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hatten. Häufige Fahrzeuge belebten den Nil. Bald fuhren wir mit dem Segel, bald ward das Schiff von singenden, ganz nackten Arabern gezogen, und bei jedem Haltpunkte vermehrte sich unsre Kenntnifs und Sammlung der ägyptischen Naturkörper in gleichem Maasse, in welchem immer neue Gruppen und Sitten der Landesbewohner unsere Aufmerksamkeit erregten. Leider aber waren die Verhältnisse, in denen wir uns befanden, sehr ungünstig. Der Schiffskapitain ALI Barschumi war, so wie sein Secondo, ein eifriger Muselmann und gegen uns kalt und ungefällig. Dazu kam, dafs mit diesem Schiffe ein wohlhabender Europäer vor Kurzem eine Reise nach Oberägypten gemacht und den Kapitain von Zeit zu Zeit reichlich beschenkt hatte, weshalb dieser uns nicht undeutlich zu verstehen gab, dafs er sich dergleichen auch von uns versehe. Wir hielten aber für zweckmässig, unsere zu wissenschaftlichen Zwecken bestimmten Geldmittel etwas sparsamer zu verwalten, und für klüger, erst seine Bereitwilligkeit, uns gefällig zu seyn, abzuwarten und ihn auf Belohnung dieser Gefälligkeit am Ende der Reise zu verweisen, indem wir wohl mit Recht fürchteten, dafs er schwerlich zufrieden zu stellen seyn möchte. So fand keine Annäherung statt, was uns, die wir das Schiff, ohne es ganz gemiethet zu haben, nicht befehligen konnten, vielen Verdrufs machte, obwohl wir den stolzen und habgierigen Alten in einiger Entfernung hielten. Seine Bosheit, die unmittelbar an uns selbst auszuüben er gegründetes Bedenken trug, ging so weit, dafs er, als am 26sten unser Dolmetscher, nach genommener Rücksprache mit ihm, in ein Dorf gegangen war, um wo möglich einige Eier und Tauben zu einer Suppe für den Kranken zu kaufen; er, ohne ihn zu erwarten, abfuhr und denselben nöthigte, fast eine Stunde Weges hinter der Barke her zu laufen.

Ueberdiefs war der Zustand des Kranken gleichförmig hoffnungslos, und da wir wegen engen Zusammenseyns mit demselben uns nicht in seine Pflege theilen konnten, sondern immer Beide, wie er, die Nacht schlaflos zubrachten, so waren auch wir sehr verstimmt und abgemattet. Eine unbeschreibliche Menge blutsaugen

der Insecten, die uns von allen Seiten umkrochen, umsprangen und umflogen, und nicht einmal naturgeschichtlich merkwürdige neue Arten, die wir gern ertragen hätten, sondern die allergemeinsten Begleiter des Schmutzes und der Bettelei aus Europa 1) waren, vollendeten das Unangenehme jener Gegenwart. Gern willigte ich in des Freundes muthigen Vorschlag, dafs er nach Cahira zu Lande vorauseilen und daselbst ein Logis für uns aufsuchen wolle, um den Kranken bei unserer Ankunft alsbald unter ein Obdach zu bringen und wegen der Effecten weniger Aufenthalt zu haben.

Wir befanden uns am Dorfe Essaui, und da wir den in Siwa gekauften Esel bei uns auf der Barke hatten, so ritt Dr. HEMPRICH mit einem Araber des Dorfes als Führer und mit Doppelflinte, Pistolen und Pflanzenbüchse versehen nach dem noch sehr entfernten Cahira voraus. Nachdem sie sich im nahen Städtchen Achmun mit frischem Brod und Datteln versorgt hatten, trabten sie rasch weiter und gelangten gegen 4 Uhr Nachmittags an die Spitze des Nil-Delta's. Zwar wollte der Araber seine Bezahlung voraus haben, allein Dr. HEMPRICH hatte die Vorsicht gebraucht, die Hälfte derselben zurückzubehalten bis zur Ankunft in Bulak. Bei der Ankunft am Nil, dessen Breite das jenseitige Ufer nicht deutlich unterscheiden liefs, erklärte der Araber, dass nun hier gegenüber Bulak liege, dafs der Contract mithin zu Ende sey und er nun mit seiner Bezahlung umkehren wolle, um vor Abend noch nach Hause zu kommen. Er führte den Dr. HEMPRICH zu einer Barke, auf der er das andre Ufer gewinnen könne, liefs sich das rückständige Geld auszahlen und entfernte sich. Dr. HEMPRICH, der nur wenig von dem verstand, was der Araber ihm weitläufig vorsagte, liefs sich, nichts Arges wähnend, mit dem müden Esel überfahren, und erfuhr erst am andern Ufer, dessen Gewinnung er theuer bezahlen musste, dass Bulak nicht weniger als noch eine starke halbe Tagereise entfernt sey. Der arabischen Sprache nicht mächtig, ohne Dolmetscher, nahe am Abend, unter treulosen Arabern und ganz allein, befand er sich

1) Cimex lectularius; Pediculus Hominis; Pulex irritans; Culex pipiens.

in einer sehr üblen Lage. Glücklicherweise kam ein Fellahh (Bauer), welcher desselben Weges zu wandern vorgab, ihn freundlich Sultan Muski ) begrüfste, sich unaufgefordert, da ihm das Tragen der Flinte versagt wurde, mit der Pflanzenbüchse belud und den Esel antreiben half. Am Abend erreichten sie im Dorfe Hassineen, das in der Richtung nach Cahira lag, die Hütte des Fellahhs, und alsbald bewirthete dieser den Dr. HEMPRICH mit Durrabrod in Büffel-Milch geweicht und mit geronnener Milch, und bereitete ihm in der fensterlosen, nur durch eine niedrige Oeffnung zugänglichen Stube seines Nilschlammhauses neben sich ein Lager. Dr. HEMPRICH war theils durch die von seinem Wirth ihm mitgetheilte grenzenlose Menge lästiger Thiere, theils und besonders aber durch eine Unterredung mehrerer Männer des Hauses, in welcher er wiederholt die ihm bekannten Worte katalu und mutu 2) (schlag' ihn todt! bring' ihn um!) und eine Abschätzung des Werthes seiner Effecten und des Esels zu unterscheiden glaubte, die ganze Nacht hindurch schlaflos geblieben. Er hatte am Abend nicht unterlassen, den Leuten beiläufig zu erzählen, dass er gute Waffen habe, dafs ein Freund ihm nachfolge und dafs seine Person dem Pascha bekannt sey. In den Bitten einer alten Frau an ihren Sohn glaubte er eine Verwendung zu seinen Gunsten zu bemerken. Seine unter diesen Umständen der Klugheit gemässe Aufmerksamkeit auf die Umgebungen endete erst mit Anbruch des Tages, wo, nachdem er scheinbar verdachtlos mehrere Geldgeschenke (Bakschisch) ausgetheilt hatte, sein Wirth sich erbot, ihn bis Masr (Cahira) zu begleiten. Nach angestrengtem Marsch erreichten sie gegen Mittag Masr und das Haus des Herrn DE ROSETTI, damaligen Königlich Preufsischen Consular-Agenten, in welchem Dr. HEMPRICH eine freundliche Aufnahme fand und, nach

1) Heilst, wörtlich übersetzt, Kaiser von Rufsland, ist aber ein scherzhaft gutmüthiger, Theilnahme bezeigender Titel der Araber für Franken. Das Frankenquartier in Cahira heifst dort el Muski (Russenstadt), und Sultan Muski soll wohl heifsen: russischer Edelmann.

um,

2) Dieselben Worte bedeuten auch: sie schlagen ihn todt, sie bringen ihn und konnten Ausdruck der Besorgniss um ihn seyn.

orientalischer Sitte, sogleich als Familienmitglied behandelt und zu Tische geladen ward. Nachmittags eilte er mit dem Janitscharen des Consulats nach Bulak, um ein Logis zu miethen, welches er, durch dessen Vermittelung, für monatlich 7 spanische Piaster und 1 dergleichen Schlüsselgeld, erhielt, obwohl es nur in zwei elenden leeren Kammern ohne Glasfenster und einem finstern Magazine bestand ). Dr. HEMPRICH kehrte nach Cahira zurück, besuchte Herrn CHAMPION, der während unserer Wüstenreise sein Haus von Alexandrien nach Cahira verlegt hatte, und brachte den Abend bei Herrn DE ROSETTI ZU. Er fand weder den Herrn General noch Herrn Professor SCHOLZ. Ersterer war nach Oberägypten, Letzterer bereits nach Syrien abgegangen.

Während dessen rückte ich mit der Barke von Essaui nicht nur nicht weiter, sondern am zweiten Tage theilte mir der Dolmetscher die Nachricht mit, dafs der Rais (Kapitain) erfahren habe, man requirire in Cahira Schiffe zum Transport der Soldaten nach Oberägypten, und dafs er keines Falls vor Abgang der Expedition, 'was wohl noch acht Tage währen könne, dort einzutreffen gesonnen sey. Da der Krankheits-Zustand des Herrn SOELLNER gegen eine solche Zögerung viel zu empfindlich und die geringe, schon oft verlorne Hoffnung zu seiner Genesung durch diesen langen Aufenthalt auf dem in der Nacht kalten und nebligen Wasser (das Thermometer schwankte täglich zwischen 7 bis 14° Reaumur) völlig vernichtet ward, so versuchte ich, dem Schiffskapitain Vorstellungen zu machen, und wegen des Kranken durch den Dolmetscher seine menschlichen Gefühle in Anregung zu bringen. Seine Antwort war trotzig: ich fahre nicht, und mit einem: Gott ist grofs, wandte er gegen den Kranken den Rücken. Da hinzugefügte Drohungen, wegen der absichtlichen Verzögerung die Hülfe des Gouvernements nachzusuchen und ihm das Bakschisch zu entziehen, eben so wenig

1) Das sind 16 Fl. Später erfuhren wir, dafs dergleichen Wohnungen mit 1-2 span. Piaster (2-4 Fl.) vermiethet werden, und zogen in ein anderes Quartier.

fruchteten und der Scheech des nächsten Dorfes kein Soldat, sondern nur ein Fellahh war, der weder Respect noch wahrscheinlich guten Willen hatte, mir zu Hülfe zu kommen, so beschlofs ich, den Dolmetscher ohne Verzug mit einem Briefe nach Cahira zu senden und dem Freunde Nachricht von meiner misslichen Lage zu geben.

Am 29sten Januar, um 12 Uhr Mittags, ging der Dolmetscher ab und ihn begleiteten zwei andere Passagiere des Schiffs, ein Einwohner aus Fuah und ein arabisch-griechischer Christ, welche sich ebenfalls rücksichtlich ihres Contracts betrogen sahen und längerem Aufenthalt entgehen wollten.

Obwohl der Kapitain, durch Absendung des Briefes etwas in Sorge gesetzt, täglich um einige hundert Schritt vorwärts fuhr, so waren wir doch nach fünf Tagen nur wenige Meilen, nur bis zwischen Beni Selami und Wardan vorgerückt. An nährende Fleischspeisen war in dieser Zeit, wo ich wegen der beständigen Unruhe und des hülfsbedürftigen Zustandes des Kranken mich gar nicht von ihm entfernen konnte, und durch Absenden des Dolmetschers oder Arabers in entfernte Ortschaften nicht selbst noch Anlafs zu Aufenthalt geben durfte, so wenig als an einen Augenblick körperlicher und geistiger Ruhe zu denken. Der auf eine Fahrt von 5-6 Tagen berechnete Proviant, besonders auch der Kaffeeund Zuckervorrath, das einfachste Stärkungsmittel, waren zu Ende, und ich hatte nur noch etwas Thee ohne Zucker und hartes Durrabrod. Für den Kranken sparte ich ein wenig Reis zu einer leichten Suppe auf. So sah ich mitten in dem überreichen Aegypten hungernd und ängstlich dem Fortrücken des Schiffes und der Hülfe entgegen, die mir durch Dr. HEMPRICH aus Cahira kommen sollte. SOELLNERS Auflösung war täglich zu erwarten.

Dr. HEMPRICH hatte am 30sten in Cahira den italienischen Koch des Herrn Consuls ROSETTI, einen leidenschaftlichen Jäger 1), auf einer Jagd auf Wasservögel begleitet, und am 31sten hatte

1) Derselbe VINCENZO, welchen wir später als Jäger engagirten und der auf unserer Reise nach Dongala bei Assuan im Nil ertrank.

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