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Am 30sten October empfanden wir die böse Einwirkung des heftigen Chamsin's oder Merise ) in ihrer ganzen Stärke. Schon seit fünf Tagen (vom 26sten October an) hatte dieser sehr ermattende, die Luft ganz mit Staub nebelartig erfüllende Süd-WestWind mehr oder weniger heftig fortgedauert, und nur des Nachts war Windstille eingetreten. Die ganze Atmosphäre war durch aufgeregten Staub trübe und gelblich, und die Zähne knirschten beim Zusammenbeissen wegen des Sandes, der beim Athemholen sich an sie anlegte. Heut aber ward er gegen 10 Uhr so heftig, dass er plötzlich unser wohlbefestigtes Zelt zerrifs, umwarf, und weit wegführte. Herr Prof. LIMAN war bis zur Ohnmacht entkräftet, und wir Alle waren so erschöpft, und von einer so unwiderstehlichen Neigung zum Schlafe befallen, dafs der Tag ganz ungenützt vorüberging 2). Dabei hatten wir einen sehr heftigen Durst, den das durch die heisse Atmosphäre 3) erhitzte Wasser nicht löschen wollte. Ein krampfartiges Gefühl im Schlunde und bitterer Geschmack waren dabei vorkommende Symptome, denen wir Alle ausgesetzt waren. Vor Abend war es nicht möglich, ein Feuer anzuzünden, und als sich am Abend die Stärke des Windes etwas minderte, wurde doch das zwischen unsern Kisten bereitete einfache Reisgericht so sehr mit dem Staube der Atmosphäre gewürzt, dass man nichts als Sand zu essen glaubte, und mithin den Appetit verlor, sobald der Hunger nothdürftig gestillt war.

مريسي

1) Der Name Merise kommt nach ABDELLATIF vom südlichen Lande el Maris

المريس

her.

2) Da es wegen anhaltender Heftigkeit des Windes nicht möglich war, das Zelt wieder aufzurichten, so hüllten wir uns in unsere Mäntel und nagelten die Seitentheile des Zeltes (Tusluk) über unsere Kisten, um in den Zwischenräumen dieser etwas Schutz zu finden. An unsere Kisten und um uns selbst, während wir ermattet da lagen, häufte sich der Sand auf der Windseite bis ein Schuh hoch an, aber Keinem von uns ist es wohl dabei eingefallen, dass wir so versanden könnten, indem eine leichte Bewegung hinreichte, den auf uns liegenden Sand wieder abzuschütteln, und da in der Ebene sonst kein Sand liegen blieb.

3) Im Schatten waren gegen 2 Uhr Nachmittags doch nicht mehr als 30° R.

Wir erhielten heut durch einen Beduinenbesuch Nachricht, dafs der Herr General wegen zu geringer Wasserprovision noch einmal hatte zum Brunnen zurückkehren müssen.

Gegen 11 Uhr Morgens fielen einige Tropfen Regen. Abends 9 Uhr zeigte das Thermometer 16° R. Der Thau der Nacht war unbedeutend.

Der folgende Tag war heiter, und erlaubte uns, den gestrigen Schaden am Zelte zu repariren, wobei Jeder eine Nähnadel ergreifen musste; dann wurden noch Excursionen gemacht. Die grösste Hitze war am Tage nach 1 Uhr 30°, gegen Mitternacht 15°, gegen 3 Uhr Morgens am 1sten November 13°. Es herrschte leichter Südwind mit einigen Tropfen Regen; in der Nacht war wenig Thau.

Hier am Wadi Auscherin kosteten wir zum ersten Male Kameelfleisch, welches unsere Beduinen aus dem Araberlager mitgebracht hatten, und bereiteten davon ein Abendbrod. Wir fanden es vortrefflich 1), und besonders wohl gefiel uns ein durch Herrn SOELLNER davon bereitetes Gericht, das einem Ragout ähnlich war.

ABUBRICK, unser Führer, welcher einen männlichen Jagdfalken bei sich hatte, verlor diesen während des Aufenthalts in Auscherin, weil er beim Beizen ein Weibchen in der Luft gefunden hatte, an das er sich, ohne wiederzukehren, anschlofs.

Da der vicariirende Araberchef MUHAMMED fürchtete, dafs unser unter den Beduinen schon sehr bekannt gewordener Aufenthalt uns einen Ueberfall zuführen möchte, so rieth er, dass wir unser Zelt in eine andere Gegend verlegten, und so zogen wir dann am 2ten November Stunden südwestlich weiter in die Ebene Wadi Dachan (nach SCHOLZ Dokan pag. 69. und Dockan pag. 13.), wo wir fünf Tage lang verweilten. Mehrseitige Excursionen ermüdeten uns mehr, als ihre Resultate uns erfreuten. Insectenfang gab

1) Später fand ich es oft sehr hart, und diefsmal könnte wohl die Stillung des an Hunger grenzenden Appetits einen Antheil am Wohlbehagen gehabt haben; doch essen die Araber sehr viel dieses Fleisches.

zuweilen etwas Neues. Die Vegetation, wo es deren gab, bestand gröfstentheils aus Salzpflanzen und Passerinasträuchen, und war von Abusir bis hierher sich fast ganz gleich geblieben 1). Bei einer Excursion fand ich die erste gehörnte Schlange, den berüchtigten Cerastes der Römer und Griechen, unter einem kleinen Strauche, und ich säumte nicht, mich ihrer zu bemächtigen. Beim Anfassen am Halse, nachdem ich den Körper fest auf den Boden gedrückt hatte, kamen aus den Giftzähnen einige Tropfen eines etwas zähen, in's Gelbliche fallenden Giftes. Einige Tage später fing Dr. HEMPRICH eine zweite, auf die der Dolmetscher aufmerksam gemacht hatte 2), auf gleiche Art. Jagd auf Gazellen, deren wir zuweilen einige erblickten, blieb, weil es kein Gebüsch gab, um sich an sie heranzuschleichen, fruchtlos; eben so die nächtlichen Anstände auf den Schakal.

Am 4ten November erhielten wir durch Beduinen die Nachricht, dafs den Herrn General eine Entzündung seiner Armwunde am Vorwärtsgehen hindere, und dafs er deshalb einen Ruhetag festgesetzt habe. Herr SCHOLZ machte von Wadi Dachan ganz allein eine Excursion nach dem Meere, und setzte uns und die Araber wegen langen Ausbleibens in Sorge 3).

Während dieses Aufenthalts brachte uns ein Imam aus einer nahen Araberhorde einen, nur zum Skelett brauchbaren Hubara, in dessen Eingeweiden wir aber auch mehrere Formen von Entozoen fanden. Das Geschenk war nicht umsonst gebracht, sein Ueberbringer suchte unsere medicinische Hülfe. Er war ein Gelehrter, das heifst, er las und schrieb schlecht arabisch, und so lange er bei uns war, betete er bei den täglichen Gebeten unserer Araber vor, welche sich hinter ihm in einer Reihe aufzustellen pflegten. Er war nackt, nur mit einem Barakan bekleidet. Auf blofsem Leibe trug

1) Die Vegetationsschilderung ist in einem eigenen Abschnitte detaillirt nachzulesen. 2) Mehr darüber findet sich seines Ortes im Abschnitt der zoologischen Bemerkungen. 3) Vergl. SCHOLZ Reise, pag. 69.

er einen breiten ledernen Gürtel, und an einem über die Schulter gehenden Riemen hingen an seiner linken Seite vier in Lederkapseln eingeschlossene Amulette. Seine Krankheit war ein Schmerz, der den Rücken, die Magengegend, den rechten Arm und den rechten Fuss plagen sollte. Wir riethen in diesem halb rheumatischen, halb hypochondrischen Uebel eine zweckmässige Diät, gaben ihm etwas Cremor tartari und ein wenig Auflösung von Balsamum vitae zum Einreiben. Scherzhaft war es, als er sich nach erhaltenem Rathe noch in der Stille erkundigte, wie oft er wohl seine beiden Frauen besuchen könne. Durch ein Mifsverständnifs des Dolmetschers ward ihm uneingeschränkte Freiheit ertheilt; im Begriff, sehr erfreut von dannen zu gehen, erfuhr er aber, weil wir die Antwort des Dolmetschers verstanden und nicht eben billigten, dafs ne quid nimis eine goldene Regel sey, und dafs nur von monatlich zwei Besuchen die Rede gewesen. Sichtbar verstimmt ging er von uns, ohne weiter ein Wort zu fragen.

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Die Besorgnifs unserer Beduinen nöthigte uns abermals, unsern Lagerplatz zu verändern, und wir zogen am Sten November wieder hinab neben das sarazenische Kastell Kasr eschdaebi, in dessen Nähe jetzt eine Araber - Tribus, Bebecker (Abu Becker) Habun genannt, gelagert war, an welcher unsere Beduinen einen Rückhalt suchten. Unser Führer ABUBRICK, der uns bisher der aufgeklärteste der Beduinen zu seyn schien, bat uns heut heimlich um ein Amulet gegen den Schufs, und da wir für gut fanden, seine hohe Idee von unserer übernatürlichen Kraft nicht herabzustimmen, so übernahm es Dr. HEMPRICH, ihm eins anzufertigen. Es kam im Laufe der Unterredung das Gespräch auf die Sterne, und mit vielem Kopfschütteln hörte er es an, dafs nicht die Sterne, sondern die Erde sich bewegen solle.

Bei Kasr eschdaebi verweilten wir wieder sechs Tage. Unser vorhin erwähnte Patient war von der hier in der Nähe gelagerten Tribus, und beschenkte uns bald nach unserer Ankunft mit Kameelmilch, wofür wir ihm etwas Reis mittheilten. Seine Beschwerden

waren gemildert, und wären wir nicht Christen gewesen, so wäre der Mann wohl zutraulich geworden. Er hatte ein neues Anliegen. Seine Frauen waren kinderlos, und er bat, dafs wir diesem Uebel abhelfen möchten. Der Dolmetscher fand die Bitte sehr lächerlich, allein der Mann sprach sich dann deutlicher aus, und verlangte, dass wir ihm einen Zettel schreiben sollten, der jene Wirkung hervorbringe. Wir hörten bei dieser Gelegenheit, dafs die Beduinen dergleichen Papiere, um ihrer Wirkung gewils zu seyn, nicht selten verspeisen, oder dass sie auch die wirksamen Zeichen gleich auf Brod schreiben lassen.

Am 9ten November zog eine Caravane von ungefähr 1000 Kameelen bei uns vorüber, welche aus Derna kam, und seit sieben Tagen unterweges war. Sie waren Tag und Nacht marschirt. Unser Hierseyn war ihnen schon bekannt. Sie nannten uns geradehin Spione des Pascha von Aegypten, und warnten uns sehr, ja nicht nach Tripolis zu gehen, weil man daselbst schon von Allem unterrichtet sey. Obwohl wir keine Notiz von diesen und ähnlichen Erzählungen nehmen wollten, so waren wir doch im Augenblick, wo der bewaffnete Haufe diese Sprache führte, nicht in einer sorglosen Lage Ohne zu fragen die Entfernung von Derna erfahren zu haben, war uns höchst wichtig, da wir an der Richtigkeit der Angaben unserer Beduinen zu zweifeln guten Grund hatten. Obwohl man uns übrigens nicht weiter beunruhigte, so war es doch nöthig, auf unserer Hut zu seyn.

Am folgenden Tage kam unser Abgesandter, Scheech OTMAN, zurück. Kaum hatte er uns begrüfst, so machte er den übrigen Arabern heftige Vorwürfe, dafs sie sich vom Scheech ENDAUI getrennt hätten und uns gefolgt wären. Nachdem er sich überzeugt hatte, dass wir gesonnen wären, die Reise fortzusetzen, stimmte er die Leute plötzlich so weit um, dafs diese, mit denen wir bisher auf ganz freundschaftlichem Fulse gestanden hatten, sich von uns absonderten, und ihm zu einer Conferenz in die Ruine folgten. Unser Führer ABUBRICK kam bald darauf warnend zu uns, und

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