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VIII.

Aufenthalt im Pestspitale als Zufluchtsort in Alexandrien. Abreise nach Masr el Cahira. Erster Eindruck des Nils.

Nach dem Tode unsers Gefährten, des Herrn Professors LIMAN, waren wir vom 14ten bis 20sten December ruhig in dem geräumigen und deshalb für unser Gepäck und die Beschäftigung mit demselben sehr bequemen Pesthospitale, und wurden nur durch eingetretene Verschlimmerung des Zustandes unsers Gehülfen, des Herrn SOELLNER, geängstigt, dessen nächtliche Unruhe und Besorgung uns Beide ebenfalls schlaflos machte und sehr anstrengte. Herr Dr. SCHOLZ reiste in diesen Tagen nach Masr el Cahira ab, um mit dem Herrn General weiter Rücksprache zu nehmen, jedoch hatte dieser vor Ankunft des Hrn. SCHOLZ seine Reise nach Oberägypten bereits angetreten. Neben dem Absenden von Briefen und allgemeinen Berichten in mehreren Duplicaten, hatten wir unsere Naturalien - Sammlung zu ordnen, zu bestimmen und zu verpacken, und dann den wissenschaftlichen Bericht über die gemachte Reise an die Akademie der Wissenschaften aufzusetzen. In der festen Meinung, unsere vor Abreise nach der Cyrenaica in Alexandrien deponirten, damals überflüssigen Fonds in der Nähe zu haben, verausgabten wir sorglos das wenige von der Reise zurückgebrachte Geld und meldeten uns erst, als es zu Ende ging, zum Empfang jener deponirten Summe. Wie grofs aber war unser Schreck, als wir erfuhren, der Herr General habe nicht nur die

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von uns deponirte Summe nach Masr el Cahira bezogen, sondern in den Consulaten sogar auf alle noch etwa für uns ankommenden Gelder Beschlag gelegt und ihre Zusendung ebenfalls verlangt. Späterhin erfuhren wir, dafs der Herr General, in der Meinung, dass wir gleich Ihm aus der Cyrenaica nicht wieder nach Alexandrien, sondern unmittelbar nach Cahira zurückkehren würden, und aus Vorsorge, dafs unsre Gelder wegen der in Alexandrien häufigern Pest dort mehr gefährdet wären, diese Mafsregel zu unserm Besten ergriffen habe. In dieser unerwarteten grofsen und dringenden Geldverlegenheit erkannten wir die wahre theilnehmende Freundschaft jenes jüdischen Arztes, des Herrn Dr. MORPURGO, welcher uns, während ein europäischer Kaufmann uns mit unerhörten Zinsen etwas baares Geld überlassen wollte, 500 spanische Piaster auf seinen Credit und 100 davon sogleich aus seinen eigenen Mitteln, beides ohne Procente, überliefs. Dieser vertrauensvolle und zarte Freundschaftsdienst war um so wichtiger und edler, je zurückhaltender wir selbst waren, und je dringender des Kranken halber unsere Bedürfnisse wurden. Durch einen vor seiner Abreise nach Said geschriebenen Brief des Hrn. V. MINUTOLI aus Cahira erfuhren wir, dafs er die Güte gehabt hatte, durch Anregung des türkischen Gouvernements auch für uns von HADJENDAUI Vom Transportgelde eine nicht unbedeutende Summe zurückzuhalten, die wirklich in Abzug kam. Wir erfuhren daraus gleichzeitig, dass, bald nach der Trennung des Hrn. v. MINUTOLI Von uns in der Wüste, der Italiener, Hr. GRUOC, erkrankt und wenig Tage nach der Rückkehr in Cahira verstorben sey.

Am 20sten December verbreitete sich in Alexandrien das Gerücht, dafs sich Pestanfälle gezeigt hätten. Dr. MORPURGO hatte sogleich am Morgen die bezeichneten Orte aufgesucht, aber an keinem derselben einen Kranken gefunden. Dessen ungeachtet erschienen am Nachmittag wirklich zwei von ihm in der Stadt aufgefundene pestkranke Europäer, die er sogieich in das Hospital gewiesen hatte. Diese Pestkranken bekamen ihr Lager in dem an den unsern

grenzenden Saale und einen Araber zur Bedienung, indem diese jederzeit dazu willig sind, sobald sie nur bezahlt werden. Tages vorher hatten wir unsern kranken Gehülfen in eine kleine Stube unter dem grofsen Eingange dieser Abtheilung des Hospitals verlegt, damit, während Einer von uns abwechselnd des Nachts bei ihm war, der Andere schlafen und sich erholen konnte. Diese Trennung war jetzt deshalb sehr unangenehm, weil wir den des Nachts nicht aus dem Schlafe zu weckenden, am Tage aber zur Aufwartung bestimmten Araber nun nicht mehr unter genauester Aufsicht haben konnten, und obwohl wir bei gehöriger Vorsicht, nach Dr. MORPURGO's erfahrner Aussage, die nur durch Berührung mittheilbare böse Krankheit selbst in solcher Nähe nicht zu fürchten hatten, so reichte doch die von uns selbst für uns allein angewendete Vorsicht nicht hin, uns sicher zu stellen. Die arabischen Bedienten waren, wie wir hörten, häufig in der Stadt die Vermittler zu dieser Krankheit gewesen, und ihren Leichtsinn und Fatalismus hatten wir um so mehr zu fürchten, je mehr wir mit pestleitenden Körpern, als Baumwolle, Werg und dergleichen, umgeben und beschäftigt waren.

Bis zum 23sten (binnen vier Tagen) belief sich die Zahl der angekommenen Pestkranken auf sieben, von denen bis eben dahin fünf neben uns starben, einer etwas Hoffnung gewährte und einer neu angekommen war. Da die Zahl der Pestfälle in der Stadt, besonders unter den Eingebornen, noch immer stieg, so mussten wir uns nach einem andern Aufenthaltsorte umsehen. Herr Consul BUCCIANTI war so gefällig, uns das nach Herrn Prof. LIMAN'S Tode leer gewordene kleine Zimmer seines Hauses für unsere Personen anzubieten, während wir für unsere Effecten ein Magazin mietheten.

Am 24sten December räumten wir das Hospital den überhandnehmenden Pestkranken ein und zogen zu Hrn. BUCCIANTI in die Stadt. Unsern Kranken, Herrn SOELLNER, nahm Herr Dr. MORPURGO in die andere Abtheilung des Hospitals auf, und versprach, für seine beste Pflege zu sorgen, was er auch that. Uns hielt man

im Hause des Herrn BUCCIANTI in Quarantaine, und alle Europäer enthielten sich der Berührung selbst ihrer Freunde. Auf den Strafsen gingen alle Franken, die noch nicht sich völlig einzuschliessen vorzogen, mit Stöcken, die sie den unvorsichtig in ihre Nähe Kommenden, um jede Berührung mit ihnen zu vermeiden, bis sie vorüber waren, entgegenhielten, welches Verfahren auf Fremde, denen es einen feindseligen Character zu haben scheint, einen ganz eigenthümlichen Eindruck macht.

Unser Aufenthalt in Alexandrien war noch durch zwei Umstände bedingt. Einmal erwarteten wir baares Geld und ReiseUtensilien aus Triest, und zweitens rieth man uns, die Eröffnung des Kanals bei Fua abzuwarten, dessen Eingang vom Nil daselbst während der Dauer des hohen Nilstandes, zur bessern Erhaltung des Kanals, damals verschüttet zu werden pflegte, und bei dessen Schluss es nöthig war, die Effecten aus den Barken des Kanals auf die des Nils überzuladen, was kostspielig und für die Effecten vielfach verderblich war. Am 7ten Januar 1821 ward in Alexandrien bekannt, dafs man am 12ten den Kanal öffnen werde. Um die für unsern Zweck allein günstige Jahreszeit des Frühlings für Oberägypten zu gewinnen, entschlossen wir uns, mit dem ersten Schiffe nach Cahira abzugehen, und beeilten unsre Zurüstungen, bei denen wir uns freilich der Gefahr der Pest-Ansteckung vielfach aussetzen mufsten. Ein endlich mit einem Schiffe aus Triest angekommner Brief brachte uns die Anzeige der bereits abgegangenen Geldsendung. Die Eröffnung des Kanals verzögerte sich bis zum 20sten Januar, und ohne jene Sendung erhalten zu haben, schifften wir uns, um der Pest zu entgehen, am 21sten ein.

Wir hielten für zweckmässig, unsern Kranken, dessen nervöses schleichendes Fieber in Alexandrien keine Hoffnung zur Genesung liefs, mit uns nach Cahira zu nehmen, und hofften, durch den Wechsel der atmosphärischen Verhältnisse, eine Umänderung zum Guten zu erreichen, die durch Diät und Medicin in Alexandrien bisher unerreicht geblieben war. Er selbst wünschte sehnlichst, mit uns

zu gehen, und wenn irgend Lebenskraft vorhanden war, so konnte diese durch den gedachten Wechsel der Verhältnisse nur geweckt und genährt werden. Dr. MORPURGO war ganz unsrer Meinung und bestätigte uns, dafs die Atmosphäre von Cahira den Europäern weit besser zusage als die von Alexandrien. Aufser dem Kranken bestand unsere Gesellschaft wieder in jenem Syrer als Dolmetscher und einem Araber, Namens RAMADAN, der das Kochen besorgen sollte, allein bei der Abreise fand sich auch noch ein Franzos, welcher als Koch sein Glück im Orient suchte, und auf unserer Barke frei nach Cahira zu kommen wünschte.

Wir hatten für uns und unsre Kisten auf der Maasch) des Rais ALI Barschumi 2) die durch einen Verschlag in zwei Kammern getheilte Kajüte und den Hinterraum der Barke bis an den Hauptmast für die Reise bis Cahira mit 300 ägyptischen Piastern (50 Fl.) gemiethet. Aus Mangel an mehreren Kameelen zum Transport unserer Kisten bis an den Kanal mussten Esel zu Hülfe genommen werden, deren jeder für eine Last mit 2-1 ägyptischen Piaster (etwa 2 Silbergroschen) gedungen ward. Der Ort der Einschiffung war damals Stunde von der äussersten Stadtmauer Alexandriens gegen Süden gelegen, in der Richtung der Pompejussäule, und hiefs el Kalihs 3). Unsre Vorräthe von Pulver, Weingeist und Wein, theils zum eignen Gebrauch, theils zu Geschenken bestimmt, machten noch einige Schwierigkeiten von Seiten des Zollamts, allein eine Versicherung des Consulats, dafs wir diese Effecten zum Bedarf der Reise ohne Handelsspeculation bei uns führten, war hinreichend, uns sowohl durch ein Teskere (Erlaubnißsschein) von allen Abga

1) Maasch (wohl von maschio gehen abgeleitet, Fahrzeug) heifst man die grofsen Nilbarken, welche Kajüten haben, aber zu grofs zum Rudern sind.

2) Rais ist der Titel des Schiffskapitains; ALI sein Name; Barschumi bezeichnet seinen Geburtsort: Kapitain ALI von Barschume.

3) Damals war der Kanal noch nicht weiter vollendet. Seit dem Jahre 1823 ist der Einschiffungsplatz nicht mehr auf der Südseite, sondern auf der Westseite Alexandriens, ziemlich nahe an der Stadtmauer.

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