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Als wir am 30sten Morgens die Thiere schon beladen hatten, fand sich Hr. Prof. LIMAN SO matt und krank, dass wir für besser hielten, wieder abzuladen und einen Rasttag zu machen. Sein Uebelbefinden war durch eingetretene Diarrhöe vermehrt, und er hatte ein merkliches Katarrhalfieber. Die stürmischen kalten Nächte und die starke Geistesspannung während des gestern zu befürchtenden Angriffs mochten gleichzeitig eine allzu starke Reizung auf seinen schwächlichen Körper hervorgebracht haben, und die Krankheit schien also eine natürliche Reaction des Körpers, zu deren Beseitigung es weniger Medicin als Ruhe bedürfe. Zur Vorsicht empfahlen wir ihm, kein blofses Wasser zu trinken, sondern wir bereiteten ihm etwas Reisabsud als Getränk, um so der Diarrhöe zu begegnen, und sorgten für Unterhaltung seiner Körpertranspiration durch warme Bedeckung. Uebligkeiten wurden durch ein Emeticum unterstützt.

Während des Aufenthalts hier in Bir haie vertrieben sich die Araber die Zeit mit dem Fällen einer Palme, um das Mark ihrer Spitze zu speisen. Bei der Auswahl derselben waren sie sehr scrupulös, dass es nicht eine weibliche, zufällig fruchtlose seyn möge, weil sie diefs für eine Sünde hielten, die den baldigen Tod des Thäters veranlasse. An der gröfseren Zahl und Länge der Stacheln an den Blattstielen erkannten sie mit Bestimmtheit die männliche Pflanze, und unterzogen sich der mühsamen Arbeit, die doch zu Stande kam. Das Palmenherz ward ausgeschält, und es war für uns Gesunde Alle hinreichend, viel zu speisen. Der Geschmack ist ganz nussartig wie junge Wallnuss, hat aber hinterher etwas Bitteres, und desto mehr, je entfernter der gekostete Theil vom Centrum der obersten Spitze war. Der zarteste jüngste Keim, welcher immer beinahe zwei Pfund wiegen konnte, hatte nur sehr wenig Bitteres und recht angenehmen Geschmack. Die Substanz ist weifs und zerbrechlich, wie es die jungen Keime der Saamen gewöhnlich sind.

Ich schofs in einiger Entfernung eine bis dahin noch nicht gesehene Drossel, welche die Araber Buschaelke (Abu schaelke) nannten, und da sie auf der hohen Palme liegen blieb, und ich allein

war, so war es nöthig, hinaufzuklettern, wobei ich die Stacheln und das Unangenehme des Umarmens einer schlanken Palme hinlänglich kennen lernte. Ueberdiefs war der Vogel nur die europäische Wachholderdrossel (Turdus pilaris).

Es gab hier wieder versteinertes Holz und Aëtiten mit Quarzcrystallen. Wir lagen ganz nahe am hohen Bergabfall.

Unsere Araber machten uns von neuem vielen Aerger und Weitläufigkeiten wegen der Kisten und einiger hier gesammelter Steinproben, die sie nicht mitnehmen und ausgepackt wissen wollten, so dafs es nöthig ward, um Gewaltthätigkeiten zu vermeiden, die Gegenstände heimlich zu verpacken und Einiges wegzuwerfen.

Am 1sten December hatte Herr LIMAN in der vergangnen Nacht etwas geschlafen, und fühlte sich weniger angegriffen, hatte aber noch ein merkliches Fieber und Diarrhöe. Da das Wasser in Bir haie etwas salzhaltig war, so hielten wir es für zweckmässig, seinem Entschlusse, heut mit uns weiter zu reisen, nicht entgegen zu seyn. Auch Herr SOELLNER klagte heut über heftiges Kopfweh, leichtes Fieber und grofse Mattigkeit.

Gleich beim Abmarsch, eine halbe Stunde nach Sonnenaufgang, wurden alle unsre Kisten und einige mehrmals abgeworfen, wobei wir einen grofsen Schaden an gesammelten Naturalien, besonders an fast allen Insecten erlitten. Unsere Vorwürfe über boshafte Unachtsamkeit wurden von den Arabern verlacht, und unsern ernsten Drohungen ähnliche entgegengesetzt. Mit vielem Groll lagerten wir uns eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang, nachdem beim Abladen abermals unsere Kisten abgeworfen worden waren, an dem noch immer fortlaufenden nördlichen Bergabhange, wo er Gebel et tarfaie heilst.

Herr LIMAN hatte den Weg zu Pferde wohl mitgemacht, befand sich aber nicht besser als gestern, und seine Krankheit war durch den heutigen Aerger mit den Arabern, woran er lebhaft Theil nahm, nur verschlimmert worden; auch Herrn SOELLNER'S Zustand war derselbe, und da er einen kräftigen Körper und Schwindel hatte, so bekam er am Abend ein Purgirmittel aus Rhabarber.

Wir passirten von Bir Haie erst zwei zur Rechten gelegene conische isolirte Berge, dann hatten wir zur Linken in der Nähe des Bergabfalls, den hier Herr v. MINUTOLI Abour-Tarlou, Herr DROVETTI Wohl richtiger Abou Tartour 1) nennt, eine grosse Menge Dattelpalmen, die uns lange begleiteten, Nachl el Gasalat (Gazellenwäldchen) genannt. Nach achtstündigem Marsch erreichten wir den Quell Abu Mardsuk oder Bumardsuk 2), welcher schlechtes, nur für Thiere trinkbares Wasser enthält. Wir hielten uns hier nicht auf, weil die Araber versicherten, dafs wir gutes Wasser in Bir Lebuk antreffen würden.

Während des Marsches bemerkten wir heut eine noch nie so schön und vollkommen gesehene Luftspiegelung, nämlich eine wahre Verdoppelung der Gegenstände, deren jeder immer einmal aufrecht und einmal verkehrt stand.

Die Natur des Thales unserer Wanderung war noch ganz so, wie von Siwa her.

Unserer Kranken wegen beschlossen wir, nicht nach Cahira zu gehen, sondern uns nach dem um zwei Tagereisen nähern Alexandrien zu wenden, und obwohl die Beduinen anfangs Schwierigkeiten machten, so wurden sie doch, weil auch von ihnen einer krank geworden war, dazu bewogen. In Bir lebuck, wo es gutes Trinkwasser ohne Salzgehalt geben sollte, hofften wir, den Kranken einige ihnen so nöthige Ruhe geben zu können.

Am 2ten December war sowohl Herrn LIMAN's als Herrn SOELLNER'S Zustand sehr verschlimmert. Beide hatten ein heftiges continuirtes Fieber sammt den gewöhnlich damit verbundenen Symptomen. Von heftigem Durst gequält, verlangten sie beständig nach Wasser, und unser etwas salzhaltiges, durch Verdunsten in den Schläuchen noch immer salziger werdendes Wasser vermehrte bei Herrn LIMAN nothwendig die Reizung und Diarrhöe, und ob wir gleich das Was

1) Abu tartur: Tartarenberg, Tartarenmütze sind wohl die zwei conischen Berge. 2) Herr V. MINUTOLI: Marsouk; Herr SCHOLZ: Bomarsu; Herr DROVETTI: Abou Marzoug.

ser mit Reis oder Gerste abkochten, indem wir dem Pferde sein karges Futter raubten, so vermehrte doch das Kochen durch Verdunsten des Flüssigen den Salzgehalt um so viel, um wie viel der Schleim des Reises seine Wirkung mildern konnte. Rasches Forteilen zum sülsen Wasser schien erste Bedingung zur Rettung unsrer Kranken. Wir setzten sie demnach auf Kameele und befestigten sie in einer sitzenden, ihnen nicht beschwerlichen Lage, und so zogen wir weiter.

Wir passirten den Theil der nördlichen Bergwand, welcher Gebel Dakar heifst, und nach 12stündigem Marsch durch eine den vorigen ganz ähnliche Gegend, wo es nur in der Nähe des Bergabfalls mehr isolirte kegelförmige Berge gab, lagerten wir uns an einem Orte, den die Beduinen Mungar ed dakar ) (DakarStrafse nannten. Zwei Stunden zuvor fiel das Land östlich sehr bedeutend ab. Nördlich sahen wir auf der Hälfte des Weges einen isolirten Berg auf dem hohen Wüstenplateau, der etwa zwei Meilen entfernt seyn mochte.

الدقر
(منجر

Am folgenden Tage (3ten December) eilten wir, Bir Lebuk zu erreichen, was aber erst Nachmittags 4 Uhr gelang. Da unsere Kranken nicht mehr in sitzender Stellung fortgebracht werden konnten, so wurden dann aus unsern überzähligen Zeltstangen und Bindfaden, die wir hatten, zwei Tragen zusammengebunden, und diese mit Stricken und Tüchern am Kameelsattel befestigt. Die stauchende Bewegung des Kameelganges machte an diesen Vorkehrungen beständig Abänderungen und Zurechtrücken nöthig, und jeder Kranke bedurfte deshalb abwechselnd einen von uns zum Begleiter.

So sehnsuchtsvoll wir sammt unseren kranken Freunden der rettenden Hülfe von Bir lebuk 2) entgegengesehen hatten, um so

1) Herr v. MINUTOLI nennt ihn Mongar-el-Dokar; Herr SCHOLZ Mingardekkar. Bei Herrn DROVETTI fehlt er.

2) Herr V. MINUTOLI nennt den Ort Berg Lubba; Herr SCHOLZ nennt diesen Ort Libbuk und Libbek; Herr DROVETTI nennt ihn Lebbak, also gewiss arabisch

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niederschlagender war das Resultat unsrer Erfahrung. Das Wasser von Bir lebuk war das bittersalzigste der ganzen Reise, und selbst die Thiere verschmähten davon zu trinken. Von dem Wasser von Bir Haie war nur noch eine geringe Quantität übrig, und der Durst der Kranken consumirte viel mehr, als gewöhnlich. Es war hier keine Zeit zu verlieren, und nur die dringenden Bitten und Beschwörungen der von dem beschwerlichen Transport sehr angegriffenen Kranken liefsen dem Mitleidsgefühl einen Sieg über den Verstand davontragen. Wir willigten ein, sie die Nacht hier ausruhen zu lassen. Die Gesunden legten sich durstig schlafen, um den Kranken das Wasser zu sparen; die Kühle der Nacht und die Ruhe minderten unsern Durst. Auch Pferd und Esel erhielten keinen Trunk.

Mit Tagesanbruch versuchten die Araber noch in der Nähe nach Wasser zu graben, allein es fand sich nur Salzwasser 1). Nachdem den Wünschen der Kranken die Lagerstätten möglichst angepasst waren, ward weiter gezogen, und damit weiter kein unser Aller Leben gefährdender Aufenthalt geschehe, so beschlossen wir, uns nicht eher wieder zu lagern, als bis wir zu Wasser gekommen seyn würden.

Die Terrainbildung der Gegend war wie bisher. Zur Linken der Abfall des hohen Plateau's der libyschen Wüste, um uns eine sandige Ebene mit einem Salzmoor in Südost, der geackertem Felde glich, aber ausser Hedysarum Alhagi und Dactylis repens keine Pflanze trug. Südlich eine unbegrenzte Aussicht in das breite, aber unfruchtbare Oasenthal. Zwei Stunden westlich vor Bir lebuk bildete die Strafse plötzlich einen starken Abfall, und ein wenig mehr östlich zog sich der hohe Bergabfall, welcher uns bis dahin von Siwa aus begleitet hatte, nördlich und verlor sich aus unserem Gesicht. An seiner Stelle waren bei Bir lebuk selbst weit kleinere Hügel.

1) Laut pag. 188 in MINUT. Reise fanden die Araber des Herrn Generals hier, in der Entfernung einer Stunde, Trinkwasser. So verschmachten vielleicht oft Caravanen in der Nähe des Wassers, blofs weil sie die Oertlichkeit nicht kennen.

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