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Allgemeine Betrachtungen.

Wir überblicken nunmehr die Thatsachen, welche das Studium des feineren Baues des Mantelrandes der Acephalen uns liefert. Die theoretische Bedeutung der einzelnen ist im Laufe der Darstellung da hervorgehoben worden, wo es die Natur der Dinge zu erfordern schien. Es war aus leicht ersichtlichen Gründen nicht angängig, die physiologische Stellung der Augen der Pectiniden und Arcaceen, die der sogenannten Augen von Cardium, die der Leuchtorgane von Pholas etc. erst am Ende der Untersuchungsreihe zu diskutieren; es mußten die verschiedenen Arten der sekretorischen Gebilde und die während des Sekretionsprozesses sich abspielenden cellularphysiologischen Vorgänge bei Behandlung der Ordnungen gewürdigt werden, bei denen sie zu beobachten waren.

Hier in den allgemeinen Betrachtungen will ich das Facit aus der Gesamtdarstellung ziehen. Daß die Untersuchungen des Mantelrandes nicht zu Ergebnissen hinführen, welche für die Phylogenie, i. e. für die Erkenntniß der Verhältnisse der Stammesverwandtschaft der Acephalen verwertbar sind, ist selbstverständlich. Die Beschränkung auf ein einziges Organsystem und die Durchforschung desselben lediglich behufs Erkennung seiner intimeren Struktur schließt von vornherein die Möglichkeit aus, zu Resultaten von morphologischer Bedeutung zu gelangen.

Aber diese Beschränkung zeitigt auf der anderen Seite eine Summe von Erfahrungen, die für die Diskussion gewisser, die Phylogenie der Funktionen betreffender Fragen nicht ohne einigen Wert sein dürften. Und dies um so mehr, wenn, wie im vorliegenden Falle, der untersuchte Körperteil der Sitz derjenigen Organe ist, welche den Verkehr der Tiere mit der Außenwelt vermitteln.

Ich will zunächst die Beziehungen erörtern, welche

Sinnesorgane und sekretorische Apparate

zu einander haben.

Als das wichtigste Ergebnis meiner in dieser Arbeit niedergelegten Beobachtungen, dem ich eine allgemeine Bedeutung bei

messe, betrachte ich nämlich die Erscheinung, daß die Ausbildung spezifischer Sinnesorgane in einem deutlichen Gegensatze steht zur Ausbildung sekretorisch thätiger Apparate. Je reichlicher eine Muschel mit Sinneswerkzeugen verschiedener Funktion ausgerüstet ist, um so weniger Drüsen besitzt sie in ihrer Haut, i. e. dem Mantelrande, ja dieselben können zuweilen ganz fehlen; je weniger Sinneswerkzeuge dagegen vorhanden sind, um so massenhafter treten Drüsen bez. flüssige Sekrete auf.

Es läßt sich diese Thatsache mit Leichtigkeit aus den einzelnen Beobachtungen ablesen, die ich kurz rekapitulieren will.

Unter den Ostre aceen besitzen die Pectiniden Augen, Geruchsorgane, Seitenorgane; die Tastzellen sind, im Gegensatze zu dem üblichen Schema, dreiteilige Sinnesorgane: gleichzeitig aber fehlen Drüsen vollkommen. Lima hat außer den auf eine ganz bestimmte Region des Mantelrandes beschränkten Pinselzellen (die wenigen Pinselzellen in den Drüsenfäden können bei dieser Erörterung außer Betracht gelassen werden; cfr. I. Teil) keinerlei Sinnesorgane: dafür sind in den Fäden des Mantelrandes die sekretorischen Apparate ungemein stark entwickelt. Ostrea hat ebenfalls nur gewöhnliche Pinselzellen, ist aber reichlich mit Drüsen ausgestattet.

Unter den Arcaceen haben Arca Noae, barbata und tetragona Augen; hier aber sind im Gegensatze zu den Pectiniden Giftdrüsen vorhanden. Es ist diese Erscheinung erklärlich, einmal weil die Augen von Arca zufolge ihres Überdecktseins durch die Epicuticula weniger gut funktionieren, als die von Pecten (cfr. II. Teil), dann weil die anderen Sinneswerkzeuge, deren sich Pecten erfreut, fehlen und endlich weil Arca des Vermögens der freien Bewegung von Ort zu Ort entbehrt, wodurch Pecten in so hervorragender Weise sich vor allen übrigen Muscheln auszeichnet. Doch zeigt sich der Einfluß der speziellen Sinnesorgane insofern, als die Giftdrüsen in nur geringer Menge vorhanden sind. (Auf die paradoxe Stellung von Pectunculus habe ich schon im zweiten Teile hingewiesen.) Ist somit das Vorhandensein der drüsigen Apparate erklärlich, so bleibt doch die Existenz der Augen selber unerklärt. Daß hier bei einer Muschel Facettenaugen, und noch dazu in einer von physiologischen Gesichtspunkten aus so sehr ungünstigen Lagerung, sich finden, ist ein vollkommenes Rätsel, das zu lösen noch nicht unternommen worden ist. Mit der Bemerkung nämlich, daß die Augen eine Neuerwerbung sind, ist im Grunde genommen

gar nichts erklärt, da die Ursachen, warum eine solche Bildung hier Platz greifen konnte und mußte, dadurch in keiner Weise aufgezeigt sind. Arca diluvii hat, wie ich nachgewiesen habe, keine Augen, besitzt dafür aber sekretorische Apparate, welche ein giftiges Sekret in großer Menge produzieren 1).

Den Mytilaceen kommt nur die gewöhnliche Pinselzellen zu und hier finden sich Giftmassen.

Die Najaden besitzen keine Gift- wohl aber Mucinmassen; ihnen fehlen spezielle Sinnesorgane.

Bei den Siphoniaten erreicht die Ausbildung der Giftmassen in dem bekannten Randwulste und auf der Innenhäche der Siphonen einen ungemein hohen Grad, sie finden sich auch in verschiedener Mächtigkeit in den die Siphoöffnungen umkränzenden Papillen vor. Bei einigen Arten (Donax, Solecurtus) sind an diesen Stellen Mucinmassen vorhanden. Hier tritt außer dem Mangel an Sinnesorganen noch die Abwesenheit von Wimperzellen auf der Außenseite der Siphonen hinzu, die durch das nie fehlende Vorhandensein von Mucindrüsen auf dieser Seite kompensiert wird. Die Funktion der Wimpern besteht offenbar darin, durch den stetig unterhaltenen Wasserstrom die Verunreinigung und Verletzung des Körpers durch anorganische Partikel zu verhüten. Fällt diese Einrichtung fort, dann wäre das auf oder im Sande lebende Tier schweren Läsionen ausgesetzt. Die Mucindrüsen, welche sich hier vorfinden, übernehmen daher insofern die Rolle der Wimpern, als sie solche Läsionen fern halten; es geschieht dies, indem eine wenn auch nur dünne Schleimschicht um den

1) Ich habe stets, geleitet durch die tinktorialen Reaktionen und mich anlehnend an meine Erfahrungen aus der Histiologie der Vertebraten, gewisse Drüsen oder Sekretmassen als Giftdrüsen bez. -massen bezeichnet. Diese Deutung steht und fällt mit der von mir geübten Technik des Schneidens und Färbens. Ich habe ausschließlich Schnitte mit den an den einzelnen Orten und in den Tafelerklärungen angeführten Stoffen gefärbt und habe einen Teil der von mir gesehenen Bilder in Farben wiedergegeben. Ein Blick auf die betreffenden Figuren lehrt, daß man solche Resultate nie mit den üblichen Methoden der Durchfärbung erhält, auch dann nicht, wie ich versichern kann, wenn man den durchgefärbten Schnitt nachfärbt. Es ist möglich, daß meine Resultate und meine Deutungen Zweifeln begegnen werden; ich werde aber nur die Zweifler als legitimiert und die Kritiker als berechtigt anerkennen, welche meine Methoden in genau derselben Weise nachgemacht haben. Die Durchfärbung ist gut für anatomische und embryologische Zwecke, sie ist wertlos und irreleitend bei Fragen, wie die von mir behandelten.

betreffenden besonders exponierten Körperteil sezerniert wird, welche das Eindringen gefährlicher Gegenstände unmöglich macht.. Cardium edule und einige Veneriden haben zwar Seitenorgane, doch ist die Existenz derselben auf die Ausbildung der Giftmassen von nicht allzu großem Einflusse, weil sie auf nur wenige Papillen beschränkt sind.

Ein fast klassisches Beispiel für die Richtigkeit des hier vertretenen Gedankens von der Gegensätzlichkeit von Sinnesorganen und Drüsen liefert Psammobia vespertina. Diese Muschel hat an der Außenseite der Siphonen sechs bis acht Rippen, die als ebenso viele Seitenlinien zu betrachten sind, hat in den Siphopapillen statt der gewöhnlichen FLEMMING'schen Pinselzelle das dreiteilige Sinnesorgan, wie es den Pectiniden zukommt: entbehrt dafür aber der Giftmassen völlig und besitzt auf der Sipho-Innenfläche fast gar keine Mucindrüsen. Die anderen Tellinaceen dagegen, welche keine Seitenlinien und keine dreiteiligen Sinnesorgane haben, enthalten Drüsen in nicht unbeträchtlicher Menge.

Mya arenaria scheint eine paradoxe Stellung einzunehmen; sie hat weder spezielle Sinnesorgane, noch, wenn wir den Fußschlitz ausnehmen, irgend welche sekretorischen Apparate. Die Erklärung hierfür ist darin zu suchen, daß die Siphonen mit einer dicken Epicuticula in der ganzen Ausdehnung bedeckt und dadurch geschützt sind.

Pholas dactylus endlich besitzt ebenfalls keine speziellen Sinnesapparate, dafür sind drüsige Organe von besonderer Entwicklung vorhanden, welche die Eigentümlichkeit haben, ein leuchtendes Sekret zu produzieren.

So wie die Situation bei den Muscheln, ist sie auch anderwärts und wir erkennen, daß überall da, wo wir eine starke Entwickelung der sekretorischen Funktion der Haut antreffen, auch entweder keine Sinnesorgane zu finden sind oder doch nur solche, deren Leistungsvermögen ein sehr geringes ist. Ein vorzügliches Beispiel hierfür liefern die pulmonaten Gastropoden. Die Augen der Stylommatophoren besitzen unstreitig ein ganz minimales Sehvermögen, denn sie erkennen, wie wohl Jeder schon beobachtet hat, nicht das geringste. Niemals werden diese Schnecken durch optische Eindrücke in nennens- und bemerkenswerter Weise beeinflußt, sie sehen erst dann wenn man hier überhaupt von ,,Sehen" reden darf -, wenn sie mit ihren Augenfühlern den Gegenstand berührt haben. Und auch dann noch erkennen sie nichts, denn trotz des Insultes, der ein heftiges Zurückschnellen

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der Fühler zur Folge hatte, berühren sie unmittelbar darauf dieselbe Stelle, an der sie sich eben gestoßen hatten, von neuem. Die stylommatophoren Pulmonaten besitzen aber nach LEYDIG und FLEMMING ungemein stark ausgebildete Hautdrüsen, deren Sekret, sowie es den Körper vor dem Vertrocknen schützt, auch dazu dient, alle Verletzungen zu verhüten und Angriffe unschädlich zu machen, denen die Tiere bei der Trägheit ihrer Bewegungen und bei der hochgradigen Unvollkommenheit ihrer Sinne nicht entgehen können.

Und in gleicher Weise, meine ich, können wir von den Amphibien sagen, daß ihre höheren Sinnesorgane eine nicht sehr entwickelte Leistungsfähigkeit besitzen und auch hier finden wir, ganz besonders bei den Urodelen, in der Haut Giftdrüsen ausgebildet, deren Funktion nur die einer Verteidigungswaffe sein kann.

So ist also der Satz erwiesen, daß die Ausbildung der Sinnesorgane und die Entwicklung drüsiger Organe in der Haut in umgekehrtem Verhältnisse zu einander stehen: je bessere Sinnesorgane, um so weniger Drüsen in der Haut; je mehr Drüsen, um so schlechtere Sinnesorgane.

Sehen wir nunmehr zu, welche Momente es gewesen sind, die bei den Acephalen bewirkt haben, daß sekretorische Apparate an die Stelle von Sinneswerkzeugen getreten sind.

Die Acephalen haben, als sie sich von dem gemeinsamen Vorfahren der Mollusken abzweigten, die sedentäre Lebensweise angenommen (cfr. auch LANG: Über den Einfluß der festsitzenden Lebensweise etc.). Damit trat ein Rückbildungsprozeß ein, der, wie ich dies schon im II. Teile hervorgehoben habe, seinen prägnantesten morphologischen Ausdruck im Verluste des Kopfes fand. Gleichzeitig kamen keine Kauwerkzeuge mehr zur Ausbildung, das Nervensystem erhielt eine ungemein einfache Gliederung, der als Lokomotionsorgan dienende, bei dem Urmollusk gut entwickelte Fuß erlitt eine bedeutende Reduktion. Die für unsere Betrachtung wichtigste Veränderung aber war die Einlagerung des Körpers in die Schalen. Während bei dem unter den Gastropoden zu suchenden Urmollusk die ganze Körperoberfläche mit dem umgebenden Medium, der Außenwelt, in Rapport stand, wurde hier bei den Muscheln durch jene Einrichtung die zu einem solchen Rapporte geeignete Partie auf einen schmalen, dem in

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