandensein nur geringer Quantitäten festgestellt, dagegen öfters auf den an diesen Teilen sich bemerkbar machenden, adstringierenden Geschmack hingewiesen. Thatsächlich übernimmt in diesen Fällen der Gerbstoff die Rolle als Schutzsekret, nur daß er an diesen Jugendstadien der Organe weniger in den Epidermen und später saure Säfte führenden Geweben, als vielmehr in den Haargebilden, Spaltöffnungen und den Chlorophyll enthaltenden Geweben abgelagert wird.

Junge, säureleere Blättchen von Rumex acetosella und Rumex acetosa sind in allen Geweben gerbstoffhaltig, vornehmlich in den Papillenhaaren, den zahlreichen Spaltöffnungen und 1) F. HILDEBRAND, 1. c.

deren Nebenzellen. Die übrigen, sauren Rumex arten speichern in den von den Stipulae umschlossenen, säureleeren Blättern reichlich Gerbstoff und bei sämtlichen Begonien sind die jungen Organe innerhalb der breiten, stark sauren Nebenblattgebilde hauptsächlich in den dichtstehenden Zotten, den Köpfchenhaaren und im Assimilationsgewebe gerbstoffreich.

Bei den sauren Oxalis arten, mit Ausnahme von Oxalis carnosa, deren junge, aus dem Stamm hervortretende Organe schon sehr säurehaltig sind, treffen wir an den jüngsten Blättern und Blütenknospen auf eine dichte Höckerhaarbekleidung. Dieselbe schon durch die hervorgerufene rauhe Oberfläche als Schutzeinrichtung bedeutsam 1), wirkt in letzterer Hinsicht außerdem durch den intensiven Gerbstoffgehalt der einzelnen Trichome. Die eng zusammenstehenden, dicht anliegenden Haare, welche stets säurefrei gefunden wurden, ersetzen aus dem genannten Grunde eine gerbstoffreiche Epidermis und, wie Versuche zeigen, werden in dieser Weise geschützte Pflanzenteile von Schnecken ebenso unverletzt gelassen, als säurehaltige Objekte.

Was fertig ausgebildete, pflanzliche Teile saurer Species betrifft, so giebt es nur wenige Fälle, in welchen als Schutzsekret ausschließlich der Gerbstoff in Frage kommt. Vikariationsbeispiele in dieser Hinsicht liefern allein die säurefreien Blütenteile von Rumex acetosa und Rumex acetosella, ferner die Samen von den Species aller drei Gattungen.

Mit dem Erscheinen der Säure in älteren Entwickelungsstadien jugendlicher Organe tritt die Bedeutung des Gerbstoffs als Schutzmittel zurück. Intensiv saure Pflanzenteile enthalten meistenteils nur ganz geringe, für die Schutzwirkung nicht in Betracht zu ziehende Gerbstoffmengen. Unbedeutenden Gerbstoffniederschlag erzielt man bei ihnen höchstens in den säurefrei oder säureschwach gefundenen, Chlorophyll führenden Geweben, in den Spaltöffnungen nebst deren Nebenzellen (Rumex arten, Begonien) und in den vereinzelt stehenden Haargebilden. Ein anderes Verhalten, auf welches zum Schluß in wenigen Worten noch eingegangen werden soll, bemerkt man jedoch vielfach an pflanzlichen Organen, denen eine geringe Acidität zukommt. In den Geweben derselben lassen sich oft Säure und Gerbstoff nebeneinander an

1) Über die Bedeutung von rauhen Oberflächen als Schutzmittel vergl. KUNTZE, 1. c. und STAHL, 1. c.

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