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II.

Ankunft in Alexandrien. - Characteristik MEHEMED ALI'S. Audienz. Ausrüstung zur Wüstenreise.

Mit beiden gen Himmel gerichteten Armen begrüssten uns aus

weiter Ferne die mit ihrer Barke an uns heranschwimmenden Piloten. Es war das erste Lebendige der afrikanischen Erde, und fröhlich und voll Begierde, die neuen Menschen in der Nähe zu sehen, erwiederten wir den ersten orientalischen Grufs. Bald kletterten zwei kräftige braune Afrikaner am Schiff in die Höhe und sprangen nach dem Steuerruder. Vorsichtig wichen ihrem Händedruck der Capitain und die Mannschaft aus. Habt Ihr die Pest in Alexandrien? war das erste in der lingua franca an sie gerichtete Wort, und ihr lachendes no, no, wollte noch nicht allen Zweifel besiegen, bis sie wiederholt ihren Ausspruch bestätigt hatten. Bald waren wir im Hafen; die flache, weifse, ganz öde Küste rückte uns immer näher und gab uns die erste Ahnung der libyschen Wüste. Alexandrien) erschien uns gegenüber im Osten wie ein Haufen Ruinen, gleichfarbig mit der leblosen Küste. Nur der Pallast des Pascha auf der Landzunge, einige unbedeutende Minarets, das Kastell, eine holländische Windmühle, die Pompejussäule und ein einzelner Dattel

1) Alexandrien enthielt, im Jahre 1821, 3132 Häuser und gegen 20000 Einwohner. Herr MENGIN rechnet 4 Personen auf 1 Haus, das ist aber zu wenig. Ueberdiess zählen die beiden Häfen gewöhnlich einige Hundert Schiffe mit einigen Tausend Personen.

baum, dessen grünendes Haupt eine Gartenmauer überragte, waren die Gegenstände, an denen die heifse Phantasie sich anbauen sollte.

Einige Hundert europäische, türkische und arabische Schiffe bildeten einen Mastenwald dicht vor der Stadt, in dessen Mitte wir Anker warfen. Da der Tag zu Ende ging und unsere Effecten und die in der Bocca gesammelten Naturalien einige Vorbereitung zum Transport nöthig hatten, so konnte blofs einer von uns, nachdem Anker geworfen war, den Capitain in seiner Schaluppe an's Land begleiten. Glühend vor eigenem Verlangen, überliefs ich dem erschöpfteren Freunde die erste Berührung des afrikanischen Bodens.

Dr. HEMPRICH hatte, umringt von schwarzbraunen, bärtigen und nackten fremdartigen Gestalten, sich mit dem Capitain zunächst zum österreichischen Consul, Herrn CHAMPION, begeben, an welchen wir, durch gütige Vermittelung des Herrn Directors SCHREIBER in Wien, eine specielle Empfehlung Sr. Durchlaucht des Herrn Fürsten METTERNICH erhalten hatten. Er ward sehr gütig aufgenommen, und Herr CHAMPION war so zuvorkommend, uns Wohnung in seinem Hause anzubieten, was Dr. HEMPRICH, aus Ermangelung eines andern Unterkommens, mit Freuden angenommen hatte. Der Königl. preufs. Consul, Herr BUCCIANTI, war verreist, ebenso der französische General - Consul, Herr DROVETTI. Unterredungen mit dem dänischen General-Consul, Herrn DUMREICHER, dem österreichischen interimistischen General-Consul, Herrn CAVACO, und dem englischen General-Consul, dem bekannten Gelehrten, Herrn SALT, welcher sich eben jetzt in Alexandrien aufhielt, hatten ihn mit frohem Muthe beseelt. Der besten Hoffnungen voll, kam er spät am Abend wieder an Bord und brachte Früchte des Landes mit.

Am 5ten September Morgens 8 Uhr fuhr ich mit einem Theil der Effecten, unserm Gehülfen, Herrn WILHELM SOELLNER und Herrn Dr. SCHOLZ an's Land, während Dr. HEMPRICH mit dem Capitain später folgte. Sogleich wurden wir von einem Haufen schwarzer und brauner, meist nackter Araber umringt, die bald anfingen,

mit grofsem Geschrei sich um das Tragen der Effecten zu prügeln. Mit Mühe entrissen wir einigen die schon aufgepackten Koffer wieder, bis die Douane, welche einige Schwierigkeiten machte, befriedigt war. Ein Janitschar des Consulats half uns, die Candidaten zum Lasttragen etwas im Zaum zu halten, dann aber liefen sie mit den Sachen unaufhaltsam davon. Wir folgten einzeln den uns am meisten wichtigen Gegenständen und bewunderten die Ehrlichkeit der Leute, welche bei der unübersehbaren Verwirrung nichts entwendet hatten. Späterhin erfuhren wir zwar, dafs die Lastträger Zünfte bilden und Vorsteher haben, welche verantwortlich sind, allein auch dabei durften wir uns nicht sorglos werden lassen, indem wir nichts Ueberflüssiges hatten und unsere Geräthschaften mit keinem Gelde zu ersetzen waren, so wenig Werth sie in Europa gehabt hätten.

Am Hafen war eine lebendige Regsamkeit. Wohl Hunderte von Booten bewegten sich mit arabischem Rudergesang zwischen der unabsehbaren Schiffsmenge, und so ärmlich und elend die herumstehenden nackten und zerlumpten Gestalten am Ufer im Aeussern waren, so zufrieden und sorglos, ja keck und sarkastisch war der Ausdruck ihres Gesichts.

Um vom Hafen in den Theil der Stadt zu gelangen, welchen die Franken bewohnen, passirten wir erst einen Gottesacker und mussten dann die Stadt der Länge nach durchwandern. Auf den Gräbern des Gottesackers safsen, in weisse Leintücher gehüllt, anscheinend wohlhabende Weiber und Kinder gruppenweis bei einander. Die Gesichter der Weiber waren ebenfalls mit einem Stück schwarzer oder weisser Leinwand bedeckt, welches durch zwei Oeffnungen nur die Augen mit schwarz angemalten Augenliedern durchblicken liefs. Ganz nackte oder mit Lumpen behangene, höchst schmutzige Kinder, von jedem Alter, und Weiber liefen vor uns her und beeilten sich, einander im Aufsammeln der Thierexcremente zuvorzukommen, die andere mit den Händen in Scheiben formten und gedörrt als Brennmaterial verkauften. In den engen, staubigen Gassen der dachlosen Häuser drängten sich ganze Reihen mit Wasser,

Schiffsgut oder Menschen beladener, hässlicher, riesenhafter Kameele, Esel und zahlreiche, meist räudige, Hundefamilien mit Türken, Arabern und Europäern. Im innersten Theile der Stadt waren die Häuser etwas gröfser, und ihre Parterre - Wohnungen waren als türkische Tabagien und Kaufläden aller Art geöffnet, deren fremdartige Gegenstände unsere Aufmerksamkeit nach allen Seiten zogen. Man hätte sich selbst verloren in dieser Masse von fremdartigen Umgebungen, hätte nicht von Zeit zu Zeit der Rippenstofs eines berittenen, im schnellen Lauf sich durchdrängenden Esels, dem ein eben so schneller Araber mit kreischendem Schemalak! Riglak! (links Acht! Fufs weg!) folgte, oder das Herannahen eines befrachteten, die ganze Strafsenbreite füllenden Kameels, welches Zerquetschung drohte, jeden auf sich selbst zurückgeleitet und Vorsicht nöthig gemacht.

Durch so buntes Gewühl ganz zerstreut, und ohne selbst Aufmerksamkeit erregt zu haben, gelangten wir in das Okell des österreichischen Consulats, und wurden mit grofser Freundlichkeit von Herrn CHAMPION aufgenommen, welcher uns und unserm Gepäck sogleich ein geräumiges, ganz orientalisch einfaches Zimmer, d. h. vier kahle Wände, anwies, wo wir mit Herrn Dr. SCHOLZ zusammen Obdach fanden. Die Conversation war französisch. Bald waren wir höchst einfach eingerichtet und erhielten einige Besuche angesehener Europäer. Zu Mittag speisten wir en famille mit Herrn CHAMPION, Wobei die Unterhaltung italienisch war, an welche dort einheimische Umgangssprache wir uns immer mehr gewöhnen mufsten. Nach Tische machten wir die Bekanntschaft eines friauler Arztes, des Herrn Dr. MORPURGO, eines sehr unterrichteten Mannes und tüchtigen Practikers, welcher unter vielen andern Sprachen auch deutsch verstand, und dessen Freundschaft uns späterhin sehr nützlich und angenehm wurde. Alle hiesigen Europäer waren in fränkischer Kleidung. Umlegen der Pflanzen in trocknes Papier, Führung des Tagebuchs und Ordnen unserer Utensilien füllte den ersten Tag vollends aus.

Mücken und erhitzte Phantasie hatten uns wenig schlafen lassen. Morgens 4 Uhr, am 6ten September, war schon alles mit Zurüstung zu einer Excursion nach der Pompejussäule beschäftigt, welche, nach ABD-EL-LATIF, ein Ueberbleibsel des alten alexandrinischen Akademie-Gebäudes, nach JOSEPH WITE's und DE SACY'S critischer Untersuchung aber, des hundertsäuligen Tempels des Serapis, des Serapeum's, ist. Vor Sonnenaufgang zogen wir aus, geleitet durch den Secretair des Herrn CHAMPION. In südlicher Richtung durchschritten wir den freien geräumigen Frankenplatz, welcher sich an das Frankenquartier schliefst und am Thore endigt. Vor dem Stadtthore, hinter welchem eine Zugbrücke den Graben bedeckt, trafen wir Herrn Dr. MORPURGO im Begriff seine Morgenvisite im Hospitale abzustatten. Da er keine dringenden Krankheitsfälle hatte, verschob er diese auf die Rückkehr und schlofs sich an uns an. Wir passirten einige von Mauern umgebene Gärten, die mit Dattelbäumen, welche halbreife Früchte trugen, gefüllt und mit Landhäusern wohlhabender Europäer versehen waren, dann gelangten wir an die grofsartige äusserste Stadtmauer. Im südlichen Abstande dieser festen Mauer von der eigentlichen Stadt könnte die ganze jetzige Stadt selbst bequem noch einmal liegen; der Umfang der Mauer aber schliefst aufser der Stadt noch 2 Dörfer, 2 Festungen und überdiefs leeren Raum für wenigstens noch dreimal so viel Cultur ein. Mit dieser unverhältnifsmäfsig grofsen äufsern Vertheidigungslinie schliefst sich der jetzige Umfang Alexandriens, aber unabsehbar weit über diese Linie hinaus liegen noch die zerstreuten Schutthaufen der alten Königsstadt. Auf einem der Hügel, nicht gar weit vom äufsersten südlichen Thore, noch etwas näher am Canal, steht die Säule, welche für die Schiffahrt im Orient von hoher Wichtigkeit ist, und bei Tage die Stelle des Leuchtthurms vertritt. Schutthaufen, die zu PoCOCKE'S Zeiten, 1740, noch ansehnliche Trümmer zeigten, umgeben jetzt formlos die Säule, und südlich hinter ihr erreicht man bald den Canal selbst, dessen Ufer, bis auf wenige entfernte Gärten und Getreidefelder im Osten, jetzt kahl und

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