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ben frei zu lassen, als auch unserer Einschiffung in das Innere des Landes weiter keine Schwierigkeiten in den Weg zu legen. Gern reichten wir, auf Anrathen des Dolmetschers vom Consulat, den gefälligen, rasch entscheidenden Beamten des Divans (Douane) ein Trinkgeld, was sie nicht verlangten und nicht zurückwiesen.

Am 22sten waren wir noch mit Einschiffen unsrer mannigfachen Effecten und deren Ordnen im Schiff beschäftigt. Am Abend nahmen wir Abschied von den alexandrinischen Freunden.

Am 23sten Morgens holte ich mit dem Dolmetscher und zwei Arabern den Kranken auf einem dazu vorbereiteten Tragsessel aus dem Hospitale, fand ihn aber, im Verhältnifs zum gestrigen Tage, sehr verändert und in einem wenig Hoffnung gebenden Zustande. Zu dem abzehrenden Nervenfieber, welches bereits Schlucken, Flokkenlesen und Delirien ) in seiner Begleitung hatte, war noch seit gestern ohne deutliche Veranlassung ein heftiger Katarrh mit Diarrhöe hinzugetreten. Von unserer auf heute festgesetzten Abreise unterrichtet, schien er gezweifelt zu haben, ob wir ihn wohl mit uns nehmen würden, und diese heftige Gemüthsunruhe mochte vielen Antheil an der Verschlimmerung gehabt haben. Die Ueberzeugung, dass ich gekommen sei, ihn mit mir zu nehmen, wirkte augenblicklich wunderbar stärkend auf ihn ein; er nannte mich einen Engel zu seiner Rettung und sprach mit völligem klaren Bewusstsein, allein am Abend kehrten die Delirien wieder.

Gegen 2 Uhr segelten wir mit schwachem aber günstigem Nordwestwinde bei heiterm Wetter ab. Um 7 Uhr Abends liefs der Rais im Kanal anlegen, um die Nacht hindurch daselbst zu verweilen.

So waren wir denn nun endlich auf dem Wege zum Nil, nach dessen grünen lebensreichen Ufern wir in Afrika schon fünf Monate lang geschmachtet hatten.

1) Krankheits-Symptome, welche bei uns den nahen Tod verkünden, im Orient aber, wie wir später mehrfach erfuhren, weit leichter erscheinen und nicht schon alle Hoffnung zur Genesung benehmen.

Noch vor Abend des folgenden Tages war der Eingang des Kanals in den Nil erreicht und endlich stand die Barke am Ufer des Stromes still. Schon im Voraus mit allerlei Jagd- und Vertheidigungs - Apparaten versehen, hatte ich bald mit einem Sprunge das grüne Land gewonnen, während der Freund bei dem Kranken blieb.

Mit Enthusiasmus sprechen alle Schriftsteller von dem üppigen Nilthal, und mit hoher Begeisterung hatten uns oft die Araber der Wüste vom Nil gesprochen, und Berg ) und Nil war bei ihnen Gegensatz wie arm und reich, wie Leben und Tod. Mit welcher Empfindung ein Naturforscher aus der Wüste in deren Gegensatz tritt, mit welcher Sehnsucht er seinem ersten Erscheinen entgegengesehen haben mochte, vermag Jeder zu beurtheilen, dem für irgend eine Sache das Blut rascher in den Adern rollt. Vor meiner Seele schwebten Palmenwälder und grofsblüthige Lianen (die Ipomoea palmata); die Baumwollen-, Zucker- und Colocasia - Pflanzungen; die Lotus-Blumen, die Sesamfelder, die Bananen- und SycomorusBäume, die wohlriechenden Acacien-Wälder; die Papyrus - Stauden als Schilf am Nilesrande und auf sandigem Nilesufer sich sonnende Crocodile mit dem Ichneumon und der Ibis in unzählbaren Schwärmen über dem Haupte vor der Sonne seine Kreise ziehend, und unter all dieses Bekannte und für die Bildungsgeschichte des menschlichen Geistes so Wichtige malte sich die Phantasie noch viel Unbekanntes, und alle Fiebern des Körpers waren in der höchsten freudigsten Spannung, als ich den Boden des Nilthals betrat,

Anders, ganz anders fand ich den Nil. Nachdem ich eine Stunde lang in unabsehbaren üppig emporkeimenden Kleefeldern umhergewandert war, kehrte ich von dieser ersten Excursion mit einem Händchen voll meist europäischer Pflanzenarten, ein paar europäischen Vögeln und Insecten ermüdet und traurig wieder. Der Klee war zwar eine ägyptische Pflanze (Trifolium alexandrinum),

1) Berg (Gebel) nennen die Beduinen häufig die Wüste, welche sie bewohnen, weil sie höher liegt als das Nilthal; Sahara ist der allgemeine Name für Wüste.

aber vom europäischen rothen Klee nur wenig unterschieden und häufig durch die europäische gemeine Flachsseide (Cuscuta europaea) zusammengewirrt. Flachs, Hanf, Senf, Sauerampfer, Knöterich, Vogelmiere, Gänsedistel, bildeten Unkraut; diefs und die Hauptmasse des Grases waren die vaterländischen Arten, und unwillig warf ich die deutsche Nessel zu Boden, die mich in Aegypten brannte. Von Vögeln hatte ich einen gemeinen Sperlingskautz, einige blaue Feldtauben, eine Mantelkrähe und eine Blauracke mit nur Einem ägyptischen Vogel, dem Charadrius aegyptiacus, erbeutet. Von Crocodilen war nichts zu sehen. Der gröfste aller gesehenen Schmetterlinge, den ich nach vieler Anstrengung bei der brennenden Hitze des Nachmittags endlich im Laufe fing, war der Distelvogel (Papilio cardui). Im Büffeldünger fanden sich einige den europäischen Formen sehr ähnliche Kopriden.

Nach meiner Rückkehr ging Dr. HEMPRICH noch etwas ans Land, während ich den Kranken besorgte. Er war so wenig befriedigt als ich selbst, da er, eine wenigstens doch etwas ansprechende afrikanisch belebte Flur erwartend, die Klee- und Saatfelder sich in ermüdend lange Ebenen ausdehnen sah und nur an Schutthaufen ähnlichen Dörfern in der Ferne einzelne Palmen erblickte, oder am Nil Tamariskengesträuch und dorniges, blüthenloses und fast blattloses Acaciengestrüpp fand.

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So wenig der erste Total-Eindruck der Vegetation und der gesammten Natur am Nil uns befriedigt und nur erfreut hatte, so freudig und erhebend war der Anblick des unter uns fortwallenden mächtigen Stromes, der, trotz seiner schmutzig gelben Farbe, ein köstliches Trinkwasser bot. Bei diesem Widerspruch und Kampfe der Gefühle wurde mir anschaulich, dafs die Orientalen und Occidentalen, welche Beide im Lobe des Nilthals übereinstimmen, doch im Grunde von so ganz ungleichen Ideen ausgehen. Unmöglich kann ein Europäer, der aus den grünen Auen der nördlichen gemässigten Zone plötzlich das Nilthal betritt, durch jene Natur in Enthusiasmus versetzt werden, und um so weniger, je geringer seine specielle

Naturkenntnifs bei einer vorurtheilsfreien Betrachtung ist. Grofse Strecken von Culturland mit üppigem Saatenwuchs, dessen Ertrag bedeutenden Vortheil bringt, ist ein angenehmes Bild und mag wohl zum Lobe anregen können; aber welcher Europäer würde, um üppige Klee- und Weitzenfelder zu sehen, nach Aegypten reisen, und wenn er sie dort sieht, sich für die Mühe der Reise belohnt und begeistert fühlen? Die Palmengruppen und die Formen der nackten schwarzbraunen Araber können wohl die Phantasie eines Europäers eine Zeit lang beschäftigen, aber die Eigenthümlichkeit der Vegetation ist zu wenig überraschend, als dafs sie begeistern könnte, und für den eigenthümlichen Lokal-Werth und die Bedeutung des Nils hat der keinen Sinn, welcher nie Mangel an Wasser litt.

Die Meisten der den Orient besuchenden Europäer werden durch die in ihrer Jugend ihnen vorgetragenen geschichtlichen Erinnerungen und durch die riesenhaften Denkmäler einer unbekannten Vorzeit bestochen, vor denen die höchste neueste Kraft der bildenden Kunst mit Ehrfurcht steht. Diese und die Fruchtbarkeit des Landes im vielfachen Ertrag der Saaten, sammt etwa dem sonderbaren Steigen und Fallen des Nilstroms und die Einflußslosigkeit des Winters auf das Säen und Ernten, sind die Triebfedern zur Begeisterung des Europäers.

Der Araber aber schwelgt nicht im Anschauen des üppigen Grases, der üppigen Saaten oder der Dattelpalmen, hat keinen Begriff vom Wechsel der Jahreszeiten und kümmert sich wenig um die von den Ungläubigen mit Hülfe des Teufels erbauten Thürme, aber er schwelgt im Anblick des trinkbaren lebendigen Wassers, dessen Mangel Tod verbreitet, dessen Fülle Leben, Frucht und Freude bringt. Das dem Nomaden so kärglich zugemessene Trinkwasser, dessen Oberfläche zu sehen die Tiefe der Brunnen selten erlaubt, sieht er hier in unübersehbarer Menge lebendig fliefsen, und er sitzt an seinem lebendigen Nil gefühlvoller, als der Reiche an seinem todten Geldkasten, und ruft dem Fremdling zu: Schau' diesen kostbaren Reichthum! Hast auch Du so einen Nil? Mit Unrecht

deutet der Frank diesen oft erschallenden Ausbruch des Gefühls der Aegyptier: Hast auch Du so einen Nil? auf den Ertrag der Felder und blickt bejahend über das ihm werthlose Wasser hinweg nur in die üppigen Fluren. Dahingegen wie der Reiche, des Vorraths sich bewufst, sorglos schlummert und beim nahenden Bedürfnifs nur in seinen vollen Kasten greift, um befriedigt zu werden, so überlässt sich der Araber am Nil der sorglosen Ruhe, bis ihn das Bedürfnifs weckt, dann schöpft er aus seinem übervollen unerschöpflichen Nile das Leben schaffende Wasser aufs nahe Land, und als Sclaven seines Willens keimen und reifen ihm zu jeder beliebigen Zeit die üppigsten Saaten.

Gewifs ist es unnöthig hinzuzufügen, dass, wie überall so auch hier, die dem Menschen aufgedrungenen, oder durch ein Streben nach Wissenschaft, Ruhe und Bequemlichkeit von ihm selbst hervorgerufenen, politischen Systeme die Poesie des Lebens nur selten noch durchblicken lassen. Mit Gewalt hat MEHEMED ALI sich angemafst, die Feldbebauer am Nil vor Contributionen der Mameluken und den Einfällen der Nomaden zu schützen, und die Schützlinge gewannen dadurch eine phlegmatische Ruhe und verloren das freie Benutzungs-Recht ihrer Länder am Nil, mehr als ihnen je die Mameluken und an Kraft bei weitem schwächern Nomaden rauben konnten.

Im vielfältigen Umgang mit Arabern und in manchem vertraulichen Gespräche mit den Hellsehendern unter ihnen haben sich mir jene Ideen bestätigt, die wohl zur Begeisterung führen, und ich kehre nun zur Reise zurück.

Nach Sonnenuntergang segelten wir noch quer über den Nil, und brachten die Nacht vor dem Städtchen Fuah zu. Bis zum 28sten Januar fuhren wir langsam stromaufwärts weiter. Baumwollenpflanzungen, Limonengärten, Dattelwälder, Dörfer und Zuckerplantagen wechselten allmälig sparsam mit den Saatfeldern ab, und machten nur wegen zu grofser Zwischenräume und zu geringer Variation nicht den starken Eindruck auf uns, den wir erwartet

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